Wilsdruff / Rittergut Limbach: PETER RÖSEL IM FESTLICHEN ABSCHLUSSKONZERT DER REIHE „MUSIK AN DEN HÖFEN DES MEISSNISCHEN LANDADELS“ – 13.9.2015
Mit der sehr erfolgreichen, immer gut besuchten, Veranstaltungsreihe „Musik an den Höfen des Meißnischen Landadels“, organisiert von der „Börse“, dem Veranstaltungszentrum der, zwischen Dresden und Meißen an der Elbe gelegenen Stadt Coswig, wird nachdrücklich auf weniger bekannte Adelshöfe mit ihrer historischen und baugeschichtlich wertvollen Bausubstanz, oft im verfallenen, aber auch schon sanierten Zustand, aufmerksam gemacht. In dem, westlich von Dresden im Umfeld der Kleinstadt Wilsdruff, gelegenen Rittergut Limbach mit seinem historischen Herrenhaus aus Renaissance und 19. Jh. sowie mehreren Wirtschaftsgebäuden fand zum 2. Mal ein Konzert statt. Es war gleichzeitig das Festliche Abschlusskonzert der diesjährigen Veranstaltungsreihe.
Im 20. Jh. wurde das Rittergut landwirtschaftlich genutzt, 1945 enteignet, für Wohnzwecke genutzt und schließlich wegen Baufälligkeit geräumt. Jetzt wird es langfristig saniert. Ein Gebäudekomplex von Wohnhaus und Stall wurde bereits als erstes fertiggestellt, nicht nur stilgerecht saniert, sondern auch vorsichtig modernisiert und einer neuen Nutzung angepasst, wobei die Tenne über dem ehemaligen Stallgebäude zu einem sehr ansprechenden großen Saal mit guter Akustik umgebaut wurde.
Dort fand ein Sonaten-Nachmittag mit dem sehr beliebten und international, gegenwärtig besonders in Japan und China, sehr gefragten und geschätzten Konzertpianisten, Peter Rösel, statt, der vor nicht allzu langer Zeit seinen 70. Geburtstag feierte. Trotz seiner jugendlichen Erscheinung gehört er damit nun schon zu den Senioren, einer Generation, die die Musik sehr ernst nimmt und die Reife und Überlegenheit ihres Alters in die Interpretation einfließen lässt.
Bei Rösel gibt es kaum einen Unterschied zu all den vielen Jahren, in denen er sein Publikum mit seinen Interpretationen der großen Klavierliteratur erfreute. Seine Technik ist noch genauso perfekt und brillant. Bereits die Handhaltung lässt eine besondere Anschlagskultur erkennen, mit der er jeden Flügel zum Klingen bringt. Es mag sein, dass er geistig noch reifer geworden ist, aber eigentlich gehörte auch das schon immer zu seinem Markenzeichen.
In seiner kurzen Einführung, lenkte er die Aufmerksamkeit, bevor er sich ans Klavier setzte, auf eine Verbindung zwischen dem Alter der Komponisten und dem Charakter ihrer Sonaten, was sinngemäß bedeutete: Joseph Haydn war Anfang 60, als er seine „Sonate Es‑Dur“ (Hob. XVI, 52) schrieb. Sie strahlt Würde aus. Ludwig van Beethoven war Anfang 50. Seine „Sonate c‑Moll“ (op. 111) ist von ganz anderem Charakter, voller Trotz und Auflehnung, bis dennoch die Versöhnung siegt. Franz Schuberts „Sonate B‑Dur“ (op. posth. D960) ist voller tiefer Depressionen und Melancholie, aber schließlich bricht sich doch noch ein gewisser Optimismus Bahn. Diese Sonate gehört zu den bedeutendsten ihrer Gattung überhaupt. Möglicherweise hat sich Schubert beim Komponieren so in die Musik hineingesteigert, dass sie in ihm Hoffnung und Zuversicht weckte. Er starb früh und nahm in seiner Sonate die Auseinandersetzung zwischen äußerer Not, Krankheit und Lebenswillen vorweg.
Mit unverminderter jugendlicher Frische und „Feuereifer“, unverändertem Temperament und Hingabe widmete sich Rösel an diesem Nachmittag den drei, sehr unterschiedlichen Sonaten der Klassik, wozu man Schubert stilistisch noch rechnen kann, auch wenn er im gleichen Jahr wie Richard Wagner geboren ist.
Die Besonderheit von Rösels Spiels liegt nicht zuletzt in einer guten Balance zwischen herzhaft, ausdrucksstarkem Anschlag ohne Härten und weichem, sehr klangvollem Spiel. Ohne Äußerlichkeiten, ganz in die jeweilige Sonate vertieft, präsentiert sich sein pianistisches Können auf höchstem Niveau, nicht nur mit perfekter Technik, sondern vor allem auch durch eine tiefe inhaltliche Aussage, die sich unmittelbar, ohne alle äußeren Effekte mitteilt. Er spielt alles aus dem Gedächtnis und versteht die große Kunst des unspektakulären, aber einprägsamen Klavierspiels, die sowohl den musikliebenden Laien begeistert, da sie leicht und wie selbstverständlich erscheint, als auch allerhöchsten Ansprüchen genügt.
Flüssige, „perlende“ Läufe, feine „getupfte“ Passsagen und schöne Triller, ein weicher und doch auch kraftvoller Anschlag, Wohlklang und große Klarheit sowie weit gespannte musikalische Spannungsbögen bis zum furiosen Schluss prägten Rösels Spiel. Allein die Geläufigkeit seiner Finger, die zuweilen ein wahres Feuerwerk unter seinen Händen entstehen ließ, die trotzig grollenden Begleittöne bei Beethoven, die dann besänftigt, in Töne tief nachempfundenen, beseelten Spiels übergingen, und die sensibel-melancholischen Klänge, denen Rösel bei Schubert nachspürte, sowie eine stets gute Tempowahl und richtig eingesetztes Pedal (was bei jüngeren Pianisten leider nicht mehr selbstverständlich ist), waren eindrucksvolle und bewundernswerte Charakteristika. Bei ihm ist nichts „aufgesetzt“. Seine frappierende Technik steht ganz im Dienst der Komposition.
Mit zwei Zugaben und den Worten: „es gibt noch andere Komponisten, die auch Sonaten geschrieben haben, z. B. W. A. Mozart„, dem ein brillant gespielter Satz aus der „Sonate F‑Dur“ folgte, und nach den Worten „jetzt keine Sonate, sondern Bach“ das mit Freude und zur großen Freude des Publikums gespielte „Jesu, meine Freude“ von Bach-Busoni, ging ein Nachmittag der großartigen Klavierkunst zu Ende, der die „Seele“ mitschwingen ließ und die Worte Beethovens; „von Herzen, möge es wieder zu Herzen gehen“ in die Tat umsetzte.
Ingrid Gerk