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WIESBADEN/ Staatstheater: OTELLO – ein verschenkter Abend

19.02.2018 | Oper

WIESBADEN/ Staatstheater: Otello – verschenkter Abend!

Besuchte Vorstellung: 18. Februar 2018

Schlecht geprobt und unzureichend musisziert geriet dieser Abend zu einem einzigen Ärgernis!

Die Wiedernaufnahme der Otello-Inszenierung von Intendant Uwe Eric Laufenberg brachte neue Sänger in den Hauptrollen und dazu ebenso eine Neubesetzung der musikalischen Leitung. Laufenberg bietet eine solide Erzählung der Handlung, verortet in der Neuzeit. Dazu baute Gisbert Jäkel eine Bühne mit pompösen weißen Säulen, die als Spielfäche variiert angeordnet werden. Laufenbergs selbstverliebter Auftakt-Gag, dass der Sänger des Jagos aus dem Publikum vor dem ersten Ton der Oper aufspringt und aus Shakespeares Vorlage rezitiert ist völlig überflüssig. Zum einen ist Verdis genialische Oper derart vollkommen geraten, dass es diese „Zugabe“ nicht benötigt. Problematisch ist vor allem ein solcher Einfall, wenn Shakespeare auf italienisch (!) von einem Sänger interpretiert wird und das Publikum überhaupt nichts davon versteht!

Die Premierenbesetzung litt seinerzeit unter dem stimmlich überforderten Titelhelden Scott Piper, der seinerzeit vom Wiesbadener Haus-Cassio Aaron Cawley an die Wand gesunden wurde. Nun stellte sich in Wiesbaden Lance Ryan in der fordernden Partie vor. In Ausdauer und Stimmtechnik kann Ryan auch diese Partie immer noch bewältigen. Allerdings kommen in dieser faszinierenden italienischen Partie Ryans mittlerweile deutliche stimmlichen Defizite zum tragen. Die Stimmfarbe wirkte ausgebleicht, das Vibrato oftmals kaum vorhanden, so dass es zu äußerst unschönen Klängen kam. Irritierend oft diesmal auch seine Vokalverfärbungen, die vor allem die a- und o-Vokale in enge e-Vokale transferierte. Darstellerisch wirkte er vielfach unbeteiligt, lustlos und im Gestus reichlich „privat“. Von seinem Otello ging weder stimmlich noch darstellerisch Autorität aus. Im Mai wird bei den Maifestspielen mit Gregory Kunde der derzeit wohl beste Interpret zu erleben sein. Damit dürfte es nach langer Durststrecke zu einer Steigerung kommen.

An der Seite Ryans stellte sich erstmals in Wiesbaden die Russin Olesya Golovneva vor. Sie präsentierte sich mit einer seltsamen Leistung. Sie bewältigte sicher alle Töne nur in Einheitslautstärke, nicht ein leiser Ton, nicht ein Textakzent. Der ausgesprochen harmlos wirkende Jago wurde interpretiert von ihrem Landsman Alexsei Isaev. Zu erleben war ein Bariton, der seine Partie primär musikalisch gestaltete. Große Phrasierungsbögen und ein nahtloses Legato bestimmten seinen Vortrag. Die Freude am Spiel mit Textfarben sollte er sich noch erschließen, um einer Partie wie Jago wirkliche Gestalt zu geben und diesen zum Drahtzieher zu entwickeln. Denn auch Isaev wirkte wie Ryan in seiner Darstellung äußerst blass.

Jugendchor, Chor und Extrachor des Staastheaters wurden von Albert Horne vorbereitet. Allerdings klang der Chor an zu vielen Stellen ungewohnt unsicher.

Schlecht hingegen erklangen Dirigat und Orchesterleistung. Daniela Musca dirigierte einfallslos das Hessische Staatsorchester und blieb der herrlichen Partitur alles schuldig. Die Tempi wirkten unausgewogen, oft verhetzt, wie z.B. im Liebesduett. Das Orchester leistete sich erschreckend viele, zu viele Schmisse. Hier wurde hörbar zu wenig geprobt und zu viel  gespart. Hatte Premierendirigent Leo McFall die gute Idee, die Schlagzeuger in die Loge zu platzieren, wo sie deutlich besser zu hören waren, war lediglich nur noch ein Schlagzeuger hinter den Posauen im Graben positioniert. Das Ergebnis war desaströs. Kaum ein Einsatz stimmte und war zudem fast immer zu leise, vermutlich um den Bläserkollegen nicht die Ohren zu ramponieren. Auch hier beim Schlagzeug Schmisse ohne Zahl. Schon beim Auftakt fehlten die Becken, bei Otellos „Abasso le spade“ kam kein Einsatz vom Schlagzeug an der vorgesehenen Stelle. Es ist mir unbegreiflich, wie es möglich ist, dass seit Jahrzehnten an diesem Haus dieses Schlagzeuger-Problem nicht gelöst. sondern „kultiviert“ wird. Leider agiert damit das Hessisches Staatsorchester wieder weit unter seinem Niveau. Hier sind die Verantwortlichen offenkundig völlig desinteressiert oder taub!

Für mich, wie auch für manch anderen Besucher endete der verschenkte Abend bereits nach dem 2. Akt.

Dirk Schauß

 

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