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WIESBADEN/ Maifestspiele: DAS BURGTHEATER ZU GAST IN WIESBADEN: DER PRINZ VON HOMBURG

31.05.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Theater

Das Burgtheater zu Gast bei den Internationalen Maifestspielen 2013 in Wiesbaden. 


Foto: Martin Kaufhold

Die legendäre Burgtheater-Inszenierung Heinrich von Kleist „Der Prinz von Homburg“ der Regisseurin Andrea Breth gastiert bei den Internationalen Maifestspielen 2013.

Totentänze auf der Klaviatur des Krieges

Kein Knistern, kein Rascheln, kein Atmen war im Zuschauerraum zu vernehmen.
Angespannte Stille, die in die Glieder fährt. Schritte folgen. Kalte Grubenlampen bohren sich durch das nebeldurchtränkte, düster wirkende Bühnenall. Sie scheinen aus einer tiefen Ferne zu kommen. Aus einem Zeitalter in dem der Krieg zum täglichen Pulsschlag der Zeit gehörte.
Links am Bühnenrand sitzt er: Prinz von Homburg, jugendlicher Träumer mit weißem Hemd, schwarzer Hose und nackten Füßen. In der Hand umfasst er ihn, den Lorbeer des Ruhmes den er sich erhofft.
Der Kurfürst von Brandenburg neigt sich über seinen Schützling, postuliert sein Träumen als „Unart seines Geistes“. Und diese Unart lässt sie uns schauen. Und doch mehr.


Foto: Martin Kaufhold

Andrea Breths Introspektion in das Kleistsche Drama „Prinz Friedrich von Homburg“ beginnt im Flüsterton. Sind es Stimmen, die der Prinz hört? Liegt er im Feld und träumt sich seine Welt. Nein, hinein in seine Welt? Klaustrophobisch ist er gefangen von Anbeginn, im Traum, paralysiert vom Krieg, Egomanisch jagt er dem Ruhm nach, will die „Leiter zu den Sternen“ erklimmen.
Wir blicken in seine Wirklichkeit, denn Regisseurin Andrea Breth wertet nicht, sie blickt, lässt uns Zuschauer sein, lässt uns mittendrin sein.

Die Bühne erhellt sich, der Traum wird geträumt: lang gezogene weiße, geriffelte Plexiglaswände, schieben sich auf und zu.
Mehrere Erzähl/Traumebenen spulen sich ab. Im Tonfall klar, nie ausladend sind Breths/Kleists Personen. Man schaut auf sie, ohne Pause zweieinhalb Stunden, wohnt einer Studie über die unterschiedlichsten Befindlichkeiten während der Schlacht bei Fehrbellin, 1675 bei. Im Bühnenhintergrund, schwarze Bäume, verkohlte Natur, verbrannte Heimat, die gelegentlich von Kanonendonner, oder grellem Neonlicht erschüttert wird.
Vieles wirkt filmisch: Szene, Schnitt, Szene. Die Figuren, sind keinen Menschen, handeln gesteuert, jeder für sich, nach den Regeln innerer und äußerer Zwänge. Nuancenreich in alle Farbregister des Schwarz/Weiß agieren sie wie Schachfiguren auf dem Tableau des Krieges mit denen der Tod seine Züge zelebriert. Unsichtbar, aber immer spürbar.

Die Geschichte um die Ungehorsamkeit des Prinzen: er führt aus jugendlichem Überschwang, träumerischer Ruhmessucht sein Heer zum Sieg, entgegen der Befehle des Kurfürsten, ist nur Keimzelle dieser Inszenierung. Zwar sind wir zu Anfang auch neugierig, wie der Kurfürst, der sagt „Ich muss doch sehen, wie weit er’s treibt“, wandeln uns aber schnell zu „Personengucker“.


Foto: Martin Kaufhold

Jede Figur wird dadurch zum szenischen Hauptakteur: Und selbst ein Wurzelgemüse/Karotte-Peter Simonischek zelebriert den Verzehr! und ein Paradiesapfel- Homburgs gieriger Biss in Lebende-, werden zu den einzig lebendigen Utensilien im Untergangs-Geschehen! Herrlich wie Peter Simonischek vom krieggenervten Patriachaten in die Rolle des „Natalien verschlingenden Ungeheuers“ mutiert. Sie, gespielt von Pauline Knop bleibt starr erduldend. Sie wagt Ansätze dem Dunkel zu entkommen, schafft es aber auch nicht, trotz ihrer Jugend. Zu eng sind die Fesseln.

Andrea Clausen
, Kurfürstin und Elisabeth Orth, Gräfin Bork haben jegliches Mütterliche auf dem Schlachtfeld der Grausamkeit verloren. Bewegen sich auch nur in der Enge ihres Daseins.
August Diehls Homburg besticht durch meisterhafte Indifferenz, die er seinem Prinzen zu eigen macht. Träumt er, wacht er, von was wird er getrieben. Nicht vom Leben, sondern von tief schwarzen Mächten, die im Sternenfirmament lauern.
Udo Samel zeichnet den Feldmarschall Dörfling als verbissen engen Befehlsgeber. Einer, der Gefühle und Sitten im Inneren anstaut. Seine euphorischen Ansätze, wenn es um die Kriegsführung geht, werden immer wieder ausgebremst. Er steckt stumm duldend ein und leidet im Scheitern.
Hans Michael Rehberg ist die liebende Gestalt, der glaubende weise Obrist Kottwitz, Roland Koch, der fesche, im Lebenssaft
stehende Kampftypus. Jeder der vielen hervorragenden Schauspieler, gerät zum Puzzelstein in Andrea Breths großem Weltuntergangsdrama!


Foto: Martin Kaufhold

Als Abgesang ertönt die schlichte d-Moll Passacaglia von Georg Friedrich Händel. Immerwährende Wiederkehr des ewig Gleichen erinnert an die ausladende Filmmusik von „Barry Lyndon“. Dort ist sie opulent mit Paukenschlägen verziert in Farben des Rokoko getüncht. Hier, in Breths Schwarz/Weiß Gemälde klingt sie bohrend ins tiefe Bewusstsein hinein. Als letzte Geste aller wird über den toten Homburg das nachtschwarze Wams gelegt  Das Erlebte der letzten Stunden: ein Alptraum, Homburgs Fiebertraum.
Ein meisterlicher Wurf mit grandiosen Menschen-Schachfiguren!

Barbara Röder

 

 

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