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WIESBADEN: DIE FRAU OHNE SCHATTEN – Nachbetrachtung der Wiederaufnahme

30.09.2016 | Oper

Staatstheater Wiesbaden “Die Frau ohne Schatten”, Nachbetrachtung der Wiederaufnahme vom 29. 09. 2016

Kein happy end für das Kaiserpaar

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Copyright: Staatstheater Wiesbaden/ M. Forster

Bekanntlich entstand das Werk im ersten Weltkrieg, wurde aber erst im Jahre 1919 in Wien uraufgeführt. Das Team für die Aufführung (Regie Uwe Eric Laufenberg, Bühne Gisbert Jäkel, Kostüme Antie Sternberg) im Staatstheater Wiesbaden hat die Kriegsereignisse mit eingebunden.

Im Vordergrund steht eine genaue Psychoanalyse der beiden ungleichen Paare. Das Spektrum reicht von euphorischen Momenten, verbunden mit viel Erotik und Erfolgserlebnisse, bis hin in abgrundtiefe seelische Abstürze, wie die so genannte Folterszene. Diese Szene aus dem zweiten Akt sorgt für viel Unverständnis und Diskussionsbedarf beim Publikum. Herr Laufenberg wäre nicht Herr Laufenberg, wenn er nicht sporadisch die Besucher mit Provokationen konfrontieren würde. Zugrunde liegt bei dieser Szene der Satz:  “Der Kaiser muss versteinern”, das bedeutet, dass der Kaiser herzlos handelt, in dem er mit skrupelloser Kaltblütigkeit sein Opfer misshandelt. Übrigens spielt das Opfer der Sängerdarsteller des Jüngling, Aaron Cawley (besitzt eine große heldenhafte Stimme), ohne Bezug auf seine sängerische Rolle.  Auch die kurze Abfolge von Gefühlsschwankungen, wie beispielsweise das Würgen von Barak an seiner Frau, die in eine Umarmung der Beiden endet, sorgt für entsprechende Emotion beim Publikum.   

Das Komplizierte an der umstrittenen Folterszene ist allerdings, dass das Geschehen auf der Bühne die Kaiserin im Schlaf erlebt.  So kann sich der Besucher eine eigene Meinung bilden, ob es nur ein Alptraum ist, oder Realität, oder Teile von beiden Variationen. Unter diesen Umständen ist erklärbar, dass die Kaiserin am Ende des dritten Aktes ihrem Mann nicht  folgen will. Der Kaiser verschwindet mit dem gemeinsamen Kind in seine eigene Welt. Wie das Kaiserpaar zu ihrem Kind kommt, ist unklar, wohl eine Metapher auf die Handlung.

Die Personenführung ist ein großes Pluszeichen in dieser Inszenierung. Hier ist nichts künstlich aufgesetzt und alles wirkt glaubwürdig.

Das Werk wird meist wegen der großen Besetzung des Orchesters (einschließlich der berühmten Glasharmonika) und den enormen Anforderungen an die Sängerdarsteller eher in den großen Opernstätten, wie Wien oder München, aufgeführt. Schließlich bezeichnete der Komponist das Werk als sein “Sorgenkind” wegen der Komplexität des Inhaltes. Es gehört zu seinen komplizierten und farbenreichsten Kompositionen. 

Angesichts dieser Vorgaben, hat das Staatstheater Wiesbaden das Wagnis mit Erfolg bestanden.

Zu verdanken ist dies hauptsächlich dem Dirigenten Vassilis Christopoulos. Der 41-jährige Dirigent spielte in einem Symphonieorchester in Griechenland Oboe und begann darnach mit dem Dirigieren. Das kommt ihm  bei dem Umgang mit den Sängern und Orchestermitgliedern zugute, weil er beide Seiten  kennt, sowohl den Graben, als auch das Dirigierpult. Er unterstützt die Sänger mit voller Hingabe, was bei diesem Werk enorm wichtig ist. So kann beispielsweise “Richard Furman in der Partie des Kaisers seine gut geführte Tenorstimme  trotz etwas kleinerem Stimmvolumen voll zu Geltung bringen, weil der Dirigent sein Orchester dementsprechend zurück nimmt. Wegen der besonderen akustischen Verhältnisse in diesem Haus, ist die richtige Koordination von Blech und den übrigen Orchesterteilen von großer Bedeutung. Das meistert der Dirigent hervorragend. 

Man kann sicher davon ausgehen, dass die Erfolgspur von Vassilis Christopoulos weiter nach oben zeigen wird.

Die übrigen musikalischen und szenischen Leistungen sind an dieser Stelle von Mitarbeitern des “Merker online” ausgiebig und sachkundig gewürdigt worden. Dem schließe ich mich an!

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Die nächste große Herausforderung an das Haus wird das neue Ring-Projekt werden, verbunden mit dem Wunsch auf einen großen Erfolg.

Franz Roos

 

 

 

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