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WIESBADEN: DAS RHEINGOLD – Chaos in Nibelheim

14.04.2017 | Oper

CHAOS IN NIBELHEIM. Richard Wagner DAS RHEINGOLD

Staatstheater Wiesbaden, 13. April 2017

 Kurz vor der Fertigstellung von Wagner Ring „Tetraolgie“ gab es nun Gelegenheit, den Vorabend „Das Rheingold“ mit z.T. geänderter Besetzung zu erleben.

 Erfreulich ist zunächst einmal, dass alle Mitwirkenden der Premierenbesetzung deutlich freier und gelöster agierten. Mit Katharina Konradi (Wellgunde), Martina Wryk (Wellgunde) und Silvia Hauer (Flosshilde) agierte ein außerordentlich homogenes Trio, wie es selten zu erleben ist. Die Stimmen passen in ihren unterschiedlichen Timbres perfekt zusammen und erfreuen dazu mit ausgezeichneter Textverständlichkeit. Besonders hervorzuheben ist Katharina Konradi, die mit staunenswerter Lockerheit strahlende hohe C‘s ensuite servierte. Fabelhaft.

Mit Thomas Hall präsentierte sich ein neuer Wotan. Hall singt derzeit alle Wotan-Partien in der neuen Ring-Inszenierung in Kiel. Zu erleben war zu aller erst eine herrliche Stimme, sonor, mühelos in allen Lagen, gepaart mit guter Textklarheit. Das könnte ein großer Wotan sein! Um dies zu realisieren, müsste sich Hall hörbar darum bemühen, den Sinn der Worte dem Zuhörer nahe zu bringen. Seine dynamische Skala bewegte sich nahezu ausschließlich im Forte, sprachliche Akzente gab es sehr selten. Damit nahm Hall sich und der Partie zu viel an Wirkung. Wotan verblasste und dies zeigte auch der mäßige Beifall des kundigen Publikums.

Neu war auch Shavleg Armasi als charismatischer Fasolt. Armasi, der auch den Hagen in der nahenden „Götterdämmerung“ singen wird, agierte sehr engagiert. Die Stimme ist vergleichsweise hell und kernig. Herausragend waren seine mühelosen und großzügig ausgesungenen Höhen. Auffallend gut war seine Textbehandlung und die dynamische Differenzierung. Gerade, wenn er von Freia sang, färbte sich seine Stimme ungemein weich ein, was seinem Fasolt eine empfindsame Seite verlieh. Young Doo Park als bedrohlicher Fafner hat sich erkennbar positiv weiter entwickelt, so dass die beiden Riesen die Vorstellung deutlich prägten.

Dennoch gehörte der Abend zwei Künstlern, die formidable Rollenportraits lieferten. Bereits in der Premiere begeisterte Thomas Blondelle als Loge mit einer überragenden Leistung, bei der alles stimmte. Und genauso war es auch in dieser Vorstellung. Hier stimmte einfach alles: Darstellung, Stimmbeherrschung, geistige Durchdringung. Als Dreingabe gab es von ihm neue Textfacetten zu hören. Eine ungemein begeisternde Lesart dieser so vielfarbigen Rolle. Auf Augenhöhe agierte dabei Thomas de Vries als Alberich, der sich seit seiner Premiere ungemein gesteigert hat. Wirkte er in der Premiere z.T. noch etwas zurückhaltend, so zeigte er hier eine Weiterentwicklung seiner Rolle, die nur noch staunen ließ. Nun waren alle Farben präsent, die diese Partie erfordert. Vom Flüstern bis zum gewaltigen raumgreifenden Fortissimo blieb de Vries seiner Partie nichts schuldig.  Die Wortgefechte mit Loge in Nibelheim gerieten dank dieser beiden großartigen Künstler zu einzigartigen Kabinettstückchen! Souverän meisterte er auch einendeutlichen Textschmiss in seinem Fluch. Ein neuer Mime war nun (nach Eric Biegel) Matthäus Schmidlechner. Auch hier, wie bereits beim „Siegfried“, eine ambivalente Erfahrung! Perfekt gesungen mit ungewöhnlich viel Stimmklang, jedoch ohne jegliche Charakterisierung. Schade!

Margarete Joswig bot als sehr gute Fricka deutlich mehr Schattierungen als in der Premiere. Gesteigert haben sich auch Benajmin Russell als Donner (der sich sein „Heda, Hedo“ nochmals rhytmisch anschauen sollte!), Aaron Cawley (Froh), Betsy Horne (Freia) und vor allem Romina Boscolo als deutlich ausgeglichenere Erda.

 Zwiespältig geriet die Leistung des Hessischen Staatsorchesters! Wer immer in dieser Produktion die Idee hatte, dass tiefe „Es“ am Beginn elektronisch zu verstärken, muss offenkundig schwerhörig sein. Fünf Kontrabässe intonierten, wie es sein soll, den Beginn im „pp“ und wenige Sekunden später wurde ein fruchtbarer Brummton auf „Es“ hin zugeschaltet, der dann mit dem Einsatz der Rheintöchter ausgeschaltet wurde. Das ist völlig unnötig, wider die Intention der Partitur und vor allem extrem störend!!!

Hie und da gab es kleinere Trübungen im Blech. Schön, dass Alexander Joel seine Musiker etwas mehr auftrumpfen ließ und somit den Stimmungen der Musik mehr Rechnung trug. Wäre es nicht so ärgerlich, dann ließe sich darüber schmunzeln, dass auch wiederum in dieser Vorstellung, dass Schlagzeug (Triangel/Becken) reichlich patzten. Etwa die Hälfte der Einsätze war kaum zu hören oder wurde geschmissen (2. und 3. Szene). „Gesteigert“ wurde dies dann noch durch einen Ausfall der Ambosse, beim Wechsel zur 3. Szene. Der Rhythmus stimmte nicht und sehr schnell verstummten nacheinander die Ambosse. Welch ein Chaos! Die Musik kam zum Stillstand, dann ging es weiter. Peinlich, peinlich! So etwas darf nicht passieren!

Und noch einmal: warum verstecken sich die Schlagzeuger im hintersten Winkel der Loge, anstatt an die Brüstung heranzutreten, wo sie besser gehört werden können? Für ein A-Orchester sind diese wiederkehrenden Patzer m.E. ein völlig untragbarer Zustand! Aber bisher scheint sich keiner der Verantwortlichen dafür zu interessieren!

 Am Ende rauschender Beifall, vor allem und völlig zu Recht für Thomas Blondelle und Thomas de Vries.

Dirk Schauß

 

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