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WIESBADEN: DAS RHEINGOLD. Premiere

14.11.2016 | Oper

Wiesbaden: „DAS RHEINGOLD“ 13.11.2016

rheim
Albert Pesendorfer, Young Doo Park. Foto: Karl und Monika Forster

Zur Ring-Schmiede (Richard Wagner) am Hess. Staatstheater hat Generalintendant Uwe Eric Laufenberg seine Produktion des Jahres 2013 aus Linz übernommen und eröffnete den Reigen mit dem Vorabend „Das Rheingold“. Der Regisseur erzählt die Story von Alberich, Wotan und der übrigen Bagage konzentriert, es gibt schöne interessante Szenen von sensibler Personenregie – mit interessanten Detail, in völlig neuem Terrain und eindrucksvoller Ästhetik. Neu erfunden die herzallerliebste Kinderschar der Götter (von wem bleibt offen – es ging in diesen Kreisen eh drunter und drüber) wird von Freia und Tante Fricka liebevoll umhegt. Ebenso verwandeln sich die Kleinen (Jugendchor des HSW-Dagmar Howe) von Statisten verstärkt in Nibelungen.

Der Vorhang öffnet sich, ein dimensionales buntes Auge als Hintergrund gibt den Blick in die imaginablen Rheintiefen frei, in welcher sich zu sanften Es-Dur-Klängen die mythischen Wasserelfen im freizügigen Badedress mit Alberich ihr lasziv-sinnliches Spiel treiben, um sodann das Familiengeheimnis fremden Ohren preis geben. Gisbert Jäkel verantwortlich für die Bühnenoptik verwandelt die Szenen in prächtige Bilder. Die Riesen aus dem Morgenland (entsprechend gewandet) errichteten Wotan dem Wüsten-Scheich einen prächtigen antiken Tempelbau, die Schar der Götter umgeben von Umzugskisten begutachten die Modellkonstruktion – doch die Luxus-Immobilie ist noch nicht bezahlt. Der Hausherr dem eitlen goldgeilen Geck mit wenig Verstand ist guter Rat teuer und findet schließlich Abhilfe beim listigen Loge.

Nun nichts wie runter nach Nibelheim in Alberichs Wohnzimmer um dem dreisten Rheingold-Räuber die Beute wieder zu entlocken. Ihm wuchs mit fortschreitender Macht lediglich das Vermögen – doch  weniger der Geist. Der Prahler inzwischen zum eleganten Geschäftsmann mit Zigarre mutiert vollzieht seine Verwandlungen mittels Video-Adaptionen (Falko Sternberg) auf einer Leinwand – optisch eine glänzende Idee. Man räkelt sich auf dicken Fellen, genießt den kurzen Reichtum und hält Alberich im Käfig gefangen. Die Riesen bewaffnet mit Pantograph und Lineal fordern ihren Tribut, Bauchtänzerin Freia wird mit Gold dekoriert. Die typisch orientalischen  kleidsamen  Créationen  entwarf Antje Sternberg. Nach Donners Hammerschlag fallen die Zeltwände, sichtbar das geöffnete Tor zur „Walhalla“  mit freiem Blick ins Innere in ausgezeichnetem  Lichtdesign (Andreas Frank), die geniale Optik erhielt zusätzlich durch die Bestrahlung des Deckengemäldes des Hauses eine aparte Dimension. Lakaien tragen den Hausrat nach innen, die Götterschar posiert nochmals zum Abschieds-Photo auf der Couch – die Gesellschaft wandelt nach innen und Loge verschließt mit vielsagender Mimik das Tor. Ein schwarzer Riesenvogel ließ sich nieder und bewacht die Final-Szenerie. Zu Ende eine vortrefflich-kurzweilige imposante Produktion welche einen insgesamt bestechenden Eindruck hinterließ und ebenso musikalisch positiv punktete.

Mit sensiblem Gespür akribischer Orchesterführung und luftiger Variabilität leitete Alexander Joel das bemerkenswert aufspielende Hessische Staatsorchester, beeindruckte mit uneitler Interpretation,  einer nicht in Stein gemeißelten Aussage. Ob in den impressionistisch flirrenden Streicherklängen, den Rumpel-Auftritten der Riesen oder den schwelgerischen Passagen der Loge-Szenen gelang die orchestrale Balance zwischen Effekt und differenziertem Tiefgang äußerst überzeugend. Falsches Pathos hat bei Joel keine Chance, die instrumentalen Gewebe sind elastisch und transparent, die Klangarchitektur sowie der dramatische Fluss wirken unangestrengt und selbstverständlich. Wirkten so manche Blechfraktionen überproportioniert war dies mehr oder weniger an der trockenen Akustik des Hauses anzulasten. Zwischen Graben und Bühne herrschte stets ungebrochener Dialog, welcher in seiner inneren Spannung nie abriss.

Zum vortrefflichen Orchesterniveau gesellten sich im Vokalbereich so manche Überraschungen. Somit möchte ich auch zuerst die Glanzleistung des Abends und  Publikums-Favoriten Thomas Blondelle würdigen. Den ätzend-hintersinnigen Loge präsentierte der exzellente Tenor als geschmeidigen  Zyniker, dessen vokaler Feuerschweif in vielen Farben glimmt und dem zaudernden Götterclan gewaltig einheizt. Hochkarätig glänzt das Material im Höhenbereich, in akribischer Süffisanz punktet der Sänger mit lyrisch-kultivierten Tönen und blieb dem agilen Feuergott zur vorbildlichen Diktion in keiner Weise etwas schuldig.

Jene vorzüglichen Stimmattribute blieben Gerd Grochowski zuweilen verwehrt. Der Bassbariton beeindruckte zwar mit mächtiger Vokalfülle und verlieh Wotan die imposante Würde, doch flachte das Potenzial zunehmend ab, verlor an Substanz und farblichen Nuancierungen. Es bleibt lediglich zu hoffen, dass sich diese Schwachpunkte zunehmend ausmerzen lassen und evtl. dem Premierenfieber anzulasten sind.

Eine majestätische Fricka mit herbem Timbre, mächtiger Fülle im Mezzo- und Tiefenbereich bot Margarete Joswig. Strahlende Sopranklänge schenkte Betsy Horne der Freia. Sonore Altregister bot Romina Boscolo (Erda) begleitet von nervösem Flackern im Höhenbereich.

Souverän und unspektakulär fügten sich die Stimmen der Rheintöchter Gloria Rehm, Marta Wryk, Silvia Hauer in die Szenerie.

Thomas de Vries charakterisierte auf geniale Weise Alberich  den Gegenspieler Wotans mit  imposantem Material welches er vortrefflich zum Klingen brachte. In eindrucksvoller Demonstration verstand es der Sänger seinen ausdrucksstarken, bestens fokussierten Bariton während der Dialoge mit Wotan und Loge markant einzusetzen, eindringlich in akzentuierter Deklamation bestach de Vries zudem mit dem überbordenden Fluch.

Eindringlich gestaltete mit nuancierten Tenorqualitäten Erik Biegel den jammernden Mime. Tenoral schönstimmig kam der Beau Froh (Aaron Cawley) daher. Kernig jedoch mit Vibrato behaftet schwang Donner (Benjamin Russell) den baritonalen Hammer.

Eindrucksvoll in bester stimmlicher Präsenz formierten sich die Riesen: Wortdeutlich mit markantem Bass dominierte Albert Pesendorfer als verliebter Fasolt und brachte seine Vokaltrümpfe in bester Manier zum Klingen. Ihm zur Seite imposant in tieferer Tonlage und schönstimmig der wütende Fafner (Young Doo Park).

Prasselnder Applaus und Bravorufe für alle Beteiligten incl. des Regieteams für eine hören- und sehenswerte Produktion und bestens gelungenem Ring-Auftakt. Bravo!

Gerhard Hoffmann

 

 

 

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