Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Wiener Staatsoper „CARMEN“ 7.September 2013

08.09.2013 | Allgemein, KRITIKEN, Oper
"Schau mir in die Augen, Kleiner!"  Roberto Alagna und Rita Shenan

„Schau mir in die Augen, Kleiner!“ Roberto Alagna und Rita Shaham

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wiener Staatsoper
Georges Bizet “CARMEN”
7.September 2013
152. Aufführung

Roberto Alagna

Roberto Alagna

Kein Zweifel, die Alagna-Festwochen, die gegen Ende der letzten Saison ausgebrochen waren, die dauern an. Und wo Roberto Alagna draufsteht, da ist auch Roberto Alagna mit aller Leidenschaft drinnen, mit allen Sensorien für Liebe, Hass und Theatralik. So viel davon, dass man ihn schon mögen muss, um die gesangliche Kraftlackelei zu überhören, welche seine stimmlichen Mittel bis an die Grenze anspannen. Ein wenig weniger davon wäre mehr, wie er es ja in der Blumenarie vorzuführen imstande ist. Natürlich ist er der Gewinner des Abends, schon im Spiel lässt er keinen Zweifel darüber offen, dass er sein Schicksal selbst bestimmt, dass er nicht der Loser am Gängelband einer fragwürdigen Außenseiterin ist. Und sein Publikum feiert ihn am Ende. Soll man da noch beckmessern über Phrasierung und dynamische Werte, über eine Stimme, die eigentlich nur wenig schmeichlerisches Timbre besitzt.

Neben ihm eine neue Carmen von einigermaßen kokottem Liebreiz, die Israelin Rina Shaham, ein pummeliger Hausfrauentyp mit wunderschönen dunklen Augen. Ihre Stimme besitzt eine angenehme, runde und leicht verschattete Tiefe und Mittellage, während die eher glanzlosen Höhen manchmal zu einem störenden Vibrato neigen. Ihre chanconartigen Nummern des ersten und zweiten Aktes überzeugen da am besten, insgesamt ist die Stimme aber nicht sehr expansionsfähig und stößt etwa im Schlußbild an ihre Grenzen. Während sie ihren ganzen Liebreiz in die Eroberung von José glaubhaft einsetzt, wirkt sie in ihrem verzweifelten Todeskampf unfreiwillig eher wie in einer Parodie. Hände werden gerungen und in die Höhe gereckt in altmodischen Operngesten wie aus dem vorvorigen Jahrhundert.

So wird daher aus der, im Stück zur Unscheinbarkeit verurteilten Micaela, die Gewinnerin des Abends. Anita Hartig setzt ihre Stimme mit instrumentalem Wohlklang ein und wäre vollkommen, hätte sie auch die Höhen besser in die Gesangslinie eingebunden. Und so bleibt zuletzt nur noch ein Ausfall zu vermelden: Sein berühmtes Auftrittslied klang schlimm und erst im Duett mit Carmen fing er sich einigermaßen. Laurent Naouri heißt dieser Franzose, ist Partner der Dessay und hat eine ganze Latte von Hinweisen auf Rollen und Opernhäusern im Programm stehen. Hoffentlich empfiehlt er sich damit nicht für weitere Engagements an diesem Haus.

Aus dem Ensemble empfahlen sich jedenfalls Ileana Tonca als Frasquita, Juliette Mars als Mercédès, Sebastian Kohlhepp als Remendado und Mihail Dogotari als Dancairo, Janusz Monarcha als müde wirkender Zuniga schon weniger und Gabriel Bermúdez als Morales überhaupt nicht.

Dan Ettinger dirigierte etwas zerfahren und brachte den Chor aber auch Alagna im letzten Bild fast in Schwierigkeiten. Die große musikalische Linie fehlte diesem Abend. Diese Inszenierung Franco Zeffirellis zählt ja an diesem Hause neben jener der Boheme und der Wallmanschen Tosca und noch einiger anderer zu den “Unberührbaren”, umso mehr bedarf es der ständigen Pflege dieser “Einrichtungen”. Solche darstellerischen Eigenheiten, wie jener der Carmen im letzten Bild, aber auch die Aktschlüsse, die jetzt schon zu richtigem Stehtheater und Rampensingen ausarten, stören so das Gesamtbild empfindlich.

So reichte es am Ende nur für einen herzlichen aber relativ kurz dauernden Schlussapplaus. Der Stehplatz auf dem Balkon und auf der Galerie war jeweils nur halbvoll, allerdings waren die Sitzplätze vor der Leinwand in der Kärntnerstraße vor Beginn dank des warmen Wetters alle besetzt.

Peter Skorepa
MERKEROnline
Bilder: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

 

 

Diese Seite drucken