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Wiener Staatsoper: 9.3.2013 „LA TRAVIATA“ Kein Sängerfest

10.03.2013 | Oper

Wiener Staatsoper:  9.3.2013    „LA TRAVIATA“    Kein Sängerfest

 Viel Regieunsinn, wenig Verdi

                           Marlis Petersen und Rolando Villazón                                

Es war gestern Abend die 15. Aufführung in dieser bedenklichen Inszenierung von Jean-Francoise Sivadier, jener unnötige Ankauf aus französischer Provinz, der Violetta Valéry als heruntergekommene Säuferin darstellt in einer Theaterprobe oder nur mehr im Traum einer solchen, die eine Beziehung zu einem Jüngeren erlebt, ja als was eigentlich? Als eine von Alkoholwahnvorstellungen befallene, als eine zu tief ins Glas schauende Opernsängerin, als eine bereits in Klinikaufsicht stehende?  Muss man die Intentionen kennen, die einen Regisseur zu so einer verqueren Idee veranlassen? Muss man das Programmheft dazu gelesen haben? Wieso verstellt Sivadier einem den Zugang zur eigentlichen Handlung derart abstrus? Fragen, die sich jeder, der den Plot kennt oder als Inhaltsangabe gelesen hat stellt, spätestens dann, wenn der Abend vorbei und gelaufen und verpatzt ist.

Allerdings hatte der gestrige Abend mit zwei Wiener Rollendebüts auch Singschauspieler zur Verfügung, die sich mit brennender Hingabe den Intentionen der Regievorgabe widmeten: Marlies Petersen, als Lulu und Medea in unserem Haus in bester Erinnerung, optisch ein mitreißendes Bild von einer Frau bis zuletzt in ihrer Phase als heruntergekommene Kranke, als Liebende und als Verteidigerin ihres wenigen Glücks. Das gilt auch für ihre Gesangsleistung, allerdings, mit ihrer Intensität führte sie vor, dass zu der Gestaltung einer Verdipartie auch ein entsprechendes Stimmmaterial vonnöten wäre. Verwischte Koloraturen und das Dauervibrato eines überbeanspruchten Soprans allein machen noch keine gesangliche Gestaltung für den italienischen Teil der kompositorischen Jahresregentschaft aus. Mit Achtung rettete sie sich wenigstens im letzten Bild in ein gesanglich inniges Finale. Auch ihrem Partner muss man ein selten zu sehendes Einleben in eine Rollengestaltung attestieren, ein unruhiger, herumschusselnder Jüngling mit Hang zur Outrage, ein von seinen Hormonen getriebener, dessen Eifersucht bei dieser attraktiven Partnerin verständlich ist: Rolando Villazón, ein Sänger, dessen persönliches Schicksal ja alle kennen, dessen mühevoller Wiedereinstieg ins Sängerleben bereits genügend breitgetreten wurde. Gestern führte er vor, wie schwierig der Weg ist. Der dunkle, verführerische Schmelz seiner tieferen Lagen ist zum Teil noch da, alles was darüberliegt ist harte Arbeit. Und je länger seine große Arie dauerte, desto mehr bangte man um deren gar nicht so hoch gelegenen Töne, von denen ihm einer noch dazu in der Kehle stecken blieb.

Der Dritte im Bunde, der verhinderte, den gestrigen Abend in ein Sängerfest zu verwandeln, war Fabio Capitanucci. Da wir von ihm gesanglich schon öfter verwöhnt wurden, dürfte eher die Tagesform darüber entschieden haben, warum sein Bariton diesmal so trocken klang und in den Höhen so wenig Volumen aufwies. In seiner Darstellung wirkte er völlig danebenstehend, nicht einmal mit seinen Händen wusste er etwas anzufangen.

Donna Ellen war die rührige, um Violetta besorgte Annina, Lena Belkina eine attraktive Flora, der Douphol von Marcus Pelz ein seltsam gröhlender Baron, während als Dottore Grenvil unser Alfred Sramek mit balsamischer Stimme seine Befunde verkündete. Als Arzt möchte ich ihm nicht begegnen. Und Carlos Osuna musste als Gaston für das dargestellte Bühnengeschehen als Theaterfunktionär agieren.

Paolo Carignani war mit Verve und Drive dabei, mit den Philharmonikern Verdische Klänge zu produzieren, was ihm auch dort gelang, wo er sich mit seinen Tempi durchsetzte. Bis zum Beweis des Gegenteils behaupte ich jedoch, dass das dritte Bild im Salon Floras keiner Orchester- und Chorprobe unterzogen wurde. So unwillig, den Tempi zu folgen hörte man die Chorsequenzen wohl noch nie.

Auch der Stehplatz war bummvoll, Karten gab es auch von den Agioteuren keine mehr, viel Zwischenapplaus und Jubel am Schluss. Touristen sind eben dankbar.

Peter SKOREPA

Foto Wr.Staatsoper/M.Pöhn

 

 

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