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WIEN / Werk X: HOMOHALAL

18.01.2018 | KRITIKEN, Theater

HOMOHALLAL
Foto © Yasmina Haddad

WIEN / Werk X:
HOMOHALAL von Ibrahim Amir
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 18. Jänner 2018

Wenn man Ibrahim Amirs „Homohalal“ nun im Werk X (endlich! Zwei Jahre nach der beabsichtigten Uraufführung im Volkstheater) gesehen hat, versteht man schon, dass ein Theaterdirektor den Kopf schüttelt und „Nein, danke“ sagt. Nicht, weil das Stück so radikal wäre. Nicht, weil es als „Futter für die Rechten“ missverstanden werden könnte. Sondern weil man nach den 80 Minuten so wenig damit anfangen kann.

Wobei Amir im Werk X dasselbe Pech hatte wie neulich im Volx: eine Inszenierung, die mit aller Überdrehung der Welt, mit ärgerlicher, permanent gebrüllter, sprachlicher Unsauberkeit und ununterbrochenem Geblödel eigentlich dafür sorgt, dass von der Substanz des Stücks nichts übrig bleibt. Mit einem Swimmingpool in der Mitte der Bühne (Ausstattung: Renato Uz), in die jeder Protagonist periodisch hineinfällt (darum ist der Zuschauerraum überheizt, damit die Darsteller sich nicht hoffnungslos verkühlen), außerdem mit gelegentlichen Videoszenen, hat Regisseur Ali M. Abdullah wenig mehr zu bieten, als Castorf’sche Inszenierungs-Rudimente. Aber sicher kein Stück, das auch nur andeutungsweise Substanzielles über die Situation von Migranten aussagt.

Die Sache spielt in der Zukunft – 2037. Dann hat man, wie man später hört, die Rechts-Rechts-Regierung erfolgreich bekämpft und eine Demokratie geschaffen, in der alle Migranten integriert sind, wenn sie es denn wollen. Ein paar Rückblenden auf 2012, die Besetzung der Votivkirche, erfolgen – wie erwähnt – per Videowand, Brocken von Geschichten, die offenbar doch nicht ausgestanden sind. Denn kaum kommen alte Freunde und Kampfgenossen beim Begräbnis eines Freundes zusammen, der sich von der Brücke gestürzt hat, geraten sie sich schon in die Haare. Dabei steht – Selbstkritik! Ibrahim Amir stammt aus der arabischen Welt – gleich zu Beginn die islamische Homophobie im Mittelpunkt: Papa, der Moslem, der so europäisch aussieht, ist tobsüchtig, weil sein Sohn schwul ist. Das ergibt Argumente, wie hierzulande längst niemand mehr auszusprechen wagte…

In der Folge leidet der Abend unter evidenter Unübersichtlichkeit, es ging der Regie viel mehr darum, eine tolle Posse zu entfesseln, als die Personen und ihre Konfiguration erkennbar hinzustellen. Jeder brüllt jeden an, der anfangs besonnen scheinende Iraker Said (Arthur Werner), der nur angesichts des schwulen Sohnes ausrastet, wird auf sein tragisches Schicksal zurückgeworfen. Wenn er am Ende (in einer Doppelrolle) als der Verstorbene wiederkehrt (dieses Motiv scheint der Autor zu lieben), macht er Terror und verschüttet Benzin, um die anderen das Fürchten zu lehren…

Wenig Klarheit herrscht bei den Frauen, am ehesten noch bei Albertina (Constanze Passin), die von Wurstsemmeln und Wohnungen bis zu Anwälten unter Einsatz von eigenem Geld und Idealismus für die ankommenden Flüchtlinge alles besorgte und sich eigentlich dafür nicht ausreichend gewürdigt fühlt. Dass Saids Frau Ghazala (Stephanie K. Schreiter) keine Einheimische ist, erahnt man höchstens an ihrem Namen, ihre Integration geht so weit, dass sie am Ende die faschistischen Reden halten darf, vor denen man erschrecken soll. Und eine absolut irritierende Besetzung ist die Barbara mit einer Schwarzafrikanerin (Yodit Tarikwa), denn sie müsste eigentlich eine Einheimische sein, die Said einst die rettende Ehe verweigert hat…

Dann gibt es noch Umar, auch schwul (Daniel Wagner) und mit keiner erkennbaren Funktion, sowie den Sohn Jamal (Christoph Griesser mit atemberaubend nicht vorhandener Sprechtechnik), sozusagen die ratlose Generation. Und Johnny Mhanna darf gewissermaßen sich selbst spielen, einen jungen Flüchtling, der auch im Theater dabei sein will…

Die Kritiken aus Dresden lassen vermuten, dass das Publikum dort mehr von einem Stück gesehen hat als hier, wo man sich letztendlich mit einem Swimmingpool (wie oft ist es lustig, wenn jemand hineinfällt?) begnügte…

Renate Wagner

 

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