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WIEN/ Volksoper: PARISER LEBEN" – Sex-Rochaden mit Zeitgeist-Mascherl. Premiere

22.02.2015 | Operette/Musical

21.2.2015: „PARISER LEBEN“ – Sex-Rochaden mit Zeitgeist-Mascherl 

 Jacques Offenbachs „Pariser Leben“, seine famose Satire über eine bürgerliche Großstadt-Lebewelt aus dem Jahr 1866 ist hier in der neuen Inszenierung der Volksoper ins Jahr 2015 gerutscht. Regisseur und Bühnenbildner Michiel Dijkema will aktuelles Musiktheater bieten. Da haben wir es. Ob aber das Zeitgeist-Mascherl auch wirklich gut tut? Nun, die Sex-Rochaden in einem abgefuckten Paris mit abgefuckten Typen hat bei einem Teil des Premierenpublikums schon Gefallen gefunden. Nicht so ganz positiv fielen die Urteil der Offenbach-Gourmets aus. Für zähe (am Beginn) und später dann doch flotte Unterhaltung ist jedenfalls gesorgt, und mit einigem Werbeaufwand wird sich diese Produktion wohl ganz gut verkaufen lassen. Darauf kommt es ja schließlich heute im Wiener Leben, im Kulturleben, an.

 Dirigent Sébastien Rouland heizt (die Fachleute sagen dazu: hudeln) in der Ouvertüre so an,  dass manche der Musikern gar nicht alle der ihnen vorgeschriebenen Noten spielen können. Viel Applaus. Aber auch die Choristen haben tapfer einige Unebenheiten zu überwinden. Viel Applaus auch für sie. Schon ein verdienter. Und im solistischen Aufgebot wirkt der sängerische Zuschnitt eher nach Muscial-Kleinformat als dass er einem großen Opernhaus entsprechen könnte. Macht nichts, erfreuen wir uns an wiederholtes Posieren in gängigen Sex-Stellungen (nicht besondern erotisch prickelnde) und an manch doch feiner gezeichnete Situationskomik. Und die ausgelassen wippenden Schaufensterpuppen wie die leicht geschürzten Cancan-Girls (Choreographie: Bohdana Szivacz) vermitteln schon einiges mehr an Sexappeal und Showstimmung.

 Regisseur Dijkema zieht sein Konzept durch: Eine gut eingesetzte, einige Überraschungen bringende Drehbühne mit einem Aufbau in einer Art Narrenturm, ständig in kräftiges dunkles, kaum atmosphärisches Blau getaucht; und alles ohne den geringsten Ansatz französischen Impressionsmus-Flair herbeizaubern zu wollen. Vulgäre Vorstadttypen torkeln hier herum, während das schwedische Touristenpaar Gondermark nach erotischen Vergnügungen Ausschau hält. Turbulent geht es dabei zu, und im nicht gerade übersichtlichen Reigen sind sehr wohl einige Gustostückerln zu finden. Kurt Schreibmayer, nach Bayreuther Wagner-Rufen in früheren Tagen in der Volksoper nun ein angegrauter Liebestoller, ist als der im erotischen Tingeltangel an der Nase herumgeführte Baron Gondermark spielerisch wie musikalisch einfach brillant. Besonders sensibel berührt sein Duett als ein nach Intimität mit Pauline (Johanna Arrouas) Suchender, während dem sich der Vorhang senkt. Und auch die (unerwünschte) Panne hatte ihren Reiz, als sich am Bühnenpodest ein Bolzen löste, Schreibmayer singend in den entstandenen Zwischenraum stürzte und trotzdem keine einzige Note verschluckte.

 Ja, sucht man auf der Bühne nach Lieblingen, so kann man sie im großen Aufgebot je nach Geschmack auch finden. Elisabeth Schwarz ist mit ihrer frischen, wendigen Spielfreude eine originell aufreizende Gabrielle. Helga Papouschek findet für die überreife Madame de Quimper-Karadec genau den richtigen Kammerton. Caroline Melzer muss dezent ihrem Gatten Gondermark folgen. Daniel Prohaska und Rasmus Borkowski bringen als eher herabgekommene Durchschnitts-Pariser Gardefeu und Bobinet das Verwechslungsspiel langsam in Schwung. Christian Drescher kann sich als quirliger Schuster Jean Frick gut behaupten. Annely Peebo sucht als attraktive Escort-Dame Metella im so wunderbar melodischen Brief-Rondo nach der musikalischen Linie. Wer ausgefuchste Transvestiten liebt: bitte, Thomas Zisterer. Somit ist kein inszenatorischer Geniestreich zu dokumentieren, doch ein mit der Zeit in Schwung kommendes unterhaltsames Spektakel.

Meinhard Rüdenauer

 

 

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