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WIEN / Volksoper: Mussorgskys BORIS GODUNOW konzertant

16.01.2022 | Oper in Österreich
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Albert Pesendorfer als Boris. Foto: Volksoper Wien / Johannes Ifkovits

WIEN / Volksoper: BORIS GODUNOW von Modest Petrowitch Mussorgski konzertant

Premiere der konzertanten Aufführungsserie

Jänner 2022

Der Rezensent hat es gerade noch rechtzeitig geschafft ins Theater zu kommen, da der Covid-Test wieder mit Verspätung kam und ein Antigentest im Notfall auch akzeptiert wird. Die nächste Überraschung ist dann der schwach besetzte Zuschauerraum, wie er in der Volksoper bei einer Premiere wohl noch nicht zu erleben war.

Eigentlich ist Boris Godunow ein Volksdrama nach Alexander Puschkin, das sich für die Volksoper ausgezeichnet eignet. Zuletzt gab es 1998 eine Aufführungsserie unter Harry Kupfer. Dennoch ist diese Oper, schon wegen ihrer Massenszenen, eine Herausforderung für jedes Theater.  Auf Grund von Covid 19 hat man sich zu einer kpnzertanten Aufführung der Erstfassung, oft auch Originalfassung genannt, entschieden. Mit einer Reduzierung der Chorszenen und dem Verzicht auf den Zusatzchor. Die Krönungsszene wird aufgeführt, die Revolutionsszene und der Kinderchor sind jedoch gänzlich gestrichen.

Die Entstehungsgeschichte der einzelnen Fassungen ist kompliziert. Nachdem das Werk jahrzehntelang in der moderner klingenden Rimsky Korsakov-Fassung gespielt wurde und später dann in der nüchterneren Instrumentierung von Dimitri Schostakowitsch, neigt man jetzt zu einer äußerst gestrafften Version, die sich hauptsächlich auf die Titelfigur konzentriert. Die einzelnen Szenen werden so homogener aneinandergereiht, und man spielt dann in der Regel auch ohne Pause.

Was dieser kürzeren Fassung zum Opfer fällt, ist vorrangig der beim Publikum so beliebte Polen-Akt, in dessen Mttelpunkt Marina Mnischek-Rangoni, ein Jesuitenpriester und Dimitri, der falschen Zarensohn, stehen. Mussorgsky hatte sich zur Einfügung dieses Akts entschlossen, nachdem man ihn damit damit konfrontiert hatte, dass der düsteren Männeroper eine strahlende große Frauenrolle fehlen würde.

Die jetzt in der Volksoper gespielte deutsche Fassung hat der Dirigent der Aufführung Jac van Steen eingerichtet und eingekürzt. Diese Kürzungen betreffen auch das sehr russische Klatschhändchenspiel der Zarenkinder und die große Wahnsinnsszene mit dem Glockenspiel. Den Zuschauer erwarten eindreiviertel Stunden spannendes Operntheater, das nur einige wenige Wünsche bei den Sängern offenlässt. Alle interpretieren sehr engagiert und frei von permanenten Blicken auf die Notenpulte, so dass das fehlende Bühnenbild nicht sehr vermisst wird.

Boris Godunow ist Albert Pesendorfer, der stimmlich wie darstellerisch überzeugt und es dem Publikum sichtlich leicht macht, die Tragik, Angst, Trauer und Hoffnungslosigkeit des Zaren nachzuvollziehen.  Pesendorfer erfreut durch eine in allen Lagen wohltönende Stimme, die auch das für die Volksoper geeignete Volumen besitzt. Es ist also nicht immer nötig, die großen russischen Stars zu rufen.

Einen sehr erfreulichen Eindruck macht Yasushi Hirano als Eremit Pimen, dessen große Erzählung von den Geschehnissen am Grab des Dimitri zum Höhepunkt des Abends wird. Er besitzt eine prachtvolle, lyrische Bassstimme mit sicherer Höhe, singt wortdeutlich und weiß auch den Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.

Grigori oder der falsche Dimitri,  hat infolge der Kürzungen keine großen Entfaltungsmöglichkeiten. Was Vincent Schirrmacher zu singen hat, macht er gekonnt, aber durch den Wegfall des Polenaktes verliert auch er den schönsten Teil seiner Rolle.

Carsten Süss verleiht Fürst Schuiskij die notwendige Bedeutung des Bojaren und kann auch stimmlich punkten, doch auch ihm hat man einiges von seiner Rolle genommen. Vom Bettelmönch Warlaam, hier Marco di Sapia, hätte man sich eine saftigere Bassstimme, wenigstens für seine berühmte Ballade, gewünscht. Martina Mikelic macht als Schenkwirtin eine gute Figur mit ausbaufähiger Stimme.

Die drei, hier etwas reduzierten Rollen der Damen am Hofe des Zaren sind bei Annely Peebo, Elisabeth Schwarz und Ghazal Kazemi in guten Händen. Zu erwähnen sind noch der Schtschelkalow von Morten Frank Larsen und der Bettelmönch Missail von Karl-Michael Ebner.

Mit dem gut einstudierten Chor und dem Orchester gelingt Jac van Stehen, trotz der eingeschränkten Möglichkeiten, ein spannender Abend, der dem anwesenden Publikum sehr gut gefällt.

Man hätte der Volksoper aber für diesen gelungenen Boris gerne einen größeren Publikumszustrom gewüncht!

Karlheinz Schöberl

16.12.2022

 

 

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