LA WALLY – Premiere Volksoper – 25.3.2017
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Annely Peebo, Kari Postma. Copyright: Barbara Palffy/ Volksoper
Alfredo Catalani (1854-1893) wurde vier Jahre vor Giacomo Puccini geboren und studierte zunächst in Italien und später in Paris. Dort lernte er die Musik Jules Massenets kennen, die einige seiner Werke beeinflusste. Danach studierte er noch zwei Jahre in Mailand, begann sich dort auch für die Musik Richard Wagners zu interessieren und schloss sich der kulturellen Reformbewegung „Scapigliatura“ rund um Arrigo Boito an. Dadurch wurde auch seine Musik beeinflusst und trug ihm den Vorwurf der Kritiker ein, ein „italienischer Wagner“ zu sein und Verdi warf ihm vor, die italienische Musik zu verdrehen. Beim Publikum hingegen war er sehr beliebt. In seinem kurzen Leben brachte er es auf insgesamt fünf Opern, von denen „La Wally“ die bekannteste bleiben sollte. Einen großen Anteil am Erfolg des Werkes hatte sicher der Umstand, daß er mit Luigi Illica einen echten Theaterprofi als Librettist an seiner Seite hatte. Basis des Librettos ist der Roman „Die Geierwally“von Wilhemine von Hillern.
Die Musik des Werkes ist ungemein naturalistisch und von hoher Dramatik. Es ist schwierig, sie in einen Stil einzuordnen, denn sie als veristische Oper zu bezeichnen greift meines Erachtens zu kurz. Sie enthält zwar starke Elemente dieses Genres aber geht oft darüber hinaus. Das Werk verfügt über drei für Sänger ungemein dankbare Rollen, was ihm aber fehlt sind die wirklichen „Schlager“, sieht man einmal von Wallys Arie am Ende des 1. Aktes (Ebben? Ne andrò lontano) ab, die man bei vielen Sopranen auf deren Arienplatten findet. Das Hauptmotiv dieser Arie erklingt dann auch an anderer Stelle wieder.
In Italien erfreut sich das Werk durchaus einer gewissen Beliebtheit, während sonst – vor allen Dingen szenische – Aufführungen eher selten sind. In Österreich wurde das Werk in jüngster Zeit szenisch meines Wissens nur 1990 bei den Bregenzer Festspielen und zuletzt 2013 im Landestheater Innsbruck – diese Aufführung konnte man vor zwei Wochen auf ORF III sehen – aufgeführt. Dazu kommt noch eine konzertante Aufführung 2005 im Wr. Konzerthaus.
Es ist nun sehr verdienstvoll von der Volksoper, dass nunmehr auch in Wien eine szenische Aufführung stattfindet. Der Wehrmutstropfen ist allerdings, dass deutsch und nicht in der Originalsprache gesungen wird.
Die Inszenierung dieses Werkes ist nicht unheikel. Inszeniert man es „vom Blatt“, dann läuft man Gefahr, dass es eine Art Heimatfilm und damit einigermassen kitschig wird. Versucht man das Stück zu ironisieren, dann ist die Gefahr der Lächerlichkeit gross, was aber im krassen Gegensatz zur Musik stehen würde. Regisseur Aron Stiehl umschifft diese Klippen recht gekonnt, in dem er zwar die Geschichte korrekt erzählt, aber Zeit und Ort abstrahiert. Dazu baute ihm Frank Philipp Schlößmann auf der Drehbühne der Volksoper eine stilisierte Bergwelt mit zusätzlich verschiebbaren Wänden, sodaß auch die Innenszenen glaubwürdig dargestellt werden konnten. Es war alles in Weiss-grau-schwarz-Tönen gehalten, gelegentlich durch ein bläuliches Licht angestrahlt. Die Kostüme von Franziska Jacobsen, ebenfalls zeitlos, waren farblich ebenso gehalten. Leider war die Personenregie nicht sehr ausgeprägt und mit dem Chor wusste er eigentlich nicht wirklich etwas anzufangen. Völlig unbewältigt blieb der Lawinentod Hagenbachs. Mit der Aufwertung der Rolle des Infanteristen zu einem Art „Schicksalsengel“ zollte er auch den Vorgaben des zeitaktuellen Theaters Tribut. Trotz dieser Einwände war die Inszenierung eigentlich das beste an diesem Abend.
Musikalisch wurde man leider über den Abend nicht wirklich glücklich. Das beginnt bereits beim Orchester unter der Leitung von Marc Piollet. Zugegeben, es gab sehr schön musizierte Passagen, aber das Zupackende, dass die Dramatik des Werkes ausmacht, fehlt vollkommen. Die Emotionen, die sich in dieser Partitur so wunderbar widerspiegeln, kamen nur sehr selten wirklich zur Geltung.
Leider waren auch die einzelnen Rollen nicht werkentsprechend besetzt. Kari Postma, Debutantin am Haus, bemühte sich zwar redlich und bot wahrscheinlich noch die beste Leistung. Allerdings ist ihre Stimme für die Titelrolle viel zu wenig dramatisch. Hier bedarf es einer Tosca-Stimme. Sie versuchte gar nicht zur forcieren, blieb aber der Rolle natürlich einige wichtige Facetten schuldig. Darstellerisch blieb sie eher unauffällig, was aber auch auf den Regisseur zurückzuführen ist. Vincent Schirrmacher sang statt des ursprünglich vorgesehenen Endrik Wottrich den Hagenbach. Da er aber von Haus aus die Zweitbesetzung war, hat er keinen Einspringerbonus. Seine Stimme ist leider für diese Rolle absolut nicht geeignet. Hier braucht man einen dramatischen Tenor, und das ist er nicht. Er forcierte daher ständig, was sich natürlich auch auf den Klang der Stimme auswirkt. Auch darstellerisch bleibt er blass. Ob er mit dieser Rolle seiner Stimme etwas Gutes tut, wage ich zu bezweifeln. Als Gellner hörte man ebenfalls die Zweitbesetzung – Martin Winkler war auch erkrankt – und zwar Bernd Valentin. Er hat zwar eine relativ große, aber nicht sehr klangschöne Stimme, setzt diese aber eher rücksichtslos ein und lässt jede Gestaltung vermissen. Kurt Rydl (Stromminger) war nie ein Sänger für das italienische Fach und das konnte man auch an diesem Abend wieder feststellen. Die Stimme klingt rauh und kommt mit der italienischen Musik kaum in Einklang. Annely Peebo blieb als Afra eher unauffällig und Elisabeth Schwarz hatte als Walter eine viel zu zarte Stimme. Mit einem durchaus klangschönen Bariton liess Daniel Ohlenschläger als Infanterist aufhorchen.
Der Chor in der Einstudierung von Thomas Böttcher entledigte sich seiner Aufgabe zufriedenstellend.
Der Funke wollte weder während der Aufführung noch am Ende überspringen. Da nützte auch die Beharrlichkeit eines Bravorufers im Parterre nichts, der vergeblich versuchte, den sonst im Haus üblichen Premieremjubel zu entfachen.
Heinrich Schramm-Schiessl