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WIEN/ Volksoper: GRÄFIN MARIZA. Premiere

23.03.2014 | KRITIKEN, Oper

GRÄFIN MARIZA – Premiere Volksoper 22.März 2014

(Heinrich Schramm-Schiessl)

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Astrid Kessler war die „Gräfin“ – auf dem Foto mit Toni Slama. Foto: Barabara Zeininger

 Was ist das wichtigste in einer Operettenvorstellung? Nach längerer Überlegung ist es mir eingefallen – die Operettendiva, also die Interpretin der weiblichen Hauptrolle. Eine Operettendiva muß drei Kriterien erfüllen: Sie muss gut aussehen, sie soll über eine gute Stimme verfügen und sie muss – und das ist das vielleicht wichtigste – eine Persönlichkeit sein.  In Bezug auf die gestrige Aufführung werde ich weiter unten noch darauf zu sprechen kommen.

 Es war eine erfolgreiche Premiere im heute so schwer umzusetzenden Genre Operette. Das kann man im Gesamten gesehen zur gestrigen Neuinszenierzung im Haus am Gürtel sagen.

 Dies beginnt bereits bei der Inszenierung durch Thomas Enzinger. Dieser hat sich auf keine Experimente eingelassen, sondern das Werk „vom Blatt“ inszeniert – ohne Mätzchen wie zeitliche Verschiebungen oder pseudosozialkritische Brechungen. Er hat schlichtweg gutes Unterhaltungstheater gemacht und das wird heute doch wohl auch noch erlaubt sein. Leider ist er nicht ganz ohne dem ausgekommen, was man Regisseuren seit einigen Jahrzehnten offenbar bereits auf der Hochschule einbläut: Misstrauen gegenüber der Stärke des Stücks im Allgemeinen und der Musik im Besonderen. So konstruiert er eine – gottlob dezente – Rahmenhandlung, in der der Diener Tschekko einem kleinen Mädchen die Geschichte der Gräfin Mariza erzählt und lässt außerdem die Ouvertüre nicht vor geschlossenem Vorhang spielen sondern macht eine Ballettnummer daraus. Aber bitte, wir haben schon Schlimmeres erlebt..

Der Regisseur führte Chor und Personen routiniert und sorgte für einen flüssigen Ablauf der Handlung. Das Bühnenbild von Toto, der auch die kleidsamen Kostüme schuf, das einmal einen Saal und dann wieder die Terasse des Schlosses zeigt, war hübsch und waren durch Verwendung der Drehbühne rasche Verwandlungen möglich.

Musikalisch konnte man mit dem Abend ebenfalls zufrieden sein. Volksoperndebutant Alexander Rumpf sorgte für Schwung im Orchestergraben und es gelang ihm auch, die Lautstärke entsprechend zu dosieren. Die zum Teil ohrwurmartigen Melodien von Kalman  kostete er durchaus gekonnt aus.

 Bei den Sängern gebührt eindeutig den „gstandenen“ Kräften des Hauses das meiste Lob. Absoluter Liebling des Publikums war Boris Eder, der den Baron Zsupan mit viel Verve und darstellerischer Lebendigkeit gestaltete. Anita Götz als Lisa war ihm hier eine gute Partnerin. Auch sie spielte einnehmend und war auch stimmlich bis auf ein paar scharfe Spitzentöne zufriedenstellend. Toni Slama war ein polternder aber trotzdem irgendwie liebenswerter Fütst Pupulescu und im dritten Akt bewiesen Helga Papouschek als Fürstin Bozena  und Direktor Robert Meyer als ihr Kammerdiener Penizek, wie man ohne große Gesten und Übertreibung für Lacher sorgen kann. Aktuelle Anspielungen – wie auf die Burgtheaterkrise – durften natürlich nicht fehlen.

 Carsten Süss bemühte sich sehr als Graf Tassilo. Er sieht gut aus und spielt sehr engagiert. Er verfügt über einen angenehm timbrierten Tenor, der allerdings leider in der Höhe etwas eng wird. Seine „Schlager“ (Wenn es Abend wird, Komm Cigan) vermag er durchaus gekonnt zu präsentieren.

 Der Umstand, warum ich auf die Titelrollenträgerin erst gegen Ende zu schreiben komme, führt uns wieder an den Beginn des Artikels zurück. Volksoperndebutantin Astrid Kessler erfüllt leider die genannten Kriterien nur zum Teil. Sie sieht ohne Zweifel gut aus und kann auch stimmlich durchaus gefallen. Ihr Sopran scheint für diese Art von Musik durchaus geeignet und sie hat auch keine Mühe, das Haus zu füllen. Es fehlt ihr aber leider fast komplett die Persönlichkeit. Sie wirkt zwar durchaus symphatisch, aber bleibt irgendwie hascherlhaft, wie man in Wien gerne sagt. Das wirkt sich besonders beim großen Wutausbruch im Finale des zweiten Aktes aus, dem jegliche Souveränität fehlt und der eher wie das Aufstampfen eines Kindes wirkt, dem man den Lolli weggenommen hat. Aber offenbar muss man hier heutzutage Kompromisse eingehen, den die wirklichen Operettendiven, wie es sie früher am Haus gegeben hat – ich muss hier gar nicht ganz weit in die Vergangenheit zurückgehen, sondern nur an die 70er-Jahre mit Sigrid Martikke oder Mirjana Irosch denken – die gibt es heute offenbar nicht mehr und große Opernsängerinnen, wie früher z.B. Hilde Güden oder Lucia Popp, machen ja heute um die Operette einen Bogen.

 In kleineren Rollen ergänten Nicolaus Hagg (Liebenberg), Michael Gempart (Tschekko) und Annely Peebo (Manja).

 Gut der von Holger Kirsten einstudierte Chor und auch das von Bohdana Szivacz choreographierte Ballett.

Während der Vorstellung sorgten die üblichen Volksopernjubler für entsprechende Reaktionen und am Ende gab es durchaus verdient viel Applaus und Bravos für alle Beteiligten, insbesonders auch das Leading Team.

 Heinrich Schramm-Schiessl  

 

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