WIEN/ Volksoper. „DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL“MIT NEUER, INTERESSANTER KONSTANZE (25.Mai 2012)
Mozart’s „Entführung aus dem Serail“ ist – zumindest bei den Direktoren – in die zweite Reihe zurückgerutscht. Vorbei die Zeiten, wo die Da Ponte-Opern mit dieser Liebes- und Aufklärungs-Apotheose gleichauf in punkto Popularität lagen. Dabeim wird das Stück immer aktueller, wenn man es als Konflikt zwischen triebhaftem Egoismus und ethischem Verhalten deutet. Und auch als Analyse der Unterschiede zwischen dem sog. Abendland und der Welt des Islam. Die Volksoper hat immerhin eine etwas spröde aber insgesamt gelungene Produktion von Helen Malkowsky (Ausstattung Bernd Franke) aus dem Jahr 2010 anzubieten, die sie erst 16 Mal gespielt hat. Mit einer neuen, interessanten Konstanze – Cornelia Horak – und einer Besetzung, die vor zwei Jahren teilweise noch ident war.
Am Pult steht nun Gerrit Prießnitz, der (ähnlich wie Sascha Goetzel) ganz aufs Tempo drückt. Schon die Ouvertüre mit der „Janitscharen-Musik“ ist rasant, nur der Mittelteil mit der Liebeserklärung an Konstanze ist ausladend und lässt die Zeit stille stehen. Belmonte ist jetzt der deutsche Zwischenfach-Tenor Mirko Roschkowski. Er verfügt über eine sehr schön klingende Stimme, Vortrag und Musikalität sind exzellent, allerdings übertrifft Cosmin Ifrim seinen „Herrn“ fast an Stimmvolumen. Immerhin – die Wiederbegegnung mit Herrn Ifrim, einem wirklichen Holender-Protegé aus Rumänien, ist sehr erfreulich. Seit ca. 4 Jahren singt er als „Freier“in Spanien und Japan, in Deutschland und doch auch immer wieder in Österreich. Sein Repertoire ist zu Rodolfo und Rigoletto-Herzog mutiert und für den Pedrillo wirkt er fast schon als vokale Überbesetzung. Osmin, Blondchen und Bassa Selim sind gegenüber der Premiere gleich geblieben. Gregory Frank liefert eine köstliche Studie eines unbeherrschten „Macho“, stilistisch baut sein Haremswärter eher auf die Höhenlage des „Haremwärters“ – sein Osmin ist viril, witzig und „nicht auf den Mund gefallen“. Das gilt auch für sein eher kleinstimmiges Blondchen. Andrea Bogner ist frisch, frech und fröhlich; sie hat in der ersten Arie keine Angst vor dem hohen Des und Osmin muss im Grunde froh sein, das er sie los wird – diesem Wirbelwind wäre er in keiner Weise gewachsen. Bassa Selim ist wieder August Zirner, dessen Rolle – zum Unterschied von den meisten Bearbeitungen – wenig Textkürzungen erfahren hat. So wird er – als Nicht-Sänger zu einer wahren Schlüsselfigur, sein Ringen um Vernunft fällt ihm gar nicht leicht. In der großen Auseinandersetzung mit Konstanze verliert er fast die Beherrschung – doch letztlich siegen die positiven Kräfte! Die interessanteste Leistung bot zweifellos die neue Konstanze Cornelia
Horak – trotz hörbarer Verkühlung bot diese Sopranistin so viele Farben, so viel Ausdruckskraft (etwa in der Martern-Arie) und Emotion, dass die Gefahr der Larmoyanz nie aufkam, die so manche Konstanze schon geprägt hat In dieser Besetzung, mit einem eindrucksvollen konzertanten finalen Volksopern-Chor und einem bestens disponierten Volksopern- Orchester rückt die „Entführung“ jedenfalls wieder in die erste Reihe.
Peter Dusek