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WIEN/ Volksoper: DER TOD IN VENEDIG. Premiere

15.05.2022 | Oper in Österreich

Volksoper Premiere am 14.05.2022 „Der Tod in Venedig“

Ein musikalisches Meisterwerk von vollendeter Schönheit und Harmonie. Musik von Benjamin Britten

Auch Musik kann anstelle von Worten sprechen. Kurz vor seinem Lebensende vertonte Benjamin Britten die Künstlernovelle von Thomas Mann und schuf eine letzte Rolle für seinen Lebensgefährten Peter Pears. Es ist Brittens letztes musikalisches Erbe, das zwischen den verschiedensten Klangfarben und motivischen Echos in die man sich zwar erst hineinhören muss dennoch in einer vollendeten Form am Ende zu einem wahren Hörgenuss wird. Hier stimulieren selbst feinste Nuancen, verdeutlicht teils durch düstere Stimmung, aber auch in einer pittoresken Atmosphäre (Inszenierung: David McVicar) hier grandios in Szene gesetzt, wo besonders die leisen Töne und die dadurch erzeugte Stille, selbst sogar das Sterben ist  von einer unvergleichbaren Schönheit und Harmonie geprägt. Die in sich tragende Todessehnsucht des Gustav von Aschenbach (Rainer TROST) berührt, wo einem selbst der Tod als willkommener Gast erscheint.

Das Werk ist kompositorisch wahrlich „Musiktheater auf Weltniveau“. Wer die Novelle von Thomas Mann gelesen und die Verfilmung (1971) von Luchino Visconti kennt, findet ebenso auch in der Bühnenfassung eine philosophische Antwort darauf: Wo doch der Wandel zwischen Leben und Tod unser ständiger Begleiter ist. Von der Regiearbeit wahr-lich gut durchdacht, nichts ist oberflächlich, man geht in die Tiefe, erforscht und verdeutlicht hier ebenso die menschlichen Abgründe, hinterfragt, ein Leben das von Sehnsüchte, Seuchen und sonstigen Gefahren geprägt, und man rückt höchstproblematische Themen in den Vordergrund, sodass sie auch szenisch den Nerv der Zeit treffen. Denn nichts ist aktueller als in Manns Novelle: Die asiatische Cholera – wo wir doch selbst derzeit von Seuchen geplagt sind. Ebenso der Thematik angepasst isr das Bühnenbild und die Kostüme von Vicki MORTIMER, teils deprimierend düster, statisch, aber dann wieder beweglich, wo sich alles dreht, das Meer farbenprächtig auf einen Prospekt dargestellt, mit heller Beleuchtung, Menschen die sich des Wassers und der Wärme erfreuen, wo alles so lebendigist , und dann beim nächsten Szenenwechsel wieder alles stirbt. Wie eben alles auch im Leben doch vergänglich ist.

Venedig die Stadt, der Traum vieler Reisenden, in ihrer Schönheit doch ebenso zerbrechlich und gefährdet ist. Abgesehen von der damaligen gefährlichen Cholera so wie sie Mann in seiner Novelle beschreibt, sondern auch von den vielen Überflutungen die wir selbst in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Die unsägliche Schönheit und Ästhetik einerseits, welches insbesondere durch das Ballett in diesem Operwerk zum Ausdruck kommt, in der Anmut und Kraft zelebriert wird, so ist es doch andererseits deprimierend wenn Aschenbach über den Totenfluss der griechischen Mythologie in einer Gondel von einem Ort zum anderen gebracht wird, wo schon der Tod an jeder Ecke lauert. Es steckt eine ungeheuere Morbidität in diesem Stück, in Text und Musik, in allen szenischen Handlungsabläufen, eine Welt die dem moralischen Verfall jetzt näher, als jemals zuvor, und daher von höchster Aktualität ist.

Das macht es so faszinierend in seiner Gesamtheit wo alles nicht nur in dieser Inszenierung verirrt und verwirrt, sondern wo wir selbst zwischen Traum und Wirklichkeit kaum noch zu unterscheiden wissen. Und ob-wohl diese Oper in ihrer teils malerischen Szenerie und den großartigen tänzerischen Darbietungen, das eigentliche non plus ultra dieses Abends ist, welches uns derart verzaubert, so ist dieses Opernwerk in Wahrheit eine Tragödie. Die Tragödie eines Schriftstellers, der nicht nur unter einer Schreibblockade leidet, dazu noch homosexuell, sich in den jungen Tadzio (bravourös dargestellt von Victor CAGNIN) verliebt, der aber Aschenbachs Zuneigung in keiner Weise erwidert, wo am Ende doch alles eher ein Traum und in einem psychischen Desaster endet. Wo er doch eigentlich nach Venedig gereist ist, um seinen geistigen Frieden zufinden.

Obwohl zur Erheiterung des Publikums auch einige komische Szenen in der Inszenierung vorkamen, so zum Beispiel durch das Rollenspiel vom Protagonisten Martin WINKLER, so gab es in dieser Tragödienoper, oder man könnte sie auch als Ballettoper bezeichnen, nur wenig zu lachen.

Besonders hervorzuheben in dieser Inszenierung, sind neben Regie und Choreografie (Lynn PAGE) aber auch Bühnenbild und Kostüme, die drei Hauptprotagonisten wie Rainer TROST in der Rolle als Gustav von Aschenbach, Martin WINKLER als Reisender, Friseur und Hotelmanager, Thomas LICHTENECKER als die Stimme des Apollo, und natürlich Victor CAGNIN, der als Begierde des Objekts als Tadzio nicht nur gute Figur machte, sondern als Tänzer des Wiener Staatsopernballetts mit  hervorragenden tänzerischen Leistungen alle Aufmerksamkeiten auf sich zog.

Neben den vielen Balletteinlagen waren ebenso auch die einzelnen Auftritte des Ensembles sehr aufwendig wie das gesamte Bühnenbild. Viele Klein – und Nebenrollen schaffen ein lebendiges Bild und Treiben auf der Bühne. Als Koproduktion mit dem Royal Opera House London ist dieses opulente Werk durchaus finanzierbar, und so erfreut man sich zumindest an die letzte Opernpremiere unter dem scheidenden Direktor Robert Meyer. Ein Abschied der durchaus gelungen ist.

Auch die einzelnen Chorszenen, die in den letzten zwei Parterrelogen platziert sind, was jetzt in vielen Inszenierungen modern ist, fand ihre eigene Bedeutung und ist durchaus lobenswert.

Brittens Spätwerk in seinen dissonanten Tönen teils von Klavier, und durch die vielen Schlagwerke und gebogenen Läufe von Oboen und Klarinetten, als auch vom Rest des Orchesters unter dem Dirigat von Gerrit Prießnitz begleitet, ist sicherlich kein leichtes Werk, wo es nun einmal keine Ohrwürmer gibt. Doch ebenso bravourös gemeistert als auch alle Szenen die mit großer Hingabe durch choreographiert wurden.

Doch es ist nicht allein die Musik die hier dem Besucher ein total neues Hörgefühl vermittelt, sondern es sind die starken Worte, die doch eher auch philosophisch angehaucht, neben einem Klangerlebnis einen in den Himmel heben. Wo das Meer als Symbol für das Nichts, das „Nirwana“ in der Bearbeitung von Thomas Mann seinen eigentlichen Ursprung findet. Das heißt in der Erlösung allen Irdischen und in der Findung und Verdeutlichung eines positiven Todessymbols.

Diese transzendente Auflösung habe ich am Ende des letzten Aktes schmerzlich vermisst, wobei natürlich auch einige Szenen im 2.Akt viel zu langatmig waren.

Aber nichtsdestotrotz ein durchaus sehenswertes Werk, das mit großer Begeisterung am Ende beklatscht und gefeiert wurde. Man kann hier durchaus von einem triumphalen Erfolg der Wiener Volksoper sprechen

Manuela Miebach    

 

 

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