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WIEN/ Volksoper: DAS WUNDERTHEATER von H.W.Henze / DER BAJAZZO – Premiere

01.04.2012 | KRITIKEN, Oper

Wiener Volksopernpremiere am 31.März 2012 zwischen Sein und Schein
Das Wundertheater und Der Bajazzo

Oh wie so trügerisch sind Weiberherzen,  nicht nur in der Darstellung der Nedda (Melba RAMOS) im Bajazzo, sondern auch die Welt ein Spiel von Täuschung und Selbsttäuschung, so wie sie in dem Opernwerk von Werner Henze interpretiert wird.
Eigentlich ist das Intermezzo von Miguel Cervantes de Saavedra in der Bearbeitung und deutschen Übersetzung von Adolf Friedrich Graf von Schnack doch eher als Persiflage auf alle Formen philiströser Borniertheit, als scharfer Spott und als die lächerliche Einfalt eines Spießertums zu deuten. Aber es steckt wesentlich mehr dahinter, nämlich die Dummheit der ewig Unbeugsamen, deren Gier nach Schein, wo alles Sein verdrängt wird. Genau davon handelt „Das Wundertheater“. Der Schein hat sich vor das Sein gestellt, und der magische Zauberdirektor der fahrenden Puppentheatertruppe Chanfalla foppt ein ganzes Dorf mit Trugbildern, bis endlich ein ortsfremder Fourier die Wahrheit ausspricht, und das ganze Blendwerk als Schwindel entlarvt. Doch wer will in dieser Welt schon gern mit der Wahrheit konfrontiert sein? Und so wird auch in diesem Werk vom wundergläubigen Kollektiv die Wahrheit doch eher in Frage gestellt, weil aller Schein doch leichter zu ertragen, als alles Sein das oft sehr grausam ist.

Das Bühnenwerk wurde zunächst als „Oper für Schauspieler“ an den städtischen Bühnen Heidelberg uraufgeführt und erst 15.Jahre später als Bühnenerstling für Sänger von Hans Werner Henze umgearbeitet. Die Uraufführung der 2.Fassung erfolgte dann am 30.November 1965 an den Städtischen Bühnen Frankfurt/Main (Kammerspiel). Dass die Volksoper nun dieses Werk in ihr Repertoire aufnahm, ist daher sehr ungewöhnlich, und doch in Ergänzung zu Bajazzo harmonieren beide Werke recht gut zusammen. Wobei Ersteres durchaus anspruchsvoller und von einem intellektuelleren Bewusstsein ausgeht, als die  Abgedroschenheit eines Komödianten, der in der Rolle des gehörnten Ehemannes seine Frau absticht.

Somit lagen auch Erfolg und Misserfolg an diesem Abend so nah beieinander.
Denn als man im 1.Teil den Solisten (Jörg SCHNEIDER, Martina DORAK, Karl-Michael EBNER und den anderen Protagonisten) und der Inszenierung (Thomas SCHULTE-MICHELS) für ihre großartige künstlerische Leistung viel Applaus zollte, so fiel doch nach der Pause des 2.Teils mit Bajazzo der Applaus eher mager aus.

Denn außer Melba RAMOS mit ihrer großen Stimme, die in lyrischen und dramatischen Farben der absolute Höhepunkt an diesen Abend war, so klangen die Stimmen der anderen Kollegen, wie die von Morten Frank LARSEN (Tonio) eher indisponiert.
Außerdem schienen die weiteren Protagonisten durch die Regie auf weiter Flur verloren, wobei man hier offenbar mehr um die Chorszenen bemüht war, die auch einzigartig nicht nur in Darstellung, sondern auch durch stimmgewaltige Gesangsleistungen zur Geltung kamen. Erwähnenswert natürlich auch das Bühnenbild, welches durch die Darstellung der Theaterlogen wie ein Spiegel zum eigentlichen Zuschauerraum, gleichzeitig als so genannter Backstage dargestellt, oder eben auch den Spiegel der eigentlichen Gesellschaft widerspiegeln sollte.

Am Dirigat von Gerrit Prießnitz im 1.Teil und Enrico Dovico im 2.Teil war nichts auszusetzen. Nur missfiel die Regiearbeit des Bajazzos dem Publikum so sehr, sodass hier lautstarke Buhs nicht zu überhören waren.

Doch im Gesamtbild werfen beide Werke letztendlich die Frage auf, ist es die Magie des Theaters oder doch eher die Magie einer Gesellschaft, die durch die Flucht in eine Scheinwelt, in eine Welt der Verlogenheit, Falschheit und des Selbstbetrugs das Theater dadurch anstelle von Schein in ein Sein versetzt? Denn alles ist am Ende Wirklichkeit mit der wir uns immer wieder auseinandersetzen müssen. Insbesondere mit dem Verdrängungsmechanismus, wo eher geschwiegen wird  und wo man eigentlich sich selbst applaudiert.

Manuela Miebach

 

 

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