DAS WUNDERTHEATER/DER BAJAZZO: ZWIESPÄLTIGE BILANZ ( 31.3.2012)
Nach der Entdeckung „Wundertheater“ die Schwachstelle der Produktion, der „Bajazzo“. Foto: Wiener Volksoper
So nahe liegen Erfolg und Misserfolg im Theater beinander. Hans Werner Henzes Bühnenerstling aus 1949 – erst 1965 zu einer richtigen Oper umgewandelt – war der Überraschungs- Hit des Volksopern -Abends. Das Stück, das erstmals in Österreich gegeben wurde, stellt eine Mischung aus des Kaisers neue Kleider und dem Rassenwahn des Dritten Reiches bzw. der Suche nach getauften Juden dar und wurde musikalisch hochkarätig umgesetzt. Nicht zuletzt durch den Dirigenten Gerrit Prießnitz, der das Volksopernorchester und den Chor (Leitung Thomas Böttcher) zu einer tollen Leistung animiert und Hans Werner Henze in eine Traditionslinie mit Richard Strauss oder Gottfried von Einem stellt. Auch die Regie-Grundidee von Thomas Schulte-Michels (Regie und Bühnenbild) ist überzeugend: das Publikum nimmt an einer Inquisitionssitzung in einer Stierkampfarena teil (das Stück spielt in Spanien) . Und im Mittelpunkt der „Phantasie-Show“ steht der Theaterdirektor Chanfalla – von Jörg Schneider großartig, ja geradezu virtuos dargeboten. Dieser österreichische Sänger erweist sich für die Volksoper als wahrer Glücksfall. Die Stimme sitzt immer besser, seine Technik ist hervorragend, die Höhe strahlt und ist scheinbar mühelos– und jetzt beginnt er auch noch zu spielen! Ausgezeichnet auch das übrige Ensemble der Henze-Oper: Martina Dorak ist ein charmanter Begleiter des Direktors, Karl Michael Ebner ein tollpatschiger Knirps, Martin Winkler ein Benito Repollo mit dröhnendem Bass. Erwähnen muss man auch noch Klemens Sander als Juan Castrada oder Andrea Bogner als seine Tochter. Das Publikum reagiert begeistert und feiert das „Wundertheater“ mit großem, langanhaltendem Jubel!
Nach der Pause geht’s „durchmischt“ weiter. Der Regisseur und Bühnenbildner Thomas Schulte-Michels liefert neuerlich Zuschauer-Ränge. Diesmal spiegelt sich die Volksoper selbst. Leider ist die Bühne dadurch völlig verbaut, die Kostüme (Tanja Liebermann) strahlen den Charme einer Handelsakadmie aus den 50er Jahren aus. Und die musikalische Umsetzung ist ebenfalls nur teilweise gelungen. Am Pult steht nun Enrico Dovico und überzeugt noch mit dem Beginn – dann kommt der Prolog des Tonio. Morten Frank Larsen hatte an diesem Abend Probleme mit seiner auslandenden Stimme, er plagt sich mit dem Mezzavoce, auch die Forte-Höhen wirken gestemmt. Und dazu kommt: das Distonieren wird häufiger. Kurzum ein Lieblings-Sänger der Volksoper hat ein Formtief. Und wird nach dem Prolog und am Ende beim Solovorhang gnadenlos ausgebuht. Weniger Applaus wäre meines Erachtens die adäquate Reaktion. Doch freilich: der dänische Bariton ist auch trotz der Clown-Maske viel zu attraktiv für diese Rolle; sein „Gegenspieler“ , der US-Tenor Ray M.Wade als Canio, kommt nicht an die großen Rolleninterpreten der Leoncavallo-Oper heran; sein Bajazzo ist nicht mehr als ordentlich gesungen und bieder gespielt. Wirklich zufriedenstellend sind Melba Ramos als dramatische Nedda und Mathias Hausmann als souveräner Silvio bzw. der höhensichere Koreaner JunHo Yu als Beppo. Doch auch bei ihnen stören die Kostüme, die Personenführung und der fehlende Platz. Insgesamt: kein Ruhmesblatt für die Geschichte der Volksoper.
Peter Dusek