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WIEN / Vienna’s English Theatre: TWELFTH NIGHT

09.11.2016 | KRITIKEN, Theater

Was ihr wollt  Szene~1
Fotos: Vienna’s English Theatre, Website

WIEN / Vienna’s English Theatre:
TWELFTH NIGHT by William Shakespeare
First performed at Midsummer Scene Festival, Dubrovnik
Premiere: 8. November 2016,
besucht wurde die zweite Vorstellung am 9. November 2016

Es ist Shakespeare-Jahr, sogar ein gewichtiges, Hunderter-rundes (400. Todestag), wie kann man das am besten feiern? Indem man sich etwas gibt, was hierzulande längst nicht mehr existiert. Eine Shakespeare-Aufführung, die mit keinem anderen „Konzept“ antritt, als dem Stück seinem ganzen Zauber zu geben und die Darsteller „aufblühen“ zu lassen. Und das auf Englisch natürlich, Shakespeare „gesprochen“ im Original und nicht, wie bei uns, in irgendeiner der zahllosen Übersetzungen gemurmelt. Shakespeare sprachlich so brillant, wie er einst gemeint war.

Zu diesem Zweck hat Vienna’s English Theatre eine Aufführung eingekauft, die vom Dubrovnik Festival kommt und offenbar für Tournee-Zwecke gedacht ist. Nicht, dass sie deshalb billig erschiene. Überhaupt nicht.

Sicher, die Einheitsszenerie (Marin Gozze) ist schlicht, aber der pastellig bepinselte „Hof“ mit den vielen Toren, einer Treppe und einer Bank erfüllt den Zweck für alle Schauplätze, ja, kann außerordentlich behände bespielt werden. Die Inszenierung von Helen Tennison balanciert die Liebesgeschichten und die Rüpelgeschichten perfekt aus und lässt beide mit derselben szenischen Anmut, die eine Menge Slapstickkomisch und poetische kleine Pantomimen beinhaltet, rasch und schwungvoll über die Bühne huschen. Große Hilfe leistet dabei die Musik (Benedict J. Davies), die es dem Ensemble auch immer erlaubt, in Music Hall-artige kleine Gesangs- und Tanzszenen auszubrechen. Das alles hat immense Laune und ebensolchen Charme.

Die Interpretation „beschränkt“ sich auf die Menschen, die auf der Bühne stehen, ohne dass man die Figuren mit Psychologie und Hintergründigkeit schwer bepackt. Sie stimmen alle quasi nach den Gesetzen des Theaters, eine Handbreit über dem Boden. Drei Damen scheinen sich den Rang ablaufen zu wollen, welche von ihnen die hinreißendste ist. Helen Watkinson als Viola hat gute Chancen, nicht nur, weil sie in ihren Herzog so unerschütterlich verliebt ist, sondern weil sie auch die Hilflosigkeit des Mädchens in der Männerrolle so charmant, aber ohne Übertreibung zappelt. Die Olivia der Helen Millar ist nicht nur bildhübsch, sondern hat auch Herz und Humor und eine hinreißende Szene, als sie sich stante pede in den jungen „Caesarion“ (bekanntlich ist das die verkleidete Viola) verliebt. Und die Maria der Emma Fenney (der man nur ihre berühmte Lach-Szene gestrichen hat, die allerdings durchaus tückisch sein kann) ist ein Rübensüßchen mit höheren Weihen. Eine köstlicher als die andere.

Was ihr wollt sie und Herzog xxxxx

Was die Herren betrifft, so gibt es mehr Rollen als man Männer im Ensemble hat. Was die Darsteller mit Ausnahme des Orsino (der attraktive, von den Bermudas stammende Jason Eddy ist auch noch mit Abstand der beste, präziseste Sprecher des Abends) da in jeweils mehreren Rollen zu leisten haben, oft mit sekundenschnellen Umzügen, macht das „Theater“ noch mehr und noch vergnüglicher zu seinem solchen, Augenzwinkern inbegriffen. George Oliver ist da am meisten abverlangt, er ist der Zwillingsbruder von Viola, er ist der Narr („Schafft das Fräulein fort“), er verkleidet sich als falscher Priester und spielt auch noch allerlei an Nebenrollen.

James Burton ist, neben anderem, vor allem Toby Belch (bei uns als „Rülp“ bekannt), der lange, dürre Michael Blyth gibt vor allem, neben anderem, Sir Andrew Aguecheekom alias Junker Bleichenwang, wie wir ihn nennen, zwei arge Spitzbuben, die u.a. mit souveräner Slapstick-Komik bestechen.

Höhepunkt aber ist Filip Krenus (sein Englisch ist absolut makellos, so dass man nie auf seine kroatische Herkunft käme, wenn das Programmheft sie nicht verriete): Er spielt neben einem persönlichkeitsstarken Antonio noch den Malvolio, und seine Interpretation ist so besonders, weil er nicht ein a priori komischer Typ ist, sondern ein ernsthafter gestandener Mann, der von einer Schar Spitzbuben geradezu brutal hineingelegt wird. So leichtfüßig die Inszenierung auch ist, dass sein Schicksal tragisch wird, ist einfach nicht zu vermeiden und auch nicht versöhnlich auszuputzen. Aber das wollen wir doch eigentlich von Shakespeare – die ganze Skala von Lust und Leid hinauf und hinunter. Das gelingt diesem Abend ganz wunderbar.

Renate Wagner

 

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