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WIEN / Theater im Zentrum: ALLES GUTE

15.10.2019 | KRITIKEN, Theater


Claudia Waldherr, Shirina Granmayeh (Alle Fotos: Rita Newman)

WIEN / Theater der Jugend im Theater im Zentrum:
ALLES GUTE von Lutz Hübner
Premiere: 15. Oktober 2019

Kein Theater kommt ohne „Gebrauchsdramatik“ aus, Stücke, die entweder Schauspielern auf den Leib geschrieben werden oder auf Wunsch spezifische Themen behandeln. Stücke für Jugendliche sind besonders begehrt und gar nicht so leicht zu „stricken“: Der Deutsche Lutz Hübner kann das und tut es seit Jahrzehnten. Interessant, dass „Alles Gute“ von 1998 in den mehr als zwei Jahrzehnten, seit es im Berliner Grips-Theater uraufgeführt wurde, noch immer eine aktuelle Geschichte erzählt.

Zumindest ansatzweise und am Beginn, wenn die vaterlose Prekariatsfamilie, in der die 14jährige Schülerin Alina lebt, auch ein bisschen überzeichnet wird. Eine überlastete, laut schimpfende Mutter; ein halb krimineller Bruder; und um einen leicht geistig behinderten Jungen in der Nachbarschaft kümmert sie sich auch noch. Kein leichtes Leben, aber keines, das man in der Schule zugibt – wie stünde man solcherart da? Und wenn dann die superreiche Nadine in die Schule kommt, muss man deren Angeberei (das hat sie von Mama gelernt) etwas entgegensetzen. Prahlen, lügen, hochstapeln, wenn auch mit einem sehr unguten Gefühl im Bauch…

Daran hat sich wahrscheinlich nichts geändert: Wer Markenartikel trägt und benützt, wer etwas „hat“, der „ist“ auch etwas, weil unsere Gesellschaft diese oberflächliche „Wertestruktur“, die mit wahren Werten nichts zu tun hat, mitgibt. Dass die Jugendlichen sich daraus nicht befreien können – man weiß es.

Freilich lässt sich Alina von einer egozentrisch-angeberischen Nadine dann in eine „Geburtstagsfeier“ hinein hetzen, für die sie nichts mitbringen kann – und das Stück auch nicht. Nach der Pause wird die Geschichte in Turbulenz (und zunehmender unrealistischer G’spaßigkeit) ertränkt und wirft alles weg, was sie an (ernsthafter) Thematik zumindest angedeutet hat. Dann werden in einer nicht wirklich überraschenden Wendung die Reichen arm (aber nicht so überzeugend wie bei Nestroy), und sie finden sich mit erstaunlicher Gelassenheit darein. Am Ende Jubel, Trubel, Heiterkeit, die jugendlichen Zuschauer reagieren nur noch auf den Jux. Und das ist halt zu wenig.

Sicher, Regisseur Werner Sobotka kann nicht nur Musical, er kann auch Unterhaltungstheater, wenn er vieles (etwa die Figur des naiven Jungen Benny, Lukas Spitzenberg) eindeutig zu billig gibt und ihn nur als puren Pointenschleuderer einsetzt. Aber Claudia Waldherr als das einfache Mädchen, das sich dazu verleiten lässt, den Boden unter den Füßen zu verlieren, hat einen herrlichen Natürlichkeitston „aus der unteren Lade“, und Shirina Granmayeh als reiche Nadine ist die hektische Ego-Zicke, wie jeder sie im wahren Leben kennt – ich, ich, ich! Und da sind noch der Bruder Tobias (Sebastian von Malfèr), Elisa Seydel sowie in jeweils zwei Rollen Karoline-Anni Reingraber und Lars Wellings.

Die zuckrige Zubereitung verdeckt in kürzester Zeit die Fragen, die hier drinnen stecken. Schade.

Renate Wagner

 

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