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WIEN / Theater an der Wien: ZENOBIA, REGINA DE‘ PALMIRENI

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Königin Zenobias letzter Blick Richtung Palmyra, Historiengemälde von Herbert Schmalz (Wikipedia)

WIEN / Theater an der Wien:
ZENOBIA, REGINA DE‘ PALMIRENI von Tomaso Albinoni
Konzertante Aufführung in italienischer Sprache
19. Oktober 2021

Wer je in Palmyra war – damals, als noch kein Krieg alles zerschossen hatte, sondern als die archäologische Stätte sich in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit ausbreitete -, der ist natürlich in den Bann von Zenobia geraten. Jene Königin im 3. Jahrhundert nach Christus, die die Macht nach der Ermordung ihres Mannes übernahm und von Palmyra aus ein Reich in Kleinasien bis Ägypten errichtete, das den  Römern als Ärgernis ins Auge fallen musste. Faszinierend die Dame, das fanden auch die Opernkomponisten, in sicher gut zwei Dutzend Werken kommt sie prominent vor.

Im Rahmen der konzertanten Barockopern, die ein fester Bestandteil des Angebots im Theater an der Wien sind (hoffentlich ändert sich daran in der nächsten Direktion nichts), wurde nun Tomaso Albinoni „Zenobia, regina de‘ palmireni“ geboten, die erste Oper des Komponisten, 1694 in seiner Heimatstadt Venedig uraufgeführt. Besonders interessant, weil man Albinoni zwar als festen Bestandteil von Barockkonzerten kennt, aber eigentlich keine seiner Opern (ja, die Kammeroper hat 2010 „Il Nascimento dell’Aurora“ gezeigt). Nun konnte man das Interesse einmal befriedigen.

Selbstverständlich hat das Libretto von Antonio Marchi nicht das Geringste mit der Realität zu tun hat. Mit Sicherheit hat der römische Kaiser Aurelian, der Zenobia im Krieg besiegte und vermutlich als Gefangene nach Rom schleppte, sich nicht in sie verliebt und sie nicht, beeindruckt von ihrem Stolz und ihrer Schönheit, wieder als Königin in Palmyra eingesetzt… Darüber hinaus gibt es ein wahres Handlungs-Kuddelmuddel von Intrigen, ein zweites Liebespaar, das nicht wirklich harmonisch miteinander umgeht, und laut Inhaltsangabe so viel „Action“, dass man sie lieber nicht auf der Bühne sehen möchte, weil es vermutlich eine Lachnummer wäre. Da hört man es sich lieber an.

Und da hatte der Abend eine ziemliche Überraschung bereit – sechs Sänger, zwei Countertenöre, ein Tenor und drei Soprane, alle mit einer mörderisch hohen Tessitura, so dass die Damen im Forte höchste Höhen erklimmen mussten (und man nicht wusste, welche von ihnen die schärfsten Messer in die Trommelfelle treibt). Man fragt sich wirklich, wer die Sänger waren, für die Albinoni schrieb!

Aber das ist der Stil des Werks, das nach einer lebhaften Ouvertüre und vor der geballten Dramatik am Ende zwischendurch musikalisch gewissermaßen in den Hintergrund tritt, einfach die Sänger begleitet und diese von Arie zu Arie führt. Dabei spielt die barocke Virtuosität schon mit einer Soft-Version von Koloraturen, die aber keinesfalls die Virtuosenstücke des hohen Barocks erreichen, wie auch die Musik noch schlanker ist, wenn auch mit raffinierten Einzelheiten (etwa müssen die Streicher die Begleitung zu einer Arie „zupfen“). Auch gefällt sich der Komponist in schwelgerischen Wiederholungen, richtig aber richtig pompös wird er daabei nie. Und das Orchester Concerto de’ Cavalieri klang unter der Leitung von Marcello Di Lisa auch immer wieder so, wie Originalklang-Ensembles in unseren Ohren erschallen: holprig und eigenwillig.

Den ersten Auftritt hatte Valer Barna-Sabadus als Aureliano und ließ aufhorchen: Man kennt ja mittlerweile viele Countertenöre, aber dieser ist vor allem in seiner Helligkeit und Höhe verblüffend, eine Stimme, die auch nicht (was manchen Kollegen gelegentlich passiert) für die einer Frau gehalten werden könnte – ein ganz eigentümlicher Klang.

Gleich nach ihm kam Filippo Mineccia als Cleonte, auch ein Countertenor, aber nicht so exponiert in der Färbung, mit einer fast tenoralen Mittellage. Er allerdings war einer der expressivsten Sänger auf der Bühne, mit der Stimme, mit den Händen, mit dem ganzen Körper. Und weil es nicht genug hohe Töne sein konnten, gesellte sich der Tenor Anicio Zorzi Giustiniani dazu, von der Rolle her ein Verräter und nicht ganz so gut bedacht wie die anderen Herren, aber gut gesungen.

Bis Zenobia auftauchen durfte, hatten schon Raffaella Milanesi (im langen roten Kleid und einer verwegenen Kurzhaarfrisur, die nach Soldatenschnitt aussah) ihre Visitenkarte als Objekt der Begierde abgegeben, desgleichen (im Hosenanzug) Maria Grazia Schiavo als der griechische Prinz, der sie umwirbt. Dann erst kam die Titel gebende Königin als letzte ins Spiel, gestaltet von Ana Quintans, die immer mehr zu singen bekam, je weiter der Abend fortschritt. Wie gesagt, es war ein Wettbewerb „Wer kommt höher?“ und er ging unentschieden aus.

Das Publikum, erfreulich zahlreich, wenn das Haus auch nicht ganz voll war, hatte schon zwischendurch immer wieder geklatscht und zeigte sich am Ende ziemlich begeistert. Für Raritäten-Sammler ein Schnäppchen besonderer Art.

Renate Wagner

 

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