Theater an der Wien. Silvesterkonzert mit STUMMFILM ÜBER RICHARD WAGNER (FAST) OHNE WAGNER-MUSIK (31.12.2014)
Wer Unkonventionelles am Sylvester-Abend erleben will, sollte sich das Theater an der Wien in Zukunft für den 31.Dezember vormerken. Da wurden bereits drei Mal Stummfilm-Wiederentdeckungen in Begleitung vom exzellenten Radio-Symphonieorchester Wien (als Dirigent diesmal der „rising star“ Constantin Trinks) gezeigt. Und die Reihe ist so erfolgreich, dass sie zweifellos fortgesetzt wird. Nach der „Lustigen Witwe“ und dem „Rosenkavalier“ war es diesmal ein Stummfilm über Richard Wagner aus dem Jahr 1913 von Carl Froelich und William Wauer. Produzent war der Film-Pionier Oskar Messter, der im Oktober 1914 die erste Wochenschau gründete. 1913 feierte man den 100.Geburtstag von Richard Wagner und wollte offenbar einen „Huldigungs-Film“ über den Komponisten des „Rings des Nibelungen“, des „Fliegenden Holländers“ sowie des „Tristan“ und den „Parsifal“ drehen. Und man rechnete mit dem Einverständnis der greisen Witwe Cosima. Doch die Herrin von Bayreuth schaltete auf stur. Keine Musikrechte, keine Drehgenehmigung für den „Grünen Hügel“ – doch man fand einen Ausweg, Der Darsteller von Richard Wagner – der in Vicenza aufgewachsene Giuseppe Becce – sah dem Schöpfer der „Meistersinger“ nicht nur frappierend ähnlich. Er war auch Film-Komponist. Und er verwendete ca. ein Dutzend Wagner-Motive in Sekunden-Länge und schrieb ansonsten eine für die Blütezeit des Stummfilms typische Filmmusik, in der er aber auch Mozart, Rossini oder Beethoven-Zitate platzierte. Das Ergebnis: ein interessanter Stummfilm über Richard Wagner (fast) ohne Wagner-Musik – samt Dreh in Bayreuth in den frühen Morgenstunden. Zugleich ein Blick in die Abgründe des deutschen Nationalismus am Vorabend des 1. Weltkrieges. Kein abfälliges Wort über Richard Wagner, seine Prunksucht, seine Dreiecksbeziehungen, seinen Antisemitismus…Dafür ein Blick in die Aufführungs-Praxis von Wagner-Werken zur Zeit der Uraufführung. Und ein weiteres Beispiel dafür, dass auch der Stummfilm ein wichtiges Kulturdokument für den damaligen „Zeitgeist“ ist. Die Wahl fiel übrigens auf den „Wagner-Film“, weil zum 200.Geburtstag die technische Rekonstruktion des Filmes gelang und der Klavierauszug von Giuseppe Becce von Bernd Schultheis zur Partitur ausgeweitet wurde. Und das RSO des ORF unter Cornelius Trinks konnte einmal mehr beweisen, dass kein andres Musiker-Ensemble in Wien ähnlich flexibel und vielseitig ist. In Salzburg werden sie mit einer Rihm-Oper die Festspiele 2015 eröffnen. Zuvor werden sie beim Eurovisions-Contest ebenso dabei sein wie bei einer Bellini-Rarität (La Straniera). Hochachtung! Apropos Richard Wagner. Der umtriebige Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer hat den Wagner-Stummfilm auch als „Appetizer“ für eine Herbstpremiere gewählt. Seit dem Ausweichquartier der Staatsoper im Theater an der Wien nach dem 2. Weltkrieg (1945 -1955) stand keine Wagner Oper mehr am Spielplan des Theaters an der Wien. Nun wird man dort im Herbst 2015 den Fliegenden Holländer erleben können. Als Auftakt des Wagner-Abends gab es den hochkarätigen Ausklang des Richard-Strauss-Jahres. Angela Denoke sang klangschön aber total wortundeutlich die Vier letzten Lieder von Richard Strauss mit Texten von Hesse und Eichendorff. Das RSO unter Constantin Trinks begleitete adäquat und einfühlsam.
Peter Dusek