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WIEN/ Theater an der Wien: PLATÉE – Denise „Bubbles“ DeVere als Jupiters Geliebte

27.02.2014 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

PLATÉE (Aufführung: 26.2.2014, Premiere 17.2.2014) Denise „Bubbles“ DeVere als Jupiters Geliebte

Unbenannt
Marcel Beekman als Platée. Foto/Theater an der Wien/ Monika Rittershaus

 Der „Freizeitlibrettist“ Adrien-Joseph Le Valois d’Orville (1715-1780) verfasste das Libretto dieser Ballettoper in drei Akten und einem Prolog nach dem Ballett „Platée ou Junon jalouse“ von Jacques Autreau (1657-1745), welchem Rameau die Rechte an „Platée“ abgekauft hatte. Die Geschichte ist im 9. Buch „Böotien“ von Pausanias vor 180 n. Chr. entstandener zehnbändiger Geschichte Griechenlands enthalten. Ähnlich dem Vorspiel zu „Ariadne auf Naxos“ plant Thespis, der Erfinder der Tragödie, von Thalia, der Muse der Komödie und Momus, dem Gott der Kritik, aus dem Schlaf aufgeweckt, im Vorspiel zu Rameaus Oper ein Schauspiel aufzuführen, in welchem Götter wie Menschen verspottet werden. Die hässliche Quellnymphe Platée wird zur Zielscheibe göttlichen Spotts. Jupiter erwählt sie als besonders abstoßendes Objekt seiner Begierde, um die Eifersucht seiner Gattin Juno ein für alle Mal Lügen zu strafen. Platée, die sich schon als Braut wähnt, wird am Ende der Oper von Juno und den übrigen Göttern verlacht und gedemütigt.

Dem Werk war bei seiner Uraufführung am Hof von Ludwig XV. in Versailles 1745, anlässlich der Hochzeit des Dauphins Louis mit der Infantin Maria-Theresia von Spanien, kein allzu großer Erfolg beschieden. Zum einen verstieß sie gegen höfische Sitte, wurde doch dem königlichen Hof durch die Täuschung und den Betrug der Oper auch ein Spiegel vorgehalten, denn die Infantin war – zeitgenössischen Quellen zu Folge wahrlich keine Beauté. Zum anderen karrikierte die Oper die musikalische Konvention der tragédie lyrique eines Jean-Baptiste Lully (1632-1687), demzufolge die Musik einzig dem Drama zu dienen hätte. Inszenierung in Linz, erschien

Vier Jahre nach einer gelungenen Inszenierung in Linz gelangte nun – mit einiger Verspätung – die mittlerweile beliebteste Oper des französischen Meisters ins Theater an der Wien, koproduziert mit der Opéra comique in Paris.

Auf der musikalischen Seite waren Les Arts Florissants unter dem für den erkrankten William Christie eingesprungenen Dirigenten Paul Agnew ein Garant für den großen Erfolg dieses Abends.

Altmeister Robert Carsen fand zu einer sensationellen Umsetzung der Oper, indem er sie in der Society-Glimmer-World einer fashionbewussten oberflächlichen Bussi-Bussi-Gesellschaft ansiedelte.

Der Prolog findet in einer Art Diskothek mit Stroboskopkugel am Plafond statt, die das Publikum in weißem Antiklook gekleidet durch einen silbernen Lamettavorhang betritt. Ein mondänes Szene-Restaurant liefert das Ambiente für den zweiten Akt. In ihm fungieren Cithéron als Oberkellner und Mercure als Personalattaché Jupiters.

In diese Demi-Welt platzt nun unsere Quellnymphe Platée, wie das Abbild von Denise „Bubbles“ DeVere aus der britischen Sketch-Show „Little Britain“, mit einem turbanförmig gewickelten Handtuch auf dem Kopf, in voller Selbstüberschätzung und ungebeten hinein. In grünen Plastikbeautycases bringt sie ihre eigenen Schönheitspflegemittel mit, in die sie nun Beine und Hände eintaucht. Jupiter daselbst tritt über eine Wendeltreppe im Bühnenhintergrund wie ein Abbild von Karl Lagerfeld mit schwarzer Sonnenbrille auf und fotografiert die „Angebetete“ in anzüglichen Posen zu einem geradezu musikalischen Blitzlichtgewitter. Rameau setzte in diesem Werk besonders häufig lautmalerische Elemente ein, indem – beispielsweise – das vom Chor gesungene französische „Quoi, quoi?“ (Was, was?), das Quaken von Fröschen imitiert.

Die zahlreichen Ballettszenen gerieten in der Choreographie von Nicolas Paul niemals zu reinem Selbstzweck, sondern sind handlungsbestimmend. Etwa, wenn Platée Saugnäpfe appliziert und danach eine rhythmisch choreographierte Rückenmassage erhält. Worauf sie sich erschöpft in einen Stuhl setzt, um nun noch eine entspannende Fußzonenreflex- und Handmassage über sich ergehen zu lassen. Das alles birgt so viel Potential an Komik, das der Betrachter aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt.

Im dritten Akt sieht man ein bühne beherrschendes überdimensionales Bett in einem Hotelzimmer. Platée wird vor versammeltem Götterhofstaat bloßgestellt. Das Lachen ist mit einem Male verschwunden. Man erkennt die Weisheit Rameaus in dieser Szene, in der er plötzlich Mitgefühl für die verspottete und gedemütigte Quellnymphe entwickelt. Noch einmal aber bäumt sich die solcherart seelisch angeschlagene Platée auf und gibt sich mit Amors Pfeil den „Liebestod“.

Diese glamouröse Ausstattung Gideon Daveys geriet mit den Intentionen Carsons zu einer idealen Symbiose.

Der niederländische Tenor Marcel Beekman war diese Ausnahme-Platée, die Ihresgleichen sucht. Mit seinem äußerst wandelbaren Charaktertenor und seinen herausragenden schauspielerischen Fähigkeiten bot er keine Travestie der Nymphe, sondern spielte sie überzeugend als eitle, selbstverliebte „Frau“, die trotz oder gerade wegen ihrer Schrullen alle Sympathien des Publikums an sich ziehen konnte.

Neben Platée konnte nur mehr Simone Kermes als La Folie überzeugen. Rameau lässt sie zunächst eine besonders fröhliche Arie über einen todtraurigen Text („Aux langeurs d’Apollon“) und anschließend eine Elegie über einen lustigen Text („Aimable jeux, suivez mes pas“) singen. Der falsche Ausdruck, die ungeheuren Intervallsprünge und langen Koloraturen auf Endvokalen sollen natürlich die italienische Oper persiflieren und zugleich auch die Forderung Rameaus nach der Freiheit der Kunst von jedem einengenden Regelkorsett zum Ausdruck bringen. Beides gelang der Kermes mit Aplomb. Brava!

Das übrige Ensemble diente in erster Linie dazu, die Intrige einzufädeln und das Geschehen so am Laufen zu halten. In der Haute-Contre-Partie des Mercure gefiel Tenor Cyril Auvity, der im Vorspiel noch den Thespis gab. Marc Mauillon verlieh dem Oberkellner Cithéron einen schlanken Bariton und im Vorspiel Momus, Gott der Satire und des Spottes.

Der französische Bariton Edwin Crosslay-Mercer knödelte etwas bei seinem Debüt am Theater an der Wien in der Rolle von Göttervater Jupiter. Schade! Die kurze Partie der eifersüchtigen Junon war bei der Mezzosopranistin Emilie Renard gut aufgehoben.

Stimmlich wie darstellerisch ausgewogen trugen noch Emmanuelle de Negri als Clarine und als Amour im Vorspiel mit jugendlich frischem Sopran sowie der Bassist João Fernandes als Satyre und Mommuss zum großen Erfolg dieses Abends bei.

Der Arnold Schönberg Chor unter seinem Leiter Erwin Ortner war nicht nur gesanglich, sondern auch schauspielerisch stark gefragt.

Das Publikum und der Rezensent zeigten sich am Ende dieses langen Opernabends nicht ermüdet und spendeten voller Begeisterung ausgiebigen Beifall, unterlegt mit vielfachen Bravorufen für den Darsteller der Platée.

Harald Lacina

 

 

 

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