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WIEN/ Theater an der Wien: MESSIAH

23.04.2014 | KRITIKEN, Oper

Theater a.d.Wien: “MESSIAH“  22.4. 2014

 An Claus Guth scheiden sich die Geister! – Von seinen damaligen Salzburger Mozart/Daponte-Opern-Regien goutierte ich einzig „Don Giovanni“. – Seine „Ver-Operung“ dieses Händel-Oratoriums im Th.a.W. 2009 drehte ich nur allzubald als TV-Doku ab. Bei der Wiederaufnahme heuer bot sich die Chance den damaligen Eindruck zu revidieren. Das Ergebnis war – musikalisch Ia/ mustergültig, doch szenisch mehr als nur anfechtbar…

 Von der ursprünglichen Solistenbesetzung waren die beiden Soprane Maria Bengtsson und Ingela Bohlin neu, innig und auf der Höhe ihrer Aufgabe, Bejun Mehta erwartbar in Höchstform und der etwas knorrige Tenor Charles Workman gewöhnungsbedürftig in den Arien. Bassist Florian Bösch sang zwar noch die erste Vorstellung, doch kämpfte er da schon gegen seine hartnäckige Erkältung. Als vollwertigen stilsicheren Ersatz für ihn sprang der schon kürzlich aus dem „Platée-Ensemble“ bekannte französische Bass-Bariton Edwin Crossley-Mercer ein, der in Stimme sowie Präsentation besonders geschmeidig in der ihm hier zugestammten Rolle wirkte als Abbild eines „schwarzen Schaf“ der Familie und Bösewichtes.

 Und da sind wir bereits bei der Version von Claus Guth, Konrad Kuhn und Christian Schmidt (letzterer steht für die Ausstattung). Offensichtlich traut man dem heutigen Publikum nicht mehr zu, still zu sitzen und rund 3 Stunden eines der musikalisch aufregendsten und ergreifendsten Händel-Oratorien zu genießen. – Oder meinte man gar, mit der Bebilderung ein junges Publikum heranziehen zu können? Die Trinität Guth/Kuhn/Schmidt meinte es nur allzuschlecht und lieferte also auf der pausenlos rotierenden Drehbühne ein szenisches Spektakel voll „chewing-gum“ für die Augen: – „Alles dreht sich, alles bewegt sich – treten sie näher, kommen sie ran…!“ Die Banalität eines Selbstmordes innerhalb einer Familie und damit voll ausgespieltes Stationentheater bis hin zu Begräbnis-Zeremonien in Vor- oder Rückblicken sind ein dramatisch zusammengeschusteter Wechselbalg, der in seiner kitschigen Gefühls-Duselei kaum auszuhalten ist und derart effekthascherisch amerikanisch wirkt, wie es seinerzeit die Mozart-Trias durch Peters Sellars auf US-College-Niveau waren. Letzterer hat sich ja neuerdings, modisch auf der Höhe der Zeit, auch auf die Bebilderung von Oratorien gestürzt, und zwar aktuell auf J.S. Bachs Johannes-Passion, wo in Berlin und Baden-Baden nun damit ein derartiger „Wander-Zirkus“ vazierte, mit Sir Simon Rattle an der Spitze der Berliner Philharmoniker! – Zur Verschlimm-Besserung genügen Regietheater-Granden die Opern nicht mehr?!

 Zugute halten könnte man der hiesigen neu-einstudierten Produktion, dass sie nicht allein für die frei flottierenden Massen des Chores, sondern mit Ramses Sigl ebenso für alle Sänger-Solisten im Programmheft einen Verantwortlichen für Choreographie aufweist! Die verstorbene Modern-Dance-Ikone Pina Pausch rotierte allerdings im Grab, falls eine solch dürftige Arbeit von „Händeringen mit Anlauf“ als Choreographie bezeichnet würde. Bereits obsolet ist auch der streckenweise Einsatz der einer echten Gebärdensprache mächtigen Darstellerin Nadia Kichler.

 Die Gefühlstiefe und überaus stupende Musikalität des Ensembles „Les Talens Lyriques“ an ihren historischen Instrumenten unter dem so agilen Christoph Rousset und die bewundernswerte klangschöne Interpretation des nicht oft genug zu rühmenden Arnold-Schoenberg-Chores (einstudiert vom langjährigen Leiter Erwin Ortner) lassen einem zeitweise ganz vergessen, mit welchen Mitteln da um Aufmerksamkeit gehascht wird: Ein Himmel für die Ohren – ein Fegefeuer für die Augen! In Pausengesprächen kristallisierte sich immer mehr heraus, dass viele Besucher der Vorstellung diese Bebilderungen als trivial ansahen, um nicht geradeheraus zu sagen als störend: – „Gerungene Hände, das war das Ende…!“Am Schluß wurden die Gesangs-Solisten, der Chor und das so subtil aufspielende Ensemble trotz aller berechtigten Einwände gefeiert….                                 

Norbert A. Weinberger                                                                       

 

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