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WIEN / Theater an der Wien: FIDELIO 1814 (konzertant)

20.03.2018 | KRITIKEN, Oper


Emma Bell, Klaus Florian Vogt (Fotos: Renate Wagner)

WIEN / Theater an der Wien:
FIDELIO 1814 von Ludwig van Beethoven
Konzertante Aufführung
19.
März 2018

Ganz verständlich ist es nicht, wenn man besonders betont, die dritte Fassung von Beethovens „Fidelio“, jene von 1814, zu spielen – denn das ist die allgemein gebräuchliche, hat also keinerlei Raritätenstatus. Nur die Wiener Gewohnheit, zwischen Kerkerakt und Finale die „Leonore“ einzufügen, womit die Philharmoniker die Zuhörer stets durch alle konzertanten Beethoven-Wonnen jagen, ist in einer Gastspielaufführung des „Fidelio“, die im Theater an der Wien Station machte, nicht dabei. Man hätte sie, ehrlich gestanden, vom Kammerorchester Basel auch gar nicht so gerne gehört…

Dieses Ensemble, das wahlweise sowohl auf Originalinstrumenten wie auf modernen Instrumenten spielt, hat für Beethoven die „alten“ ausgepackt, mit dem Ergebnis des spröden, rauen, hölzernen Klanges, den man immer wieder auch für die Wiener Klassik hinaufgedrückt bekommt. Nun, es muss Leute geben, die auch das goutieren, selbst wenn einzelne Instrumentengruppen (diesmal das Blech) da gelegentlich Peinvolles hören lassen. Eines aber steht fest: Dirigent Giovanni Antonini (bekannt als „Giardino Armonico“-Gründer und damit Apologet der „historischen“ Praxis) hat mit diesem Orchester eine absolut wild-radikale, scharf akzentuierte, laute, gewissermaßen „überdeutsche“ Aufführung von Beethoven hingeknallt, wie man sie selten hört. (In solchen „furor teutonicus“ gerät nur Thielemann gelegentlich beim „Ring“…). Also, Hochdramatik, Überdramatik für einen „Fidelio“, konzertant auf der Bühne des Theaters an der Wien.

Nun ist man ja der Sänger wegen gekommen, eigentlich eines Sängers wegen: Klaus Florian Vogt. Wenn man die drei Abende, die er 2016 an der Staatsoper als Florestan gegeben hat, damals versäumte, war nun die Gelegenheit, die Begegnung zwischen ihm und der Rolle nachzuholen (ob er steht und singt – er braucht im Gegensatz zu den Kollegen keine Noten – oder am Boden herumkriecht, ist bei dieser Figur eher egal). Nun, selbst wenn man sich als ehrlicher Bewunderer dieser ganz besonderen Stimme mit ihrem ganz besonderen Timbre bekennt (Lohengrin, Parsifal singt ihm keiner nach), muss man selbst eingestehen, dass in diesem Fall ein etwas dunkleres Timbre überzeugender wäre. Aber wovon redet man, angesichts einer Leistung wie dieser, so perfekt in Kraft, Ausdruck, Präzision? Ein hinreißender Strahlemann. Sehr hellstimmig halt.

Die Leonore ermöglichte durch ein Einspringen die Live-Begegnung mit der britischen Sopranistin Emma Bell, die es bislang noch nicht nach Wien verschlagen hat. Das Erlebnis war kein großes – eine gewissermaßen nasal verschleierte Stimme mit schriller, tremoloreicher Höhe, aber immer zu den vom Dirigenten vorgegebenen Attacken bereit. Eigentlich war auch die andere Dame eine Spur zu dramatisch – die schöne Regula Mühlemann singt zwar das leichte, lyrische Fach, könnte aber schon höher greifen. Aber eine Marzelline wiederum muss man spielen können, die entfaltet sich nicht, wenn man bewegungslos auf der Bühne herumstehen muss.

Andererseits kann das „Spielen“ bei einer konzertanten Aufführung (Vogt / Bell taten es diskret und sehr schön) auch gefährlich sein: Sebastian Holecek überzog (die Rolle offensiv brüllend) den Don Pizarro dermaßen in grimmiger Miene und drohender Geste, dass er am Rand der Lächerlichkeit balancierte. Der Rocco von Stefan Cerny hatte es leichter – er konnte sich auf seine Stimme, diesen wirklich schwarzen, prächtig aufblühenden Baß verlassen. Der Jaquino des Patrick Grahl tat gewissermaßen gar nichts, außer seine Noten zu singen, der Don Fernando des Matthias Winckhler desgleichen, und das kann konzertant eine ganz gute Lösung sein.

Auch der Chor, bestritten von Gaechinger Cantorey, stand brav und sang: Man hat die Fidelio-Chöre, ehrlich gesagt, schon schöner gehört. Die Musik sowieso. Manche Sänger auch. Dennoch hatten sich offenbar viele Wiener Musikfreunde von dem Abend etwas versprochen, denn das Theater an der Wien war sehr gut gefüllt.

Renate Wagner

 

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