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WIEN / Theater an der Wien: DIE SCHÖPFUNG – SZENISCH

15.05.2017 | KRITIKEN, Oper

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WIEN / Theater an der Wien:
DIE SCHÖPFUNG von Joseph Haydn
SZENISCH durch La Fura dels Baus
Wiener Premiere: 15. Mai 2017

Die Vorschusslorbeeren sind nach ersten Vorstellungen in Frankreich bereits gewaltig, und in Deutschland, wo diese Produktion einer zum Theaterabend dramatisierten „Schöpfung“ hinwandern wird (im Juni zu den Ludwigsburger Schlossfestspielen und in die Elbphilharmonie, Hamburg), sind die Abende schon ausverkauft. Auch das Theater an der Wien war sehr voll, und da ja gerade die Wiener Musikfreunde Joseph Haydns „Schöpfung“ immer wieder hören können und gut kennen, liegt das wohl an dem magischen Versprechen „La Fura dels Baus“. Dieses katalanische Theaterkollektiv, das oft den Regisseur Carlus Padrissa voraus schickt, gilt mit seinen „szenischen Performancen“ wohl als eines der zeitgeistigsten Unternehmen, die es heutzutage gibt. Wer etwas von sich hält, will da dabei sein.

Was geschieht nun auf der Bühne? Man bebildert die „Schöpfung“, ihre eindreiviertel pausenlosen Stunden. Voran mit Videos, die den Abend ununterbrochen „bestreichen“. Gleich zu Beginn weisen Explosionen (auf der Leinwand natürlich) auf eine Art „Urknall“ hin. Wenn man im Programmheft blättert, bekommt man Erklärungen, die eindrucksvoll klingen, mit denen der Laie aber natürlich nichts anfangen kann – inspiriert „vom Teilchenbeschleuniger des CERN in Genf“, dreidimensionale Visualisierungen, interaktive Videos und LED-Lichtprojektionen. Ja, wir sehen schließlich, dass es eindrucksvoll ist.

Und doch dann auch manchmal – seltsam in den gewählten Mitteln. „Es werde – Licht!“ ist wohl eine der großartigsten musikalischen Stellen der gesamten Musikliteratur. Was geschieht hier? Weiße große Luftballons schweben auf die Bühne, Helium-gefüllt, wie man hört (und sie bleiben den ganzen Abend da). In Wien denkt man bei Luftballon eher an den Prater als an die Schöpfung und die „göttliche Erhabenheit“ (!), die sie hier versinnbildlichen sollen.

Auch anderes kommt einem komisch vor – natürlich nicht, dass der Chor multikulti ist, auch in der Kleidung, ein Flüchtlingsstrom, wie auch anders. Aber etwa die Tabletts und Taschenlampen, die hier eingesetzt werden – kann man nur so „Wir sind von heute“ signalisieren? Und am meisten der „Kran“ und was er den Sängern abverlangt. Man weiß es, diese Kräne baut La Fura dels Baus gern, in Valencia haben sie damit Wagners „Ring“ ganz schön in Schwung gehalten. Hier müssen die Sänger sich immer wieder in die Lüfte heben lassen, schweben und singen.

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Und mehr noch. Der darunter befindliche, durchsichtige, mit Wasser gefüllte Kubus ist nicht nur für Statisten gedacht, die darin herumschwimmen. Auch Adam und Eva, sprich Daniel Schmutzhard und Mari Eriksmoen, müssen hinein, plantschen und singen, bis sie total naß in die Höhe gezogen werden, weitersingen, dann dürfen sie runter, müssen mühselig von ihren Riemen befreit werden, bekommen Decken und singen prietschelnaß weiter… das soll eindrucksvoll sein? Es ist schon für den Betrachter eine Mühsal, dem Ganzen zuzusehen, wie erst für die Sänger?

Zumal auch der Kitsch seinen Anteil an dem von Carlus Padrissa inszenierten, Mireia Romero choreographierten Musiktheater-„Gesamtkunstwerk“-Abend hat, die Kostüme von Clara Sullà sind seltsam genug, mit blinkenden Lichterkränzen am Kopf, Engelsflügel, riesige Ärmel, und die Beleuchtung sorgt in verschiedener Buntheit für noch mehr Exzentrik. Im Endeffekt kann man das Ganze auch für eine Selbstzweck-Affektation halten, die Haydns Werk keinesfalls unterstützt, sondern nur davon ablenkt.

Was dann auch wieder nicht so schlecht ist, denn was die Dirigentin Laurence Equilbey mit „ihren“ beiden Ensembles, dem von ihr gegründeten Insula Orchestra und dem ebenfalls von ihr gegründeten Chor Accentus hören lässt, ist musikalisch sicher nicht die beste „Schöpfung“, an die man sich erinnert, nicht einmal annähernd. Es muss sich um Originalinstrumente handeln (das Programmheft gibt diesbezüglich keine Auskunft), anders ist der trockene Klang (Bläserschmisse klingen dann noch viel schlimmer) nicht zu erklären, und wenn man zu den Leuten gehört, die die Wiener Klassik doch lieber mit „unseren“ Orchestern hören, dann kann man nur schmerzlich vermerken, dass die glänzenden Aufschwünge dieser Musik mit diesem Instrumentenmaterial einfach nicht zu erreichen sind.

Viel Besseres leisteten die drei Solisten, wobei Daniel Schmutzhard mit seinem kernigen Bariton auch der wortdeutlichste unter ihnen war, Martin Mitterrutzner seinen Tenor mehrfach aufblühen ließ und Mari Eriksmoen ihren hellen, strahlenden Sopran einsetzte.

Das Publikum war, man muss es ehrlich sagen, hellauf begeistert und jubelte. Da soll der Kritiker seinen Mund halten, weil bei Ereignissen dieser Art absolute Zustimmung obligatorisch ist? Nun, man darf doch genau hinsehen und auch seine Meinung haben…

Renate Wagner

 

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