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WIEN / Theater am Spittelberg: DAS BLAUE VOM HIMMEL

Andreas Eckert und ihre Georg Kreisler Revue zu dessen 100. Geburtstag

19.05.2022 | Konzert/Liederabende
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Andrea Eckert und Otmar Klein. Alle Fotos (Handykamera): Manfred A. Schmid

WIEN / Theater am Spittelberg: DAS BLAUE VOM HIMMEL – 100 Jahre Georg Kreisler

18. Mai 2022

Von Manfred A. Schmid

100 Jahre Georg Kreisler. Anlass für Andrea Eckert, mit Liedern aus der Feder des Komponisten, Dichters und Sängers dessen Lebensweg von der Jugend in Wien über die Emigration bis zu seiner Rückkehr in die Stadt nachzuverfolgen, in der er sich – wie es in einem seiner Lieder heißt – nicht zu Hause und doch zu Haus fühlte, nämlich dann, wenn ihm der Antisemitismus wieder einmal unverschämt ins Gesicht lachte oder spuckte.

Kreisler und Wien. Eine zeitlebens problematische Beziehung, die sich in „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ und „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“ sarkastisch und kritisch zu Wort meldet und doch eine starke emotionale Zuneigung nicht verleugnen kann und wohl auch nicht will. Eckert geht zwischen den Liedern kurz auf die darin beschworenen Lebensumstände oder Befindlichkeiten Kreislers ein und zitiert aus seinen Erinnerungen. Sie singt, macht ein paar sparsam tänzerische Schritte (Szenische Einrichtung Martina Gredler), verlässt sich ansonsten aber völlig auf ihre charismatische, einnehmende Bühnenpräsenz. Gesicht und Augen sprechen Bände. Und sie singt fantastisch.

Wichtiger aber als Kreislers Lebensweg ist für Eckert ohnehin ein Eintauchen in die Gedankenwelt des vielseitigen Künstlers, der zu Unrecht meist nur als Kabarettist wahrgenommen wurde. Aus seiner Spätzeit stammt das Chanson „Zu leise für mich„, in der er sich gegen die Vereinnahmung als „Unterhaltungskünstler“ zur Wehr setzt: „Ich sitz schon lang im Kabarett und singe Lieder / wie eine mutige, doch alternde Soubrette. / Und diese Lieder hören die Leute immer wieder und der Flieder / blüht im nächsten Jahr genauso violett.“ Kreisler erweist sich in Eckerts Auswahl als scharfsinniger Beobachter und Seismograph gesellschaftlicher Zustände, ein Dichter und Komponist, der mit jüdischem, oft aber auch beißendem Humor aus seinen Erfahrungen berührende Lieder entstehen lässt.

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Alexander Wladigeroff, Konstantin Wladigeroff, Andrea Eckert und Otmar Klein.

Andrea Eckert zeigt in ihrer mitreißend komischen wie todtraurigen, zum Lachen und zum Nachdenken anregenden Revue die erstaunliche Bandbreite seines Schaffens, die vom bissigen Wienerlied bis zu jiddisch geprägten und vom Jazz beeinflussten Kompositionen reicht. Das wehmütige „Mein kleines Mädele“, in dem ein Vater sein Kind darauf vorbereitet, „dass diese Welt nur selten gut ist und noch seltener gerecht“, ihm aber verspricht, „Ich werd‘ versuchen, dich zu trösten, wenn ein Spielzeug dir zerbricht“, gelingt ihr in seiner Aufrichtigkeit voll liebender Obsorge herzergreifend. Als ein wahres Feuerwerk an Gestaltungskraft erweist sich der „Opernboogie“, der sich satirisch über den Kulturbetrieb bzw. über die Kulturbetriebsamkeit lustig macht, im Kern aber auch auf Kreislers starke Liebe zu diesem Genre verweist. Er hat tatsächlich mehrere Opern geschrieben, war dabei aber nicht sehr erfolgreich. „Meine zweite Oper habe ich vor einigen Tagen abgeschlossen. Sie wird, wie meine erste Oper, kaum gespielt werden“, hatte er einmal resigniert resümiert.

Begleitet wird Andrea Eckert bei ihrer Kreisler-Revue von einem vorzüglichen und unglaublich vielseitigen Trio. Mastermind ist das Wiener Urgestein Otmar Klein (Akkordeon, Saxofon, Klarinette). Ergänzt wird er durch die Wladigeroff Brothers, die schon seit über 20 Jahren die Jazz- und Ethnoszene in Wien bereichern. Das sind die Zwillinge  Alexander Wladigeroff (Trompete und Flügelhorn), der einmal sogar zwei Trompeten gleichzeitig bläst (!) und Konstantin Wladigeroff (Klavier und Klarinette). Da swingt und wienert es, dass es eine Freude ist. Klar, dass auch ostjüdische Klänge nicht fehlen dürfen.

Dieses gelungene Konzert zum 100. Geburtstag von Georg Kreisler hätte mehr Publikum verdient. Bis Samstag gibt es noch Gelegenheit dazu. Man sollte sie nicht versäumen.

19.5.2022

 

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