Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Staatsoper: WERTHER

01.05.2013 | KRITIKEN, Oper

Wiener Staatsoper: WERTHER am  30.4.2013

 Seit der Premiere im Februar 2005 sind zwar die Rollen von Kätchen und Brühlmann verloren gegangen, doch nach 47 Vorstellungen kann man mit Recht sagen, dass die Inszenierung von Andrei Serban mit dem Bühnenbild von Peter Pabst noch immer funktioniert. Der alles beherrschende Baum zeigt nicht nur die Jahreszeiten an, sondern sehr wohl auch den seelischen Zustand der beiden Hauptdarsteller. Ja, auch da zieht der Winter in die Seelen ein, doch wurde das bei weitem besser gelöst als bei Eugen Onegin. Was man vor 8 Jahren noch nicht ahnen konnte – diese Produktion ist sicherlich eine der am besten Gelungenen der letzten 10 Jahre hier am Haus.

 Ein Abend, der für mich mit einer großen Enttäuschung begann – so musste Elina Garanca auch für diese Aufführung krankheitsbedingt absagen – endete damit, dass ich nach der Vorstellung das Gefühl hatte, der bis dato emotionell berührendsten Werther-Vorstellung beigewohnt zu haben, in der ich jemals war. Einen großen Anteil daran hatte ausgerechnet eine Sängerin, die mich oft nicht wirklich total überzeugen konnte, Vesselina Kasarova. Um einen Ausspruch der legendären Tante Jolesch zu gebrauchen: „Was sie so von keiner Carmen ist, ist sie eine tolle Charlotte“. Hier macht der Vergleich sicher – Garanca verkörpert immer eine (vielleicht dem Ursprungskonzept entsprechende) ziemlich kühle Charlotte, so dass einerseits der Charakterunterschied zum schwärmerischen Werther mehr als deutlich wird, andererseits es doch schwierig ist, das Faible des jungen Mannes für diese schon im jungen Alter sehr reif gewordene Frau (immerhin muss sie für dreizehn jüngere Geschwister sorgen) nachzuvollziehen. An diesem Abend war eine ebenfalls pflichtbewusste Charlotte am Werk, in der aber trotz allem noch ein leidenschaftliches Feuer brennt – und es für sie um so schwerer ist, sich für die „Pflicht“ zu entscheiden. Es war eine imponierende Charakterstudie, die Vesselina Kasarova geboten hat. Vom sängerischen Standpunkt aus erreichte sie zwar nicht die Perfektion der Premierensängerin, doch insgesamt war es für mich ein überzeugenderes „Gesamtpaket“, das geboten wurde.

 Roberto Alagna ist ein Sänger, an dem sich die Geister scheiden. Doch auch er hatte – mit gewissen Einschränkungen – einen wirklich guten Abend. Das Publikum dankte es ihm (natürlich auch Kasarova) mit vielen Bravo-Rufen und großem Beifall. Es ist schade, dass er die beiden ersten Akte fast im Dauer-Forte sang. Er hatte eine klare Diktion, allerdings ließ er es an Nuancen missen. Das änderte sich erst nach der Pause, als er seine große Arie mit viel Emotion sang (zwar nicht so auf die Tränendrüsen drückend wie so manch anderer Sänger) und schlussendlich im 4.Akt wirklich schön seine Seele aushauchte.

 Es war an diesem Abend wirklich eine Freude, dem Staatsopernorchester unter Leitung von Bertrand de Billy zuzuhören. Er vermied jedweden Zuckerguss, der oft über Werke von Massenet und Gounod gestülpt wird und produzierte ein wirklich spannendes Dirigat, dem die Philharmoniker gerne folgten.

 Daniela Fally hat sicher Rollen im Haus, die ihren Fähigkeiten besser entgegenkommen. Als Sophie bleibt ihr nichts anderes zu tun als schwärmerisch und putzig zu sein – ihre stimmlichen Fähigkeiten werden da nicht wirklich gefordert. Sie spielt die jüngere Schwester der Charlotte sehr ansprechend – und als ehemaliger Trainer kann ich bestätigen, dass sie durchaus auch Talent zur Aufspielerin in einer Volleyballmannschaft gehabt hätte – sie hat wirklich „gute Finger“ für diesen Sport!

 In den kurzen Szenen, wo sie auftraten, erfüllten Thomas Ebenstein (Schmidt), Hans Peter Kammerer (Johann) und Andreas Hörl (Le Bailli) ihre Figuren mit Leben. Wie heißt es so schön (und etwas nichtssagend) – die Leistungen waren rollendeckend.

 Last AND least nun zu Tae-Joong Yang, der die vom Komponisten und den Librettisten stiefmütterlich behandelte Rolle des Albert zu singen hatte. Nun, dieser Albert ist ein ziemlich langweiliger Charakter. Dass allerdings unter dieser Oberfläche viel mehr brodelt, dass da auch eine gewisse Bösartigkeit lauert – ja, das hat Adrian Eröd immer wunderbar rausgearbeitet. Der Koreaner schaute böse drein – als Charakterstudie war das aber zu wenig. Auch vom Gesang her kam da nichts rüber. Schade. Auf der anderen Seite war da die Differenz zum hochemotionellen Liebespaar noch größer in Szene gesetzt.

 Es war ein Abend, der mir nach längerer Zeit (ich hatte diese Oper seit 2009 nicht mehr gesehen) dieses Stück wieder näher gebracht hat. Danke an alle Beteiligten. Und was für mich besonders erfreulich ist – ich habe zwei Sänger, die nicht so sehr zu meinen absoluten Lieblingen zählen, zu schätzen begonnen.

 Kurt Vlach

 

 

Diese Seite drucken