TOSCA von Giacomo Puccini am 19. März in der Wiener Staatsoper – Eine „fade Partie“!
Nina Stemme
Es ist nicht leicht zu einem Abend, der an sich gut war, aber dennoch sehr ernüchternd, die richtigen Worte zu finden. Zumal dieses Puccini-Werk und die Interpreten dieser Reprise alles „Lieblinge“ von mir sind und ich daher vernünftigerweise besser schweigen sollte. Soviel vorausgeschickt: Dem Publikum hat’s gefallen, aber in Wien werden Publikumslieblinge unabhängig von deren Lebensalter, Tagesleistung oder Stimmverfassung in Anerkennung ihrer bereits erbrachten Leistungen ohnehin besonders gehuldigt.
Nina Stemme lieh der Floria Tosca ihre wunderbare Stimme, doch ist das italienische Fach wahrlich nicht das ihre. Leider. Ihr fehlte die vielzitierte „Italianitá“, sie hat einfach kein Gespür für diese besondere „Leidenschaft“. Ihre Aussprache war dementsprechend alles andere als angenehm. Als sie Scarpia um den Preis für die Befreiung ihres Mario bittete, erklang statt des ital. „Il Prezzo“ (dt. „Um welchen Preis“), ein „Il Prehzo“, anstatt eines gehässigen „Il Prätzo“ mit Hauptbetonung auf dem t. So zog es sich durch die ganze Oper. Besonders bei Mozart wäre das eine Katastrophe. Schwedisch ist dem Deutschen sehr ähnlich, daher sollte Wagner ihre Welt bleiben. Daneben gab es Intonationsschwierigkeiten in der Höhe und nur mit Mühe haltbare Töne. Überhaupt schien sie nie wirklich in die Oper zu finden, das Singen und Agieren forderte sie zu sehr. Einzig ihr „Vissi d’arte“ im zweiten Akt berührte, auch sie selbst und entlockte dem Publikum berechtigten Zwischenapplaus.
José Cura schien seine stimmlichen Kräfte einzig auf die Schlussarie „E lucevan le stelle“ aufgespart zu haben, der aufbrausende Szenenapplaus wurde hierbei aber „niederdirigiert“. Die einzigartigen Notenfolgen bei „Ah quegli Occhi… Mia Gelosa!“ im ersten Akt waren ob ihrer „Laschheit“ kaum wiederzuerkennen. Wie hinreißend kenn ich das von José Carreras (zumindest vom mp3-Player). Völlig ohne Geist, kein Schmelz, kein Herzblut, nur „billiges Gefasel“ kam live von der Rampe. Ihn schien sein Schicksal die ganze Oper hinweg nur wenig zu berühren und Floria war ihm kaum Beachtung wert. Seine Schreie aus der Folterkammer waren zum Lachen, nicht Erschaudern.
Marcos Vratognas Scarpia erschien routiniert und besser als erwartet. Stimmlich recht akzeptabel. Aber Falk Stuckmann blieb schon allein in seiner „Art des Stehens“ unerreichbar. Vratogna zeigte Besessenheit und Machtgier, aber Floria war wahrlich nicht das Objekt seiner Begierde. Es schien auch die Abendregie alle wirkungsvollen Annäherungsversuche gestrichen zu haben. Hat es früher nicht eine Art Vergewaltigungsszene „sulla Poltrona“ gegeben?
Alle drei Hauptinterpreten waren für ihre Rollen viel zu kalt und haben wie selbstverständlich aneinander vorbei agiert. Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihnen bewusst ist, an der Wiener Staatsoper zu singen.
Eijiro Kai war die richtige Hauswahl als Angelotti, aber es wäre noch mehr aus dieser Nebenrolle herauszuholen gewesen, würde sie nur mehr beachtet werden. Der Alfred Sramek, diesmal als „Unschulds“-Mesner, braucht nicht mehr beurteilt zu werden. Er ist längst zum unentbehrlichen „Inventar“ der Wiener Staatsoper geworden. Jedes Mal serviert er uns aufs Neue, liebevoll und gekonnt, wie ein abgeklärter Ober eine „Wiener“-Melange. Sein Schlussapplaus wurde nach Mistelbach weitergeleitet.
Wolfram Igor Derntl als Spoletta, Il Hong als Sciarrone und Walter Fink als Schließer sind Nebenrollen, die von der Regie nur zu sehr vernachlässigt wurden. Warum müssen diese Herren beim Öffnen und Schließen des Folterseparées immer so umständlich in der viel zu niedere Türe stehen, nicht davor?
Wenn es einen Dirigenten gibt, den ich das Recht zusprechen würde, das „Maß der Dinge“ zu sein, nicht aller, aber jenes der Musik-Interpretation, dann ist es der Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper Franz Welser-Möst.
Er hat sich aber offensichtlich nach dem überwältigenden Erfolg mit Richard Stauss’s „Frau ohne Schatten“, zwei Abende zuvor, auf „Tosca“ kaum vorbereiten können. Es versuchte die Dynamik vollkommen auszukosten, geriet dabei aber über die Grenzen der Verträglichkeit hinaus und fand immer weniger die Balance zwischen der ihm sonst so wichtigen (slawischen) Leidenschaft und der Ernsthaftigkeit im Machtspiel zwischen Leben und Tod. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Ja, doch: Herren Cellisten, was war das für ein „Trauerspiel“, zu Beginn des dritten Aktes? Künstler müssen und dürfen sensibel sein, aber mit Gewalt lässt sich Musik nicht zurechtbiegen. Dazu braucht es Liebe und vor allem Demut. Es sollte im Orchestergraben jene Professionalität herrschen, mit der „Unstimmigkeiten“ sofort und unerkennbar über die Vorstellung gebracht werden. Polsterschlachten können im Dirigentenkammerl ausgetragen werden, aber nicht vor dem Publikum. Ihr seid alle Weltmeister und habt wunderbar gespielt. Philharmoniker sind aber auch nur Menschen! Nicht mehr und nicht weniger. Ich möchte solcherart Benehmen beim Abgang des Dirigenten nicht mehr beobachten müssen!
Großes Lob gilt weiters einem ehrenamtlichen Handy-Musiker „aus dem Off“. Exakt in ein Pianissimo und anschließender Generalpause fügte sich sein morgenweckerartiges Piep-piep, Piep-piep, Piep-piep. Der GMD nahm den Takt wieder im Piep-piep auf und nach ein paar weiteren Piep-piep übernahm wieder das Schlagzeug die offiziell hörbare Taktvorgabe. Offensichtlich hat die Beherrschung der Kommunikationstechnik nun jenes Niveau erreicht, bei dem die Intelligenz des durchschnittlichen Opernbesuchers bereits an ihre Grenzen stößt. Abgesehen davon, dass es immer irgendwelche Personen geben muss, welche sich so unentbehrlich empfinden, dass sie auch während der Vorstellung allfällige Nachrichten „abchecken“ müssen und dabei ganz ungeniert mit ihren Monitoren die Oper ausleuchten. Aber es soll mittlerweile auch Handys geben, die selbst in abgedrehtem Zustand auf Empfang sind und jederzeit Signale von sich geben können. Ich empfehle, dass der nächste Handy-Musiker allen, auch jenen auf und hinter der Bühne, für deren Anerkennung seiner Leistung ein Bier im Schwind-Foyer bezahlt. Im Voraus recht herzlichen Dank!
P.S.: Und an alle Fotokünstler: Abgesehen davon, dass Fotografieren ohne eigene Genehmigung in der Oper aus urheberrechtlichen Gründen nicht erlaubt ist, stört nicht nur der „Blitz“, den man auf „Nacht-Modus“ für normal auch abdrehen könnte, aber vor allem der „rote Laser“ des Autofokus, der in Dauerfunktion leuchtet und die Sänger nervtötend irritiert. Haben sie doch mehr Respekt vor der Leistung, welche uns von diesen Ausnahmeerscheinungen geboten wird. Im Internet finden sich ausreichend Fotos von ihren „Lieblingen“, auch gibt es genügend Möglichkeiten, die Räumlichkeiten der Oper vor dem Beginn und in den Pausen der Aufführungen zu fotografieren. Das wird aber nur geduldet! Die selbst angefertigten Vorstellungs-Fotos sind wahrscheinlich ohnehin von schlechter Qualität und werden bald wieder gelöscht sein. Ihr „K(l)ick“ steht also zu keiner Relation in Bezug zur massiven Störung der Künstler auf der Bühne, im Orchestergraben und des interessierten Publikums. Ich wünsche mir in solchen Belangen mehr Zivilcourage von den in der Nähe sitzenden oder stehenden Opernbesuchern. „Unartige“ sollten rasch darauf aufmerksam gemacht werden, dass solcherart Benehmen in der Wiener Staatsoper nicht akzeptiert wird.
Florian Felderer