WIEN/ STAATSOPER: VA CAVARADOSSI … „TOSCA“ am 23.1.2014
… und komm bitte gar nicht mehr zurück!!! Das hätte man am liebsten nach dem 1.Akt laut gerufen, da die Leistung des von verschiedensten Medien hoch gepushten Massimo Giordano – sagen wir es nett – nicht ganz dem Niveau eines ersten Hauses entsprochen hat. Neben einer recht schlanken, großgewachsenen Figur brachte er außer einem leicht baritonal gefärbten Timbres wenig mit, das den Besucher erfreuen konnte. Hörbare Brüche zwischen Brust- und Kopfstimme, ein sehr störendes Vibrato, Stemmen der Töne beim Versuch, seine recht kleine Stimme dem Haus anzupassen – das alles war wirklich sehr enttäuschend. Für mich war es meine erste Begegnung mit diesem Sänger, und obwohl mir versichert wurde, dass er immerhin besser als in der „La Traviata“ vom Herbst war, gereicht es mir nicht zur Freude, dass Giordano für die Premiere von „Adriana Lecouvreur“ angesetzt ist. Es war noch ein Glück, dass (und da muss man sich an die legendäre Tante Jolesch erinnern, die „Gott bewahre uns vor allem, was noch ein Glück ist“ sagte) er zumindest „E lucevan le stelle“ nicht geschmissen hat.
Man sagte, dass Tosca ziemlich leicht zu besetzen sei – man nehme den besten Sopran, den besten Bassbariton und den besten Tenor – und schon ist ein musikalischer Erfolg sicher. Nun, Giordano gehörte an diesem Abend sicherlich nicht zu Letzteren.
Unglücklicherweise spielte gestern das Staatsopernorchester so, wie Paolo Carignani dirigierte. Wer auf eine subtile Umsetzung der Partitur hoffte, wurde enttäuscht. Carignani ließ es von Beginn an ziemlich krachen, setzte vor allem auf Lautstärke und es war nur dem Stimmvolumen der Sänger zu verdanken, dass sie nicht komplett vom Orchesterklang zugedeckt wurden.
Auf der Soll-Seite war auch der Auftritt von Benedikt Kobel zu verbuchen, der als Spoletta ziemlich flackernde Töne von sich gab. An diesem Abend war es schwer zu entscheiden, wer der beste Tenor des Abends war…
Stimmlich viel präsenter als zuletzt war Janusz Monarcha bei seinen Szenen als Angelotti, Hans Peter Kammerer war als Sciarrone unauffällig. Walter Fink war als Schließer eine Luxusbesetzung, während das unbenannte Kind der Opernschule als Hirte etwas zu wünschen übrig ließ.
Einen wiederholten stimmlichen Frühling erfährt zur Zeit Alfred Sramek, der den Mesner als etwas schrulligen Zeitgenossen porträtierte – kein Vergleich zu den letzten Jahren, was aber auf Grund seiner Biographie verständlich ist.
Martina Serafin bot eine überzeugende Leistung, allerdings im Vergleich mit der Tosca vom September, Angela Gheorghiu, war ihre Darstellung weit weniger ausgefeilt und mehr bodenständig. Sie steigerte sich im Lauf der Vorstellung, traf alle Töne. Allerdings ließ ihr „Vissi d’arte“ mich etwas ratlos zurück. Wie gesagt, alles war sauber gesungen, doch hinterließ die Arie keinen wirklich bleibenden Eindruck – es wirkte ein wenig seelenlos.
Warum wurde der Abend doch zu einem Ereignis, an das ich noch lange zurückdenken werde? Nun, das hat einen einzigen Grund, und dieser heißt Bryn Terfel. Was für eine Naturgewalt ist dieser Mann doch! Eine Bühnenausstrahlung sondergleichen – es dauerte knapp zwei Sekunden und schon beherrschte er bei seinem ersten Auftritt das Geschehen. Es ging von ihm eine Aura der Macht, der Brutalität, aber auch einer fast animalischen Sinnlichkeit aus. Ein absolutes Alpha-Männchen, das neben sich niemand anderen duldet und dies mit teils groben, teils subtilen Gesten auch zeigt. Selten hat man die untertänige Haltung seiner Untergebenen so nachvollziehen könne – der kleinste Fehler ihrerseits kann da schon fatale Folgen haben. Der Mesner kuscht vor ihm nach dem Motto „Nur nicht bei diesem Menschen anstreifen“. Man glaubt diesem Scarpia aufs Wort, dass er von „Blümchensex“ so gar nichts hält und es ihm Spaß macht, nicht willige Frauen erst zu nehmen und nach getaner „Arbeit“ wieder wegzuwerfen. Mich beeindruckte eine Szene im ersten Akt, als es anfänglich so aussah, dass er der Tosca mit beiden Händen aufs Gesäß greifen wollte, sich aber im letzten Augenblick noch zurückhielt und mit einer fließenden, natürlich anzuschauenden Bewegung die eine Hand wieder zurückzog und mit der anderen Hand Tosca half, sich zu erheben. Das war „ganz tolles Kino“!
Zum Gesang – an diesem Abend wurde erst bewusst, was wir durch seine siebenjährige Absenz im Haus alles versäumt haben (Wotan & Co.) – klare Diktion, ungeheure Kraft gepaart mit Subtilität. Terfel modulierte seine Stimme in beide Extreme – durchdringend und brutal zum Beispiel beim „Te Deum“ einerseits, andererseits Schalmeientöne, wenn er Tosca becircen möchte. Aber er klang nie gefährlicher und unberechenbarer, wenn er seine Stimme zurücknahm. Natürlich kommt ihm seine Vergangenheit als „Don Giovanni“ zu Gute – es klangen da Töne, die mich an seine Mozart-Zeit erinnerten. Es schimmerte da immer wieder der nicht abzuleugnende Charme des Scarpia durch – was ihn für viele Frauen sicherlich attraktiv gemacht hat. Ein absoluter Machtmensch, der sich nimmt was er will, aber dem auch oft freiwillig nachgegeben wird.
Terfel schuf das beste Scarpia-Porträt seit langer, langer Zeit – nachfolgende Sänger werden sich an dieser Leistung messen müssen (und ich befürchte, der Vergleich wird nicht zum ihren Gunsten ausgehen). Hoffentlich werden wir Terfel zukünftig wieder oft an der Staatsoper erleben können, gerüchteweise soll er nächstes Jahr als Holländer zurückkehren.
Der Abend war ein Triumph für Terfel, brachte eine sehr gute Tosca, aber auch einen Cavaradossi und einen Dirigenten, die bei weitem nicht die Qualität der beiden Erstgenannten erreichen konnten.
Kurt Vlach