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WIEN / Staatsoper: SOLISTENKONZERT ERWIN SCHROTT | GIULIO ZAPPA

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WIEN / Staatsoper:
SOLISTENKONZERT ERWIN SCHROTT | GIULIO ZAPPA
20.
September 2017

Erwin Schrott könnte es sich leicht machen. Auf der Bühne Don Giovanni und Leporello, die Mephistos von Gounod und Boito, mal Escamillo, mal Dulcamara und neuerdings auch Scarpia (den wir bald erleben werden) – und im übrigen könnte er mit seinen „Tango“-Programmen um die Welt reisen und das Publikum entzücken. Aber er macht es sich auch schwer, wie sein vielfältiger Abend an der Wiener Staatsoper bewies. Das (rappelvolle!) Solistenkonzert mit Giulio Zappa am Klavier setzte auf Anspruch und Vielfalt. Natürlich auch, damit Erwin Schrott jede Nuance seines Könnens auspacken konnte – aber das ist ja schließlich legitim?

Er begrüßte das Publikum auf Deutsch, auf Spanisch (großer Jubel, eine Fan-Delegation aus seiner Heimat Uruguay „outete“ sich im Parkett), ging aber dann aufs Englische über: Erwin Schrott singt nicht einfach darauf los, er will dem Publikum immer etwas erzählen, Was er singt und warum. Er hatte sich eine musikalische Reise durch die Jahrhunderte vorgenommen. Sie begann im Spätbarock, mit vergessenen Meistern – Giuseppe Sarti und Benedetto Marcello gaben ihm die Möglichkeit, Beispiele an Stimmbeherrschung zu zeigen (was ja mitunter schwerer sein kann als der große Ausbruch) und gleich den Umfang seines erstaunlichen Bassbaritons zu demonstrieren, der die wirklich stählerne Höhe eines Baritons und die samtige ganz tiefe Tiefe eines Basses umspannt.

Über eine Mozart-Konzertarie führte der Weg zu den ersten „Effektstücken“: dreimal Gounod (den ursprünglich angekündigten Bellini hatte er gestrichen), davon zwei große Mephisto-Arien. Hier ist er auch der mitreißende Darsteller, der niemandem braucht als sich selbst (man vergisst sogar den Mann am Klavier), um das Publikum mit dämonischer Kraft triumphal in die Pause zu schicken.

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Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Begleiter Giulio Zappa, der zwei Solostücke bekam (besonders der Respighi „perlte“ schön), begleitete Schrott durch alle „Farben“, die dieser an dem Abend entfaltete, sprich: stimmlich hinpinselte. Der zweite Teil begann mit Verdi (mit Procidas Gruß an Palermo, französisch gesungen) und kam dann „zu meinem geliebten Südamerika“, wie er sagte: Vier Stücke von Carlos Guastavino, in seiner spanischen Muttersprache gesungen, schlugen ruhige, zarte, besinnliche Töne an, dann heitere, dann düstere, eine Klangwelt für sich, in der Schrott geradezu „wohnt“.

Dann das große Zugeständnis an das Publikum, wie alle großen Sänger es gerne tun – dreimal Tosti, die schönsten Schmachtfetzen, darunter „L’ultima canzone“ – jene verführerische, unwiderstehliche „Serenata“, bei der die Stimme so richtiggehend schmelzen kann…

Ja, und ein wahrer Opernsänger kann es nicht lassen, er zeigt, was er – unter anderem – am besten kann, noch einmal Mephisto, diesmal von Boito, „Son lo spirito che nega“ mit so viel Kraft gesungen, dass es Gänsehaut erzeugte, bis zum finalen, virtuosen Pfiff.

Die erste Zugabe galt der Leporello-Arie, Schrott ist wirklich einer der großen Mozart-Sänger unserer Zeit, Kraft, Beweglichkeit und Schönheit der Stimme sind auf ihrem Höhepunkt, den Ausdruck hat er bis ins Detail im kleinen Finger. Und dann erst gab er dem Publikum, was es erhofft haben mag – erst a capella, dann „Rojo Tango“, wobei Tango mit Schrott keine billige Unterhaltung, sondern hohe Kunst ist. Zugaben und Applaus verlängerten den Abend um gut 25 Minuten.

Renate Wagner

 

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