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WIEN/ Staatsoper: SOLISTENKONZERT ADRIANNE PIECZONKA/ WOLFRAM RIEGER

Des Glückes stummes Schweigen

04.04.2019 | Konzert/Liederabende


Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: Solistenkonzert Pieczonka/Rieger

  1. März 2019

Des Glückes stummes Schweigen

Die umjubelte Marschallin der eben zu Ende gegangenen Rosenkavalier-Aufführungsserie beschließt ihr Gastspiel in Wien, wo ihre Weltkarriere vor 30 Jahren ihren Anfang genommen hat, mit einem sorgfältig ausgewählten Liederabendprogramm, in dem neben Bekanntem und Erwartetem auch weniger Vertrautes zu Gehör gebracht wird. Den Beginn machen fünf Schubertlieder, von denen die beiden ersten – „Im Frühling“ und „Das Rosenband“ – die in dieser Jahreszeit knospende, zart aufblühende Liebe besingen. Adrianna Pieczonka nimmt das ihr eigene Vibrato geziemend zurück, das Ergebnis ist anmutiger Liedgesang. In „Du liebst mich nicht“, nach einem Text von August von Platen, schleichen sich quälende Zweifel ein, auch das Lied der Mignon „Nur wer die Sehnsucht kennt“ klingt resignativ und melancholisch, was dem Timbre ihrer Stimme eindrucksvolle Entfaltungsmöglichkeiten bietet. In den Spitzentönen klingt sie zuweilen etwas scharf, ihre eindrucksvolle Gestaltungskunst wird dadurch aber insgesamt nicht schmälert. Wie sehr sich die Sängerin, die bereits 2014 bei der Schubertiade in Hohenems aufgetreten ist, mit Schubert beschäftigt hat, zeigt auch ihre Interpretation von „Gretchen am Spinnrad“, das zu einem spannungsgeladenen Minidrama wird. Wolfram Rieger, Pieczonkas Partner am Bösendorfer, lässt das beunruhigende, rastlos surrende Spinnrad nicht zur Ruhe kommen und erweist sich einmal mehr als idealer Liedbegleiter. Er drängt sich nie in den Vordergrund, ist aber stets präsent und liefert fein ziselierte und raffiniert ausbalancierte Vor- und Nachspiele.

Es folgen Wagners an Tristan und Isolde gemahnenden Wesendonk-Lieder, von denen bereits eine Einspielung von der kanadischen Sopranistin vorliegt. Die fünf vorwiegend in der Mittellage positionierten Kompositionen scheinen Pieczonkas sanft schimmerndem Sopran zunächst sehr entgegenzukommen. Da gelingt es ihr, einige Lieder in ihrer Gemütslage gründlich auszuloten: Die qualvolle Erregung in der zweiten Strophe von „Der Engel“ oder die wachsende Bedrängnis in „Träume“. Wenn Tessitur nach unten gefordert wird, ist das nicht mehr so klar der Fall. In „Stehe still“ und „Im Treibhaus“ lässt die tonale Tiefe etwas zu wünschen übrig. Überwältigend dafür die Interpretation des höher angelegten Liedes „Schmerzen“, die von berückender Strahlkraft ist und an die Gesangskunst von Kirsten Flagstad erinnert.

Die im US-Exil auf Initiative Max Reinhardts entstandenen Four Shakespeare Songs von Erich Wolfgang Korngold, mit denen Adrianne Pieczonka den zweiten Teil ihres Programms eröffnet, erweisen sich als von amerikanischen Einflüssen wie Musical, Filmmusik sowie dem Great American Songbook geprägte Vertonungen. Ihr Spektrum reicht von den verzweifelten Schreien „Sing willow, willow, willow“, in Desdemona´s Song, bis hin zum unbeschwertenWhen Birds Do Sing“ mit dem fröhlich zwitschernden Refrain “Sweet lovers love the spring“. Pieczonka bringt diese Songs völlig unprätentiös und trifft damit genau ihren Kern.

Vollends entfalten kann sich die Liedersängerin Pieczonka im abschließenden Block von Richard-Strauss-Liedern. Besonders durch innige Phrasierungs- und Gestaltungskunst besticht dabei das in leuchtender Seelenruhe dargebotene „Allerseelen“. Den letzten Programmpunkt „Zueignung“ widmet Pieczonka, wie sie in berührenden, an das Publikum gerichteten Worten bekundet, dem Andenken an ihre jüngst verstorbene Lehrerin, Mentorin und Freundin Hilde Zadek.

Der Applaus im nur schütter besetzten Opernhaus ist freundlich und freudvoll, es gibt drei Zugaben, darunter Strauss´ unendlich tiefschürfender, „des Glückes stummes Schweigen“ auslotender „Morgen“. Und wer mit diesem Gefühl seinen Heimweg antritt, spürt voll Dankbarkeit, was Musik – und insbesondere Gesang – zu leisten imstande ist.

Manfred A. Schmid

 

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