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WIEN/ Staatsoper: SIMON BOCCANEGRA

05.10.2013 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER: Giuseppe Verdi SIMON BOCCANEGRA
04. Oktober 2013

 Mit einer hervorragenden Sängerbesetzung kehrte Simon Boccanegra von Giuseppe Verdi –  gerade rechtzeitig zum 200. Geburtstag des Komponisten – auf den Spielplan der Wiener Staatsoper zurück. Interessanterweise hinterließen der Älteste und der Jüngste unter den Hauptrollensängern den stärksten Eindruck.

 Thomas Hampson konnte in der Titelrolle nicht vollständig überzeugen. In der Vergangenheit hat man den Dogen von ihm schon raffinierter gesungen gehört. Zuletzt sehr beeindruckend im Frühjahr in konzertanter Form im Wiener Konzerthaus.

Doch diesmal war Hampson sehr unausgewogen, sein Bariton wirkte besonders zu Beginn erstaunlich blass und kraftlos, und er neigte zum gelegentlichen Forcieren. Ab der Ratsszene ging es dann besser, auch wenn sich eine gewisse Kontinuität nicht einstellen wollte. Kaum ließ er mit kraftvollen Tönen aufhorchen, verschwanden im nächsten Moment auch schon wieder ganze Phrasen im Orchesterklang. Wobei die Schuld sicher nicht beim Dirigenten lag. Recht ordentlich gelang ihm dann doch Patrizi! Plebe! Popolo! und sein Doge gewann erstmalig an diesem Abend so etwas wie Autorität.  Erst im Finale konnte er seinen an sich schönen Bariton genau so strömen lassen. Schade, dass das nicht von Anfang an so gewesen ist. Als Figur war er da an diesem Abend viel überzeugender. Die Sterbeszene spielte er nicht so theatralisch wie andere Rollenvorgänger, die sich plötzlich zu Boden werfen. Nein, dieser Boccanegra starb leise und fast unbemerkt, in dem er sich beinahe in Zeitlupe in den Schoß seiner Tochter Amelia fallen ließ. Man fühlte sich schon fast an eine Pietà erinnert. Ein starker Schluss!

 Während bei Hampson doch Abstriche gemacht werden mussten, hatte Ferruccio Furlanetto als Fiesco einen hervorragenden Abend. Der immerhin schon 64-jährige Italiener beeindruckte vom ersten Ton an mit kräftigem Bass, sang nuancenreich und mit großem Ausdruck Boccanegra’s Gegenspieler. Die Arie im ersten Akt demonstrierte in welch gutem Zustand Furlanetto’s Stimme immer noch ist, über welch vokale Kraft er immer noch verfügt. Doch auch die balsamischen Töne standen ihm reichlich zur Verfügung. Als Figur war er stets glaubhaft und sein Bass kontrastierte hervorragend zum eher hell timbrierten Bariton von Hampson. Gemeinsam mit dem US-Amerikaner sorgte Furlanetto dann auch im Finale für packendes Musiktheater.

 Joseph Calleja wurde vor Beginn der Vorstellung wegen einer Erkältung, die ihn bereits die zweite Vorstellung absagen ließ, angesagt. Aber hier demonstrierte Calleja wieder einmal, dass er selbst mit einer Indisposition noch besser singt als so mancher gesunde Tenorkollege.

Er begann seinen Gabriele Adorno recht vorsichtig. Die Stimme, die in den letzten Jahren viriler und kerniger geworden ist, klang zunächst noch etwas belegt. Aber der 35-jährige Tenor aus Malta besann sich schnell einer seiner Stärken – seiner großartigen Technik. Es ist diese ausgezeichnete Technik, die Calleja offensichtlich in jeder Situation abrufen kann. Da hört man kraftvolle Spitzentöne, ein über das Orchester gleitendes Forte, ein sicheres Legato, aber auch zärtlichste Piani und souveräne Diminuendi. Letztere sowieso eine Spezialität des Tenors.  Nach seinem hinreißenden Vortrag der Arie O inferno …. Cielo pietoso schien das bislang etwas anteilnahmslos wirkende Publikum endlich aus seiner Lethargie zu geraten und es gab zum ersten Mal großen Szenenapplaus und einige Bravi.

Freuen darf man sich auf zukünftige Auftritte des Maltesers in Wien. Es gibt diverse Projekte mit der Wiener Staatsoper.

Bleiben wir noch bei den Herren: Zum ersten Mal sang Adam Plachetka den Intriganten Paolo Albiani. Sein harter Bass schmiegte sich nur wenig der Musik Verdi’s an und sein Spiel wirkte reichlich plakativ. Dan Paul Dumitrescu als solider und schönstimmiger Pietro und Jinxu Xiahou als Hauptmann komplettierten die Männerriege.

Tamar Iveri war als Amelia Grimaldi klar der Schwachpunkt der Aufführung. Zunächst noch mit Intonationsproblemen in ihrer Auftrittsarie, fand sie zwar mit Fortdauer des Abends zu einer ruhigeren Stimmführung, doch ihr dunkler, matter und eher herber Sopran schien es ihr unmöglich zu machen, eine Amelia von feiner Lyrik und Zartheit zu gestalten. Alles klang sehr hart, Höhen musste sie sich regelrecht erarbeiten, und diese klangen dann auch forciert und oft auch blechern. Etwas wehmütig musste man an Krassimira Stoyanova denken, die in so vielen Aufführungen dieser Produktion eine mustergültige Amelia gesungen hat.

Der Ordnung halber sei noch erwähnt: Die kleine Rolle von Amelia’s Dienerin sang Juliette Mars.

 Bleibt noch das Dirigat: Alain Altinoglu setzte kaum Akzente. Er betonte die Feinheiten der Musik zu wenig. Stimmungen, die in Verdi’s Partitur zu finden sind, kamen beiläufig und zu unauffällig aus dem Orchestergraben.

 Am Ende des Abends gab es dann viel Jubel und die Sänger wurden nach je zwei Solovorhängen noch ein paar Mal vor den Vorhang geklatscht.

Am stärksten in der Publikumsgunst standen Furlanetto und Calleja, auch Hampson wurde stark beklatscht.

 Wer übrigens nicht das Glück hatte den hier erwähnten konzertanten Boccanegra im Konzerthaus zu hören, kann das nun nachholen. Die DECCA hat den Mitschnitt inzwischen veröffentlicht. Hampson hier sehr gut. Calleja war auch im Konzerthaus ein überragender (weil auch gesunder) Adorno. Nicht zu vergessen, das herrliche, von vielen als Sternstunde gepriesene Dirigat von Massimo Zanetti.

 Lukas Link

 

 

 

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