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WIEN / Staatsoper: SCHWANENSEE

Schwanensee Szene

Schwanensee Szene

 

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Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Staatsoper:
SCHWANENSEE von Peter Iljitsch Tschaikowski
Premiere: 16. März 2014

Schwanensee SzeneZuerst: Tänzer ist offenbar ein gefährlicher Beruf. Da konnte man am Samstag im LiveStream aus München „La Bayadère“ sehen (auch Petipa, auch hinreißend altmodisch), und als sich die Pause noch und noch hinzog, dass die Kameras nicht mehr wussten, aus welchem Winkel sie den Zuschauerraum der Bayerischen Staatsoper noch zeigen sollten, kam dann endlich jemand vor den Vorhang und flüsterte etwas von einer „Verletzung“ – so genau konnte man das im LiveStream nicht hören. Dann gab es nochmals eine längere Pause und schließlich ging die Vorstellung ohne weitere Ankündigung weiter und gut zu Ende.

Und nun, tags darauf, bei der „Schwanensee“-Premiere der Wiener Staatsoper, kommt Direktor Meyer am Ende der zweiten Pause vor den Vorhang und verkündet, Olga Esina habe sich im dritten Akt verletzt, werde aber die Vorstellung zu Ende tanzen. Das tat sie auch bewundernswert, man hatte keine Ahnung, wo und wie sie lädiert war (eine gewisse schmerzliche Leidensmiene gehört ja im vierten Akt zum Rollenprofil der Odette) – Kollegen, die dann zur Premierenfeier gegangen sind, werden vielleicht Details erfahren haben. Aber dass Tänzer zu sein, ein Hochleistungssport ist – das weiß man ohnedies immer. Wenn die Herrschaften es auch, wenn sie sich nicht gerade verletzen, Meister darin sind, die Schwierigkeit vergessen zu machen und alles leicht erscheinen lassen…

Der „Schwanensee“ also – als „echte“ Premiere angekündigt und dabei keinesfalls alles neu, sieht man von einer Ausstattung ab (Luisa Spinatelli), die sich wie es im Pressetext der Staatsoper heißt, von der „pracht- und fantasievollen Traumwelt König Ludwigs II. von Bayern hat inspirieren lassen“. Im Grunde ist auch hier alles wie immer, bei den Bühnenbildern einiges impressionistisch verhuscht, die Kostüme hätten nur bei den Folklore-Einlagen im dritten Akt ein bisschen knalliger, bunter, lebhafter ausfallen können.

Denn das ist ja eines der Geheimnisse des „Schwanensees“, dass die beiden „bunten“ Akte am Hof des Prinzen so grandios zu den „weißen“ Akten am Schwanensee selbst kontrastieren, wo nur der Prinz und Rotbart „Farbflecken“ in das Weiß der Ballettdamen in ihren Tutus geben. Das ist das klassische Ballett, wie es im Buch steht.

Man weiß (hat bei Gastspielen oder auf DVD auch schon manche Beispiele gesehen), dass moderne Choreographen den „Schwanensee“ sehr gebeutelt haben (Mats Ek zum Beispiel oder Fredrik Rydman, dessen „Swan Lake Reloaded“ erst kürzlich im MuseumsQuartier zu sehen war – Rotbart als Zuhälter von Odette und ihren Schwanenkolleginnen, die auf den Strich gehen). In Wien, wo Manuel Legris aus seiner Pariser Zeit eine eigene große „Nurejew“-Vergangenheit hat, hat man die Originalfassung von Marius Petipa revitalisiert. Und zwar so, wie Rudolf Nurejew sie 1964 geradezu legendär für die Wiener Staatsoper geschaffen hat (wo das Werk so bis 2009 am Spielplan stand) – der Chef hat nun für die Neueinstudierung sogar selbst Hand angelegt. Alles alt also, aber auch die Klassik hat ein Recht, als solche erlebt und getanzt zu werden.

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Die ominösen rosa Zettel am Abendplakat bezogen sich nicht auf die Hauptdarsteller, sondern nur auf prinzliche Gefährten und Folklore-Tänzer. Olga Esina, ohne Abstriche auch im vierten Akt (zumindest keine, die man als normaler Ballett-Liebhaber erkennen konnte), differenziert die Zartheit des weißen und die Aggressivität des schwarzen Schwans perfekt, sie ist tatsächlich jedes Mal ein von Grund her anderes Geschöpf in Haltung, Ausstrahlung, Ausdruck – und ihr Pirouetten-Feuerwerk als Odile konnte sich sehen lassen.

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Nicht ganz so überzeugend war Vladimir Shishov als Prinz Siegfried, obwohl er ein besonders überzeugender, bis ins Detail stimmiger Darsteller seiner Rolle ist – in Einsamkeit zu Beginn, leidenschaftlicher Verliebtheit in die „weiße“ Odette, totale Verwirrung durch die „schwarze“ Odile und schließlich dem gewissermaßen selbst gewählten Liebestod. Tänzerisch war er nicht ganz so überzeugend (zumal, wenn man an den jungen Nurejew selbst zurückdenkt) – da „flog“ er bei seinen Sprüngen nicht ausreichend durch die Lüfte, da waren die Drehungen nicht brillant genug, kurz, der Romantiker war nicht auch noch Virtuose, der das Publikum zu Begeisterung trieb.

Solistisch traten noch Eno Peci als Zauberer Rotbart und Dagmar Kronberger mit großem Aplomb als Königin hervor, und das Ensemble konnte durchwegs, was es sollte, selbst in so schwierigen Details wie der Beinarbeit der kleinen Schwäne gab es keinerlei Unsicherheiten. Dennoch hatte man das Gefühl – vielleicht war es auch nur ein individueller Eindruck -, dass die Compagnie um ein Quentchen zu wenig Begeisterung vermitteln konnte. Man klatschte anerkennend, aber nicht hingerissen.

Obwohl Alexander Ingram am Dirigentenpult die Musik losbrettern ließ, dass es manchmal geradezu schmerzlich war (zumal, wenn sich die Trompeten dann mehrfach verbliesen) – Lautstärke und von innen kommende Intensität ist nicht dasselbe.

Dennoch – man konnte sich über die Intensität der Zustimmung nicht beschweren. Legris verbeugte sich wohl für Petipa und Nurejew, es flogen Blumen, sieben Reprisen und eine Fernsehaufzeichnung sind nicht wenig. Nun, es ist ja auch das Ballett der Ballette.

Renate Wagner

 

 

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