WIENER STAATSOPER: Giuseppe Verdi: RIGOLETTO – 14. April 2013
Simon Keenlyside in der Titelrolle. Foto: Wiener Staatsoper/Pöhn
Giuseppe Verdi’s Meisterwerk über den vom Schicksal so geschundenen Rigoletto ist immer ein Renner beim Opernpublikum und so war auch diese Serie an Vorstellungen immer ausverkauft. Zudem lockte die Besetzung mit einem Publikumsliebling in der Titelrolle, einen in Wien selten zu hörenden Tenor und einer jungen Sopranistin, die als neuer Star am Opernhimmel angekündigt wird, und die sich nun endlich auch dem Publikum der Wiener Staatsoper vorstellte.
War der Beginn dieser Rigoletto-Serie noch nicht zufriedenstellend, geriet diese letzte Aufführung zu einem hervorragenden Opernabend, in dem die Künstler auf der Bühne ganz zu Recht begeistern konnten.
Die größte Steigerung seit der ersten Vorstellung erzielte ganz klar Simon Keenlyside in der anspruchsvollen Titelrolle. In der ersten Aufführung sang der Brite noch farb- und kraftlos und sein sonst so nuancenreicher Bariton erklang recht eindimensional. In dieser letzten Aufführung präsentiert er sich in sehr guter Verfassung, die Stimme ist vom ersten Ton an da. Vor allem in den lyrischen Passagen, wie zum Beispiel in den zärtlichen Duetten mit Gilda, kann er mit seinem sinnlichen Timbre und einer ausgezeichneten Pianokultur berühren. Dazu kommt eine ausgezeichnete Legatokultur und ein starker Ausdruck, wie zum Beispiel bei Pari Siamo. An seine Grenzen stößt er in den dramatischeren Stellen in der Partitur. Beim Beginn von Cortigiani, vil razza dannata etwa, fehlt es ihm etwas an Durchschlagskraft. Die ganz große Attacke ist seine Sache nicht, doch der Sänger ist klug und forciert nicht, und mit seiner guten Gesangstechnik meistert er auch diese Hürde.
Noch beeindruckender ist wie sich der Sänger mit Haut und Haar in die Rolle wirft. Wer empfindet nicht größtes Mitleid mit diesem Rigoletto wenn er beim Cortigiani so verloren und verzweifelt auf dem Boden kauert? Keenlyside versieht seinen Rigoletto überhaupt mit einer Vielzahl von darstellerischen Feinheiten, die man nicht alle Tage sieht. Da kommt wieder der intelligente Sängerdarsteller in ihm zum Vorschein. Auf der einen Seite ist dieser Rigoletto ein intriganter und in seiner Körpersprache recht frivoler Hofnarr, doch im starken Kontrast steht dazu seine sensible Seite, die sich in seiner unerschütterlichen Liebe zu seiner Tochter Gilda manifestiert, die der Sänger sehr eindringlich mit kleinen Gesten zu gestalten weiß. Sehr berührend ist beispielsweise, als er bei Monterone’s Auftritt im zweiten Akt seine Tochter gar schnell in die andere Ecke des Raumes drängt und sich schützend neben sie stellt.
Zudem erlebt man wohl selten einen so wendigen Rigoletto. Keenlyside schlägt bei seinem ersten Auftritt gar ein Rad über die Treppen, schwingt sich auch schon mal rasch vom Boden liegend auf, ohne seine Hände zu benutzen und ist trotz seines steifen Beines auch beim Tanzen ein sehr beweglicher Mann. Dass dieser Narr die Edelleute am Hof des Herzogs gut unterhalten kann glaubt man gerne.
Dass der als „sexiest barihunk alive“ bezeichnete Keenlyside als Rigoletto seine äußerliche Erscheinung etwas herunterspielen muß liegt natürlich an der Rolle, und trotzdem macht der Sänger auch in dem witzigen Narrenkostüm eine gute Figur, und die graumelierte schulterlange Perücke steht ihm ausgezeichnet. Simon Keenlyside ist übrigens auch beim Schlußapplaus noch ganz in seiner Rolle, denn er humpelt auch dann noch vor den Vorhang.
Mit der Gilda stellte sich die junge Russin Olga Peretyatko dem Wiener Staatsopernpublikum vor und dieses Debüt ist ganz eindeutig gelungen. Auch sie hatte in der ersten Vorstellung noch einige Schwierigkeiten, aber das überpräsente Vibrato ist zum Glück in der letzten Vorstellung wieder verschwunden. Peretyatko’s Koloratursopran kennt keinerlei Höhenprobleme, bei Caro Nome sitzt nun wirklich jeder Ton. Ihr Sopran ist immer leuchtend und glasklar. Dazu kann sie nach Belieben Töne an- und abschwellen lassen. Von größter Intensität ist ihr Vortrag in den Duetten mit ihrem Vater, von betörender Lyrik ihr Tutte le feste al tempio. Den lange zu haltenden Ton bei V’ho ingannato hält sie wirklich unglaublich lang und dabei sehr sicher, wie sie generell eine gute Technik besitzt. Vom Typ her ist Peretyatko eine ideale Gilda. Sie ist bildhübsch, und es ist nur zu verständlich, dass Rigoletto diesen seinen Schatz vor der Außenwelt und deren Gefahren verschließen will. Ihre Chemie mit Keenlyside ist ausgezeichnet und die beiden Sänger vermitteln sehr glaubhaft eine starke Vater-Tochter-Liebe.
Mit Matthew Polenzani steht ein stimmlich sehr viriler Herzog auf der Bühne. Das Timbre mag man als wenig aufregend bezeichnen, doch sicher ist, dass der US-Amerikaner seinen Tenor in jeder Lage gut zu führen weiß, und auch die höchsten Töne seiner Partie sitzen bombenfest. Er verfügt über ein gutes Piano und weiß auch Diminuendi gut zu singen. Rein stimmtechnisch gibt es nichts auszusetzen, doch nicht nur bei La donna è mobile oder im großen Duett mit Gilda wünscht man sich doch etwas mehr Differenzierung und Feinheiten im Vortrag. Dass man die Partie mit viel mehr Ausdruck und Raffinesse singen kann hat zuletzt Joseph Calleja so eindrucksvoll in München bewiesen.
Genau diese Raffinesse fehlt auch in Polenzani’s Darstellung. Gar zu protzig und angeberisch kommt dieser Duca rüber, und dass er sich ernsthaft verliebt hat, wie er das ja in seiner großen Arie im zweiten Akt so schön besingt, kann man gar nicht so recht glauben. Polenzani’s Duca scheint in erster Linie in sich selbst am meisten verliebt zu sein.
Kurt Rydl sang den Sparafucile bereits 1977 in Wien und nach einer langen Karriere ist er mit seinem mächtigen Bass an einem guten Tag nach wie vor ein guter Vertreter dieser Rolle. So einen guten Tag hat er dieses Mal. Sein Bass klingt an diesem Abend vielleicht nicht ganz so bedrohlich, macht aber dennoch mächtigen Eindruck und kommt in den Szenen mit Rigoletto besonders gut zur Geltung, da sein Bass ein starker Kontrast zum eher hellen Bariton von Keenlyside ist.
Elena Maximova ist eine optisch sehr aufreizende Maddalena und zeigt nur zu gerne Bein. Kein Wunder, dass der libidinöse Herzog gar so schnell Feuer und Flamme für sie ist. An und für sich verfügt die Sängerin über einen reizvollen, eher hell timbrierten Mezzosopran, der auch über recht satte Tiefen verfügt, aber viel Gelegenheit zum Brillieren bietet die Rolle ja nicht. Den Fluch des Monterone kann Sorin Coliban mit dunklem und mächtigem Bass verströmen. Dieser Sänger prädestiniert sich eigentlich jetzt schon als ein zukünftiger Sparafucile.
Jesus Lopez-Cobos dirigiert das Orchester der Wiener Staatsoper eher solide und setzte vor allem in der Gewittermusik auf Lautstärke.
Das Publikum kam jedenfalls in den Genuss einer sehr guten Rigoletto-Aufführung und spendete rund zehn Minuten Applaus, wobei sie die Künstler mehrfach vor den Vorhang klatschten. Den Löwenanteil der Bravo-Rufe erhielten ganz zu Recht Keenlyside und Peretyatko.
Beim Verweilen und Small-Talken am Bühneneingang konnte ich sehen, dass sich diesmal eine ganz besonders große Menschenschar angesammelt hat, um sich von den drei Hauptrollensängern Autogramme zu beschaffen. Als ich nach einer Viertelstunde den Ort verließ, war Herr Keenlyside als einziger immer noch fleißig am Schreiben und immer noch von Dutzenden Fans umringt. Ich hoffe, er steht nicht immer noch dort und schreibt …..
Lukas Link