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WIEN/ Staatsoper: PARSIFAL – dritte und letzte Vorstellung

13.04.2012 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER: PARSIFAL am 12. April 2012

Parsifal, ein „Bühnenweihfestspiel“ – diese Bezeichnung sagt schon, dass es sich hier nicht um eine gewöhnliche Oper handelt.

Im Parsifal zeigt uns Richard Wagner seine persönliche religiöse Ausrichtung, die Werte und Themen, die ihm wichtig waren: die Liebe zu Mensch und Tier, das Mitleid, die Erlösungssehnsucht, Kunst als Religion … – all das dargestellt in einem Umfeld, das durch das Christentum, den Buddhismus und die europäische Sagenwelt geprägt ist. Wie wichtig ihm diese Darstellung war, erkennt man an der Nachdrücklichkeit, mit der er dieses Werk der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Seine lebenslange Suche nach den Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens wurde dank seines Genies, seiner Belesenheit und seines „handwerklichen Könnens“ zu einem einzigartigen Werk geformt, das für die exclusive Aufführung in Bayreuth vorgesehen war. Vielleicht hat er geahnt, was spätere Generationen von Regisseuren und -innen zwecks psychiatrischer Selbsttherapie und Selbstdarstellungswahn mit seinem Meisterwerk anstellen werden.

Damit sind wir bei der aktuellen Inszenierung der Wiener Staatsoper von Christine Mielitz angelangt. Sie missinterpretiert den Parsifal in der Form, dass sie alle christlichen Symbole negiert, die Religion, die männerbündischen Ritterorden diffamiert, lächerlich macht und ihre feministischen, sozialromantischen Neurosen im Ex-DDR-Stil auslebt. Schade um ihre unbestrittenen Fähigkeiten; viele Regieeinfälle sind großartig und berührend – man denke an den Auftritt von Thomas Quasthoff als Amfortas im 3.Akt der Premierenserie zurück – das war und ist auch noch heute mit Falk Struckmann grosses Theater. Andererseits zerstören absolut sinnfreie Szenen (Kinderopfer, König Ludwig, Fechtszenen uvm ) die Stimmung und erzeugen – je nach Temperament und Informiertheit – Ärger bis Verständnislosigkeit. Die Forderung nach einer Neuinszenierung ist sicher berechtigt, sollte aber sehr vorsichtig angegangen werden. Ein Amfortas als Papst und Kundry als Bischöfin in einer auf katholisch getrimmten Sichtweise (Kaiserslautern) sind genauso unsinnig und werden dem Geist des Werkes in keiner Weise gerecht. Wagner selbst hat in seiner musiktheoretischen Schrift: „Oper und Drama“ betont, wie entscheidend beim Parsifal der Grundsatz „Szenisch und mit allen Mitteln der Musik, als musikalisches Drama“ ist. Nur so kann die gesamte Wirkung dieses einzigartigen Werkes zum Ausdruck gebracht werden. Ein Regisseur mit den handwerklichen Fähigkeiten einer Christine Mielitz und der Sachkenntnis und dem Respekt vor dem Kunstwerk wie August Everding wird bestimmt nicht leicht zu finden sein.

Zum Glück sind mit der Beschreibung der Inszenierung alle Ärgernisse dieser Serie abgehandelt – die musikalische Umsetzung kann ohne Übertreibung als aussergewöhnlich bezeichnet werden.

 Kwangchul Youn benötigte die erste Vorstellung, um in der Rolle des Gurnemanz anzukommen; ab der zweiten Aufführung hörten wir einen klangschönen, wortdeutlichen Bass, der auch in den Höhen ohne Einschränkungen zur Verfügung stand. Dass die körperliche Erscheinung nicht mit einem Matti Salminen oder anderen hünenhaften Rollenvorgängern mithalten kann, ist bei dieser Leistung leicht verschmerzbar.

 Ein Falk Struckmann im Vollbesitz seiner stimmlichen Kräfte ist als Amfortas ein Naturereignis – er ist ein Glücksfall als Sänger und als Schauspieler.

 Auch Simon O’Neill hatte am Gründonnerstag noch gesangliche Probleme, wurde mit jeder Vorstellung sicherer und war eine Woche später ein guter Parsifal – seine helle Stimmfärbung und seinen Charaktertenor kann man mögen, muss man aber nicht. Seine darstellerischen Defizite sind aber keine Geschmackssache – er könnte sogar noch bei Johan Botha  Schauspielunterricht nehmen.

 Ein anderes Kaliber ist da Wolfgang Bankl als Klingsor. Da sitzt jeder Ton, jede Geste – ein dämonischer, böser Verlierer in perfekter Darstellung – wir wollen uns gar keinen anderen Klingsor vorstellen.

 Angela Denoke präsentiert uns eine Kundry der Extraklasse – stimmlich noch sicherer und dominanter als in der Premierenserie mit – ab der zweiten Vorstellung – guter Einteilung der Kräfte in dieser mörderischen Partie.

 Die kleinen Rollen waren ausreichend bis gut besetzt; die Blumenmädchen überzeugten – wie immer – dank einer luxuriösen Besetzung aus dem hervorragenden Ensemble.

 DAS Erlebnis dieser Serie fand allerdings wieder einmal im Orchestergraben statt. Christian Thielemann gestaltete mit dem bestens disponierten Staatsoperorchester feinfühlig bis kräftig zupackend – immer konzentriert und leidenschaftlich. Eine großartige Interpretation – ganz in der Qualität des „Herbst-Ringes“. Trotzdem sollte man die Euphorie nicht zu weit treiben – wir hörten in den letzten Jahren durchaus vergleichbare Wagner – Interpretationen von Peter Schneider, Franz Welser-Möst, Leif Segerstam…

 Nicht zu vergessen der hervorragende Chor, der neben der gewohnt guten, gesanglichen Leistung auch in einer stimmigen Personenführung großen Anteil am Fortgang der Geschichte hatte.

 Nun, nachdem das Finale zum dritten Mal verklungen ist, bleiben wir in einer zwiespältigen Stimmung zurück: Einerseits das schale Gefühl, dass es jetzt wieder ein ganzes Jahr bis zum nächsten Parsifal dauern wird, andererseits die Vorfreude, dass die Besetzung für 2013 mit Welser-Möst, Evelyn Herlitzius und Jonas Kaufmann ein zumindest genauso beeindruckendes Erlebnis erwarten lässt.

Maria und Johann Jahnas      

 

 

 

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