WIENER STAATSOPER: PARSIFAL , Ostersonntag, 16.4.2017
Jochen Schmeckenbecher (Klingsor). Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Vorweg, es war der zweite Besuch der nunmehrigen Parsifal Produktion. Und es wurde nicht viel besser. Die an und für sich nachvollziehbare Idee, eine verknöcherte, dahinsiechende Rittergesellschaft, die auf das Öffnen des Grals wartet wie der Junkie auf den nächsten Schuss, in das Otto Wagner Spital verlegen zu lassen, wird durch vollkommen überflüssige und unausgegorene Regieideen karikiert. Noch erträglich Kundry im Gitterbett, kaum erträglich die 100% unerotischen Blumenmädchen als Zombies, nicht erträglich Parsifal als C3PO Karikatur aus Starwars, nur mehr lachhaft die sogenannten Gralsritter mit Asterix Helmen. Wie sagte meine Sitznachbarin während der Generalprobe: das ist eine Verhöhnung. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Nun zur Musik:
Der Meister der philharmonischen Kapelle, Semyon Bychkov, vermag mich auch diesmal nicht zu überzeugen. Dort wo ihm Wagner eine Steilvorlage gibt (Ende des 1. Aufzugs, Klingsors und Kundrys Gefühlsausbrüche im 2. Aufzug, Schluss 3. Aufzug) ist das Ganze im Fluss, ist die nötige Spannung da, stimmt das Tempo (obwohl auch da am unteren Rand des Möglichen). Ansonsten: Spannungslos, lasch um nicht fad zu sagen, ein routiniert aufspielendes und wohlklingendes Orchester, aber es geht vom Dirigat nichts Inspirierendes aus, die Spannung fehlt, das Stück wird von Semyon Bychkov nicht vorangetrieben, nicht entwickelt, sondern abgespielt. Schade, das hat man in den letzten Jahren im Haus am Ring schon besser gehört.
Zu den SängerInnen:
Allen voran Nina Stemme: ich gestehe, ich war in Sachen Wagner und Strauss schon immer ein Fan von ihr. Wie sie das „lacht“ im zweiten Akt herausstößt, wie kein einziger Ton angeschliffen wird, wie alles sitzt und passt, ihre Wärme in den tiefen Lagen und kein Bruch in der Stimme bis hin zu den Spitzentönen, ganz zu schweigen vom Volumen ihrer Stimme, das, ist zu befürchten, wird auch auf längere Zeit die Ausnahme von der Regel bleiben. Für mich fulminant.
Kwangchul Youn legt den Gurnemanz noch lyrischer an als Rene Pape in der Generalprobe, für die er zugebenermaßen kaum Probenzeit vorfand. Die Idee der Inszenierung, der mitfühlende Dr. Med. zu sein, setzt er damit brilliant um. Dunkel fließend mit warmen Timbre sein Bass, den er routiniert auf dem Marathon durch den Parsifal einsetzt. Gewiss, gegen die Orchestermassen ist er in unteren Lagen machtlos, da zollt er seinem Alter Tribut, aber alles in allem ein formidable Leistung. Umjubelt.
Gerald Finley ist mehr ein leidender als ein mit sich selbst kämpfender Amfortas. Er fleht mehr um das Ende als der er mit dem Schicksal hadert und zaudert. Ohne Fehl und Tadel sein eher heller als dunkler Bassbariton, darstellerisch sehr gut, wenn auch von der Regie mit Bett raus-Bett rein überbedacht.
Christopher Ventris als Parsifal vermag mich nicht gänzlich zu überzeugen. Es singt alles richtig und wirkt niemals müde und dennoch kommt bei mir keine Begeisterung auf. Zu gefärbt seine Aussprache, mir zu dünn bzw. zu scharf sein Tenor, und auch stimmlich kann er die Entwicklung der Figur nicht nachzeichnen. Zugegeben, das ist Jammern auch hohem Niveau.
Von der Seite machtvoll dunkel und mit großem Bass Jongmin Park.
Bleibt Jochen Schmeckenbecher als Mengele vulgo Klingsor vom Otto-Wagner Spital: Gemein, hinterhältig, fast zu schön die Stimme, darstellerisch großartig.
Herausragend die Herren des der Wiener Staatsopern Chores. Präzise, homogen, klangschön und facettenreich, farbstark. Bitte immer so.
Michael Walk
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