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WIEN/ Staatsoper: MANON

25.09.2014 | KRITIKEN, Oper

MANON – Wiener Staatsoper, 24.9.2014

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Jean Francois Borras und Patricia Petibon. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn

 Diese Aufführung war die auf hohem Niveau bestbesetzte und ausgeglichenste, die ich an der Staatsoper in langer Zeit gehört und gesehen habe. Dies war allerdings nur dem Umstand zu verdanken, dass der für die Rolle des Chevalier Des Grieux ursprünglich vorgesehene Sänger erkrankte und kurzfristig ein Ersatz einspringen musste. Jean-Francois Borras erwies sich als ausgesprochener Glücksfall – er war meiner Meinung nach der beste Chevalier, den man in der Produktion von Andrei Serban bis dato sehen konnte. Borras ist ein lyrischer Tenor, der auch auf Grund seiner Ausbildung die perfekte Technik für das französische Repertoire beherrscht. Er ist höhensicher und beeindruckte besonders in den lyrischen Passagen. Seine Traumerzählung gehört mit zum Schönsten, was ich in diesem Genre erleben durfte. Er ist natürlich kein Beau a la Kaufmann oder Alagna, aber da es in der Oper auch heutzutage noch immer mehr auf die Stimme ankommen sollte, ist Borras als absoluter Gewinn zu betrachten. Ich kann ihn mir sehr gut als Werther oder Rodolfo vorstellen, beides Rollen, die ihn an die Metropolitan Opera bringen werden. Es bleibt zu hoffen, dass er sehr bald wieder – und dieses Mal nicht nur als Einspringer – in Wien auftreten wird.

 Um bei Superlativen zu bleiben – Patricia Petibon gab ein absolut überzeugendes Porträt der Manon. Sie hat nicht die größte Stimme, aber die ist ja in dieser Oper nicht von Nöten. „Adieu notre petite table“ sang sie derartig innig, dass es einem die Tränen in die Augen trieb. Überhaupt kann diese fragile Sängerin, in der aber so viel Kraft und Ausdruck steckt, den von ihr dargestellten  Personen immer Leben einhauchen und derart vollkommen überzeugende Rollenporträts bieten. Oft genügt bei ihr schon ein Augenaufschlag, um eine ganze Geschichte zu erzählen. Durch die Tatsache, dass ich dieses Mal von der Proszeniumsloge aus nah am Geschehen war, konnte ich all die subtilen Gesten viel mehr genießen. Petibons Stärke lag vor allem in den stillen Szenen – im letzten Bild, in der sie total abgeschminkt agierte, brach sie jedem das Herz. Und immer schien die unsichere, verletztliche Seele des jungen Mädchens, auf das Gold und Geschmeide so viel Eindruck machen, durch. Packend gespielt, mit perfekter Technik gesungen – was will man mehr? Oh ja, man will mehr – mehr Sehen und Hören und zwar von Petibon!!!

 Dass ein Superstar alleine nicht genügt um eine durchgängig befriedigende Vorstellung zu garantieren, beweist die aktuelle L’Elisir-Serie. An diesem Tag brillierten nicht nur die beiden Hauptdarsteller, sondern auch die Sänger, die die mittleren Rollen besetzten. Ausgesprochen erfreulich präsentierte sich Markus Eiche, der im Vergleich zu seinen letzten Einsätzen als Lescaut an Stimmvolumen gewonnen hat und sehr wortdeutlich sang.

 In diesem Zusammenhang sollten auch besonders lobend die darstellerischen Leistungen aller Akteure und Aktricen erwähnt werden. Es ist die Leistung der aktuellen Direktion, dass die Repertoirevorstellungen bei weitem besser einstudiert werden als es früher war.

Clemens Unterreiner wird immer besser. Es ist eine Freude, seine Entwicklung mit ansehen zu können. Ihm liegt die Rolle des Brétigny besonders gut, seine Stimme ist voller geworden – ein Beweis, wie intelligent Unterreiner seine Karriere plant. Große Rollen probiert er an kleinen und mittleren Häusern (mit sehr großem Erfolg) aus und ich bin sicher, dass man ihn in seinem Stammhaus auch bald in Hauptrollen erleben wird! Was auch im Vergleich mit früheren Vorstellungen auffiel ist, dass er sich schauspielerisch ein klein wenig zurücknimmt. Er hat ja eine große Bühnenpräsenz erworben, daher kann er sich das auch leisten und kommt dadurch noch glaubwürdiger rüber.

Der Graf Des Grieux ist eine der Paraderollen von Dan Paul Dumitrescu. Er gab zu vollster Zufriedenheit den würdevollen Vater, der seinen vom geplanten Lebensweg abgekommenen Sohn wieder zurückholen möchte. Thomas Ebenstein hat eine interessante Stimme mit viel Durchschlagskraft – sein französisch klang aber etwas hart und es wäre für ihn besser, wenn er mit einem Sprachcoach ein wenig arbeiten würde.

Ein Lob auch an die Darstellerinnen von Javotte, Rosette und Poussette, Stepanie Houtzeel, Juliette Mars und Hila Fahima. Es war meine erste Begegnung mit der Letztgenannten und es wird interessant sein, ihre Entwicklung zu verfolgen.

 Für den französischen Touch sorgte aus dem Orchestergraben das Staatsopernorchester unter der Leitung von Frédéric Chaslin, Thomas Lang hatte den Staatsopernchor wieder perfekt vorbereitet.

Abschließend noch ein paar Bemerkungen zur Stehplatzdebatte – die Vorstellung war am Stehplatz schlecht besucht, sehr viele freie Plätze auf der Galerie. Im Parterre leerte sich der Stehplatz um ein Drittel bereits nach dem ersten Bild (viele Touristen warteten nicht einmal die erste Pause ab)…

 Wie gesagt, es war ein durch und durch hervorragender Abend – und wenn man bedenkt, wie oft mediokre Leistungen mit Jubel belohnt werden, wurde der Schlussapplaus den gezeigten Leistungen absolut nicht gerecht.

 Kurt Vlach

 

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