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WIEN/ Staatsoper/ Mahler-Saal: ENSEMBLE-MATINÉE Nr.5: Maria NAZAROVA und MANUEL WALSER

09.04.2018 | Konzert/Liederabende

WIENER STAATSOPER/Gustav Mahler-Saal- ENSEMBLE-MATINÉE Nr.5:  Maria NAZAROVA und MANUEL WALSER am 8.4.2018

Wohl selten ist ein Konzert mitreißendes Theater – so wie mit diesen beiden jungen  Sanges- und Bühnentalenten. Wir bekamen diesmal kein einziges Lied zu hören, sondern exklusiv Opernszenen bzw. Arien, die zu Opernszenen wurden – ganz legitim. Er im Tagesanzug, sie in einem bunten langen Kleid, das so herrlich ausschwingen konnte, wenn die Trägerin es wollte, sowie sie auch ihre langen, offenen Haare mitspielen ließ.

Bella siccome un angelo“ schwärmte der Schweizer Bariton als erstes dem imaginären Don Pasquale vor, ließ uns aber verstehen, dass dies seinerseits gekonntes Theater ist, um seine – ach so fromme – „Schwester“ zum Schein dem Alten anzudrehen. Da blieb Walsers angenehme Stimme noch etwas undefinierbar – deutsches Fach? Italienisches? Als Norina war Maria Nazarova sogleich die „Richtige“ – charmant, verschmitzt, beweglich – geistig und körperlich, und sofort für eine Komödie zu gebrauchen – „Son anch’io la virtù“ – oder was?  Ihre Auftrittsszene mit dem Brief in der Hand, den ihr der alte Freier geschickt hat, offenbart die stimmlichen und optischen Reize mit allen gefühlvollen und liebenswert-spöttischen Nuancen dieser reizenden ukrainisch-russischen Sopranistin. Ihre Lacher über den alten Tölpel sind nicht eingelernt, sondern zeigen ihre Souveränität im Erkennen der wahren Situation (dass ihr geliebter Tenor Ernesto, Don Pasquales Neffe, umso eher ihr gehört, als es ihr gelingt, den Oheim auszubooten.) Dottore Malatestas Vorschlag, die „semplicetta“ (Einfältige) zu spielen, überzeugt sie sofort – mit viel Amusement und während des quicken Parlando-Singens mit Malatesta setzt sie das probeweise gleich in die Tat um, mimisch und gesanglich. In dieser Szene aus dem 1. Akt ist schon der ganze Donizetti-Buffa-Spaß enthalten, der dem jungen Dottore auch als Spielbariton das beste Zeugnis ausstellt. Ich denke an Lortzing, an Rossini, aber auch an Mozart…

Kein Grund, sich nicht gleich danach auf den Ernst des Lebens umzustellen. Manuel Walser als Eugen Onegin – elegisch, dünkler in der Stimmfarbe. Zurück zur Komik: Maria Nazarova als nächtliche Anruferin der „Ninfe! Elfi“ Silfi“ aus „Falstaff“ – eine NanNetta zum Anbeißen. Der Anruf der Nacht wurde gehört: Manuel Walser wird zum Wolfram: „Wie Todesahnung, Dämmrung deckt die Lande“ und ich sehe mich sofort in der Pause einer „Tannhäuser“-Aufführung auf der Terrasse der Wartburg stehen und über dem nordwestlichen Thüringerwald die Sonne untergehen. Der besungene  Wagnersche „Abendstern“ ist soooo schön, dass ich ihn lieber morgen als übermorgen mit Orchesterbegleitung auf der Opernbühne erleben möchte. Ganz echt, ganz verinnerlicht hören sich die Gefühle des Minnesängers an, der sich seiner geliebten Elisabeth nur singend nähern kann – mit schwärmerisch-edlem Gesang.

Eine verflixte Komödie, die dem Conte Almaviva kräftig zusetzt, obwohl er sich  der starke Verfolger dünkt: die Szene Susanna-Conte aus dem 3.Akt „Figaro“ – Mozart pur. Wie sie den Zuhälter – immerhin vor ihrer Hochzeit mit Figaro – hinhält mir ihren spontanen „si“ und „no“ und wie die beiden halb scherzhaft ihr gegenseitiges  „Verrai?“ und „Verro!“ einander zuspielen – köstlich und – wie schön und betörend gesungen! Aber dann, nachdem der Pianist Susanna „Hai gia vinta la causa!“ zugeflüstert hat, explodiert Conte Walser im besten Mozart-Stil: „Vedrò mentr’io sospiro“, worin er seine Wut über diese Intriganten mit dramatischen Bassbaritontönen auslebt. Und, um mit da Pontes Vokabular zu spielen: „Noi giubilar fará!“, wenn Walser das einmal auf der Staatsopernbühne singen wird… Der vortreffliche US-amerikanische Pianist und Orchesterleiter Eric Melear könnte das vielleicht auch dirigeren…

Danach zeigt Maria Nazarova schnell noch, dass sie auch Lyrisches beherrscht: Die elegische Arie der dem Regiment entrissenen Regimentstochter, „C’en est donc fait“ klingt gemütvoll, verspricht aber gerade deshalb Gutes für ihre Zukunft – der hübsche Tiroler-Bua wartet ja auf die aparte Französin.

Bombig zum – offiziellen – Schluss: Der  zuerst noch scherzende Papageno  über die  ihm entrissene „Papagena, Herzenstäubchen“ bekommt einen Wut- und Verzweiflungsanfall, dass er sich augenblicklich das Leben nehmen will. So temperamentvoll und selbstvergessen habe ich das noch nie gespielt und gesungen erlebt. Der Vogelmensch verliert gleichsam seinen Verstand, will sich aufhängen – total verrückt. Was für eine Option für die Wiener Staats- oder auch Volksoper, wie es sich halt gerade ergibt. Das Wiederfindungsduett mit den erwünschten vielen kleinen Kinderlein versteht sich von selbst, aber so eindrücklich betont habe ich sein fast üerhebliches „Papageno!“, d.h. ihm sind die zu erwartenden Söhne wichtiger als die Töchterlein – auch noch nicht gehört. Eine vielschichtige Figur ist jedenfalls zu erwarten, wenn uns der junge Schweizer, der als vortrefflicher Liedsänger ein zweites Leben lebt, einmal (oder öfter…) mit dem recht wienerisch-eigenwilligen Vogelfänger-Porträt beglückt.

Zuletzt als Draufgabe Don Giovanni und Zerlina: „La ci darem la mano“ – wie anders als verführerisch und verführbar? Und entsprechend belcantesk.

Das um 11 Uhr begonnene Opernkonzert endete genau zur Mittagsstunde. Ein besseres Mahl als hier künstlerisch geboten lässt sich kaum denken. 

Sieglinde Pfabigan

 

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