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WIEN / Staatsoper: L’ITALIANA IN ALGERI

01.04.2017 | Allgemein, KRITIKEN, Oper

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Rafael Fingerlos, Margarita Gritskova (Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn)

WIEN / Staatsoper:
L’ITALIANA IN ALGERI von Gioachino Rossini
91.
Aufführung in dieser Inszenierung
1.
April 2017

Dass eine Aufführung von Rossinis „L’italiana in Algeri“ an einem Samstagabend die Wiener Staatsoper nicht füllt – nicht nur Balkon- und Galerie-Stehplatz waren mehr als locker besetzt, es gab auch Lücken bei den Sitzplätzen -, darüber muss sich die Direktion den Kopf zerbrechen. Dass das Publikum am Ende glücklich schien und heftig, aber sehr kurz applaudierte, scheint dann zu bestätigen, dass es auch ohne übertriebenen Aufwand „geht“.

Man hatte mit Ausnahme des Tenors „hauseigen“ besetzt. So kam Margarita Gritskova nun zur Rolle der Isabella. Unter den Schönheiten, mit denen die Direktion das Publikum beglückt, steht sie in der allerersten Reihe, was in einem optischen Zeitalter wie dem unseren nicht ohne Bedeutung ist. Die Augenweide übertrifft allerdings die Ohrenweide, und um die selbstverständliche Virtuosität Rossinis, zumal die gnadenlose Exaktheit des Singens zu erreichen, bedarf es zweifellos noch einer Menge Arbeit.

Adam Plachetka, im Grunde ein Masetto, ein Figaro, singt in der Staatsoper viele Rollen, die (noch nicht) sein Fach sind, und der Mustafà zählt dazu. Möglicherweise outriert er darstellerisch so gnadenlos, weil er es selbst spürt: Dieser Bay von Algier wäre viel komischer, wenn er sich selbst ernst nähme und sich aus Überforderung durch die Situation lächerlich machte, statt von Anfang bis zum Ende einen Clown zu spielen. Die immer grob klingende Stimme, noch immer vor allem grob geführt, bedürfte einer gewaltigen Dosis Geschmeidigkeit, um in die Schuhe der Rolle zu passen.

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Maxim Mironov / Adam Plachetka

Maxim Mironov ist ein echter Rossini-Tenor, die Stimme so hell, glatt, „weiß“, wie es das Genre verlangt und Juan Diego Florez es allen seinen Nachfolgern als Latte hoch gelegt hat. Mironov singt sauber, strebt manchmal sogar etwas wie Schmelz an, muss aber noch an den triumphierenden finalen Spitzentönen arbeiten – auf die kommt in dieser unserer Opernwelt so viel an.

Hila Fahima setzt ihren hohen Zwitschersopran mit spitzer Akkuratesse ein, um ganz erfolgreich zu beweisen, dass die verstoßene Gattin nicht ganz so eine Wurzenrolle ist, wie man glaubt. Für die Zulma der Rachel Frenkel ist dem Komponisten rein gar nichts eingefallen, für den Haly – der spielfreudige Rafael Fingerlos – auch nur ein bisschen.

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Paolo Rumetz, Rafael Fingerlos

Bleibt Paolo Rumetz mit dem Heimvorteil, der einziger Italiener im Ensemble zu sein, der folglich aus angeborenem Instinkt weiß, wie Rossini geht – gesanglich und auch als Darsteller, der seine natürliche Komik dosiert einsetzt und solcherart als verliebter „Onkel“ Taddeo eine reine Freude ist.

Evelino Pidò brauchte lange, um sich und das Orchester in Schwung zu bringen. Die Ouvertüre, wo weder Rossinis Raffinesse noch seine Transparenz zum Tragen kamen, ließ Schlimmes befürchten, und über weite Strecken fehlte dem Abend die nötige Elastizität, die diesen Komponisten ausmacht wie keinen anderen sonst. Immerhin schien die Komik des Geschehens, die sich im zweiten Akt immer weiter steigert, dann alle Interpreten so „anzuzünden“, dass am Ende Solisten und Orchester sich furios in atmendem, stürmischem Zusammenklang fanden. So, wie es sein soll.

Letztendlich ist es die mittlerweile 30 Jahre alte (!) Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle, die jede Aufführung der „Italienerin“ zum Sieg führt. Bis ins Detail durchdacht, bis in Detail komisch und herrlich geschmackssicher, dem Juwel einer Buffa den idealen Rahmen gebend – wer könnte als Publikum hier schon widerstehen, auch wenn musikalisch hie und da Wünsche offen bleiben? Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, an dieser Inszenierung je zu rütteln… hundert Jahre soll sie werden!

Renate Wagner

 

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