Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIEN/ Staatsoper: LE NOZZE DI FIGARO

19.10.2018 | Oper


Golda Schultz. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Wien: Staatsoper: „LE NOZZE DI FIGARO“–18.10.2018:

Es ist immer wieder erstaunlich, welch unterschiedliche Wirkung dieselbe Oper in verschiedenen Inszenierungen auf die Zuschauer haben kann. An der Bayerischen Staatsoper in München hatte vor einem Jahr Christof Loys optisch helle, kühle Inszenierung von „Le nozze di Figaro“ Premiere, die hauptsächlich vom Furor der handelnden Personen geprägt ist, von ihren Leidenschaften, ihrem Frust und ihren tiefgreifenden Konflikten untereinander. Davor war man in München an die beinahe 20 Jahre laufende, geistreiche, schwungvolle und von pointierter Personenregie geprägte Inszenierung von Dieter Dorn in der ebenfalls hellen, luftigen Ausstattung von Jürgen Rose gewöhnt gewesen. Mit diesen Bildern im Kopf bedeutete der Wechsel zur gediegenen, meist dunkel ausgeleuchteten, eher ruhig dahin fließenden Wiener Produktion von Jean-Louis Martinoty mit dem von der niederländischen Stillebenmalerei des 17. Jahrhunderts inspirierten Bühnenbild von Hans Schavernoch eine ziemlich große Umstellung. Einerseits war es angenehm, als Zuschauer nicht dauernd in Aufregung versetzt zu werden, andererseits vermisste man doch die ein oder andere Pointe und auch eine stringente Personenregie. Dennoch bietet die Produktion den Sängern Raum für eigene, aussagekräftige Interpretationen, was der Großteil der Protagonisten der Vorstellung am 18.10. auch nutzte.

Golda Schultz, dem Münchner Opernfan bestens bekannt aus ihrer Zeit im dortigen Opernstudio und im Ensemble der Bayerischen Staatsoper, zeigte die Contessa di Almaviva als junge, vornehme Frau mit warmherziger und natürlicher Ausstrahlung. Sie ist zwar von der Untreue ihres Gatten enttäuscht, ihr Selbstbewusstsein und ihren Charme hat sie sich jedoch bewahrt und kann genau damit sowie mit ihrer Aufrichtigkeit und Integrität den Grafen am Ende zurückgewinnen. Ihre Arien sang Golda Schultz mit ihrem klangschönen, mühelos in allen Lagen ansprechenden Sopran gefühlvoll, aber nicht larmoyant und berührte so die Herzen der Zuschauer. Erwin Schrotts Conte die Almaviva war ein typischer Aristokrat der Entstehungszeit des Werks: Hochelegant, gut aussehend, charmant und mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein ist er auf seinem Schloss der unumschränkte Herrscher. Er fühlt sich seinenUntergebenen so meilenweit überlegen, dass deren Intrigen ihn eher amüsieren als ernsthaft ärgern. Oberflächliche Techtelmechtel mit hübschen Bediensteten sind für ihn übliche und erlaubte Mittel der Zerstreuung, nicht allerdings für andere. Er kommt gar nicht auf die Idee, dass dies seine eigentlich geliebte Gattin verletzen und somit die Harmonie der seiner Meinung nach glücklichen Ehe mit ihr stören könnte. Erst am Ende sieht er ein, dass er an diesem tollen Tag zu weit gegangen ist und bittet die Contessa aufrichtig bereuend um Verzeihung. Der Schlüsselmoment der Oper, das „Contessa perdono“ gelang ihm so berührend und wahrhaftig wie man es selten erlebt. Seinen Gesang stellte er stets in den Dienst der Interpretation und begeisterte das Publikum vor allem in der großen Arie des Conte mit seinem wohlklingenden, elegant geführten Bassbariton. Eine großartige Interpretation, fernab von jedem stereotypen Macho-Gehabe, sowohl schauspielerisch als auch musikalisch!Neben Erwin Schrott hatte es Riccardo Fassi als Figaro nicht ganz leicht zu zeigen, dass er eigentlich die Titelfigur darstellte. Er überzeugte vor allem gesanglich mit seiner kräftigen, klaren und beweglichen Stimme, mit der er seine Partie mühelos gestaltete. Schauspielerisch hätte er seinen Bühnencharakter mit etwas mehr individueller Persönlichkeit ausstatten können, dennoch konnte er das Publikum mit seiner sympathischen Ausstrahlung und seinem agilen Spiel für sich einnehmen. Chen Reiss war bis zum dritten Akt eine zwar gute, wenn auch etwas unauffällige Susanne. Die Rosenarie sang sie dann allerdings so innig und berührend, mit so schöner, klarer und im besten Sinne einfachen Linie, dass sie das Publikum damit völlig in ihren Bann zog. SvetlinaStoyanova gefiel als Cherubino mit ihrem vor allem in der Mittellage klangvollen Mezzosopran und mit ihrem frischen und charmanten Spiel. Ulrike Hezel als Marcellina und Dan Paul Dumitrescu als Bartolo waren ein überzeugendes Buffo-Paar.

Auch die kleinen Rollen waren mit Mariam Battistelli als Barbarina, Leonardo Navarro als Basilio, Peter Kellner als Antonio und Benedikt Kobel als Don Curzio rollendeckend besetzt. Das Staatsopernorchester unter Sascha Götzel spielte Mozarts Musik fließend und leichtfüßig, aber auch mit der notwendigen Tiefe und Ausdruckskraft. Insgesamt war es eine sehr interessante Aufführung, für die sich der Ausflug von München nach Wien gelohnt hat.

Gisela Schmöger

 

Diese Seite drucken