WIENER STAATSOPER 17.11. 2016: – „LA BOHÈME“ – Sieh, das Gute liegt so nah
Javier Arrey, Francesca Dotto. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Schon bei seinen ersten Auftritten als Herold in Don Carlo ließ ein junger Chinese mit schöner Stimme aufhorchen. Schon bald übernahm Jinxu Xiahou den Rosenkavalier-Sänger, dessen gesanglichen Tücken ihm keinerlei Probleme bereiten und auch im Belcantofach konnte er bereits als Nemorino, Ernesto und Ramiro reüssieren. Mit dem Rodolfo war nun das erste Mal ein große lyrische Partie an der Reihe und der junge Mann siegte auf der ganzen Linie. Nicht nur, dass er eine sichere, schön klingende Höhe aufzubieten hat, sondern auch die kleinen Phrasen dazwischen (zB: Ed ora come faccio – Cosi!) mit viel Empathie und gut sitzendem Piano phrasieren kann. Hoffentlich wird dieser Sänger nicht bald von einem anderen Haus abgeworben. In der 423. Belegung der Studenten-WG waren durch die Bank wirklich junge Leute unterwegs und der spiel- und sangesfreudige Schaunard von Clemens Unterreiner war da wohl der Doyen. Als Marcello war erstmals der chilenische Bariton Javier Arrey dabei, der eine schöne, gut fokussierte Stimme hören ließ. Vervollständigt wurde das Quartett durch den rabenschwarzen Bass Jongmin Park, der mit seiner Mantelarie viel Mitgefühl erzeugte. Gegen diese Bande tut sich ein Vermieter schwer, auch wenn der Benoit von Wolfgang Bankl ebenso souverän gestaltet wurde wie der Alcindor.
Die Damen konnten da nicht ganz mithalten. Anita Hartig hat für meinen Geschmack eine zu harte Stimme und neigt zu unmotiviert dramatischen Höhen. Sie stickt sicher sehr grellfarbige Blumen und weniger Pastelltöne. Die neue Musetta, Francesca Dotto, setzt ihr gutes Aussehen gekonnt ein, spielt eine lebenslustige, kapriziöse junge Dame.
Am Pult stand ein musikalischer österreichischer Botschafter in der Türkei: Sascha Goetzel. Auch wenn er in den instrumentalen Stellen manchmal so richtig aufdreht, ist er sorgfältig auf einen akustischen Ausgleich mit den Sängern bedacht.
Ein Abend, der viel Freude machte und entgegen vieler Unkenrufe ein sehr positives Bild unseres Ensembles bot.
Wolfgang Habermann