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WIEN/ Staatsoper: IL TROVATORE – dem großen Opernglück nahe

13.02.2017 | Oper

12.2. „IL TROVATORE“ – dem großen Opernglück nahe

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Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Hätte nicht Roberto Alagna ausgerechnet bei der Stretta einen „Schwächeanfall“ bekommen, wäre die 3.Vorstellung der Neuproduktion von Giuseppe Verdi’s „Il Trovatore“ wohl in die Annalen der Wiener Staatsoper eingegangen. Denn diesmal wurde die 1853 in Rom uraufgeführte Oper nicht nur durch die Diva Anna Netrebko zum „Ereignis“. Auch Ludovic Tézier als Luna und Luciana D’Intino als Azucena holten – im Vergleich zur Premiere –  gegenüber der russischen Primadonna  stark auf. Und auch der französische Tenor mit sizilianischen Wurzeln Alagna ließ sich über weite Teile der Vorstellung von der Leistung seiner Sopran-Kollegin anspornen. Und da zudem der Dirigent des Abends, Marco Armiliato, am Pult des Orchesters der Wiener Staatsoper in bester italienischer Kapellmeister-Tradition als Seismograph seines grandiosen Ensembles wirkte, kam man dem  großen Opernglück sehr oft ganz nahe.

Wobei  vor allem Anna Netrebko mit ihrer Leonora neue Maßstäbe setzte. Ich habe diese Rolle noch in den frühen 60er Jahren mit der jungen Leontyne Price erlebt. Mag sein, dass sie die lyrische Große Arie im 4.Akt mit noch intensiverem Piano-Raffinement ausstattete. Aber die Dramatik des „Miserere“ (mit profunder Alt-Stimme), die damals gestrichene Stretta und vor allem das Duett zwischen Luna und Leonora habe ich noch nie so aufregend gehört. Die Stimme verbreitet Silberglanz in der Höhe, Dramatik in der Mittellage ohne Registerwechsel. Und dann – wie selbstverständlich –  das „Umschalten“ auf die  Koloraturen einer Lady Macbeth. Man muss nie zittern, die Musikalität ist singulär! Die Nerven von Anna Netrebko sind offenbar  belastbar wie die Stimmbänder . Man darf sich also auf die „Aida“ in Salzburg wirklich freuen. Großartig der Gegenspieler von Manrico, Luna, im der Deutung von Ludovic Tézier: hier wirbt ein eleganter „Macho“ um die Geliebte seines Rivalen und tötet zuletzt den eigenen Bruder. Der französische Verdi-Bariton fand diesmal die ideale Balance zwischen Belcanto und Verismo – ein wahres Vergnügen! Wirklich zu Herzen ging diesmal auch das Porträt der alten Zigeunerin Azucena, die einst in einem Anfall von geistiger Verwirrung ihr eigenes Kind ins Feuer warf. Luciana D’Intino kaschiert diesmal  besser die Schwächen in der Mittellage, das Timbre ist kostbar, die Tiefe und Höhe imposant. Ihr expressives Klagen geht unter die Haut. Zu einem ersten Höhepunkt der Vorstellung wurde denn auch die Szene Azucena-Manrico am Beginn des 2.Aktes. Alagna ging auf’s Ganze, die Stimme klang viel dramatischer als am 5.Februar, die emotionale Wirkung war enorm. Große Oper! Leider  hielt die Hochform nicht bis zur berühmten wie von Tenören gefürchteten „Stretta“. Die Arie wird noch souverän gemeistert. Dann das „Di quella pira“: ein kleiner Frosch beim ersten misslungenen hohen C, ein richtiger Frosch in der Fortsetzung und ein enttäuschender Schluß-Ton. Warum schmälert Robert Alagna seine ansonsten so grandiose Leistung als Manrico durch sein Beharren auf der C-Dur-Tonart. Nicht einmal Franco Corelli riskierte die „Stretta“ (legte allerdings ein Cis am Ende des 2.Bildes ein). Faktum bleibt: Il Trovatore kam  diesmal ganz nahe an den Opern-„Himmel“ heran. Vielleicht ereignet sich das Wunder in den nächsten zwei Reprisen. Bleibt zu resümieren: der Chor der Wiener Staatsoper (Leitung Thomas Lang) kann beweisen, was er  alles kann und das ist erstaunlich! Jongmin Park ist ein hochkarätiger Ferrando, Simina Ivan eine sympathische Ines und Jinxu Xiahou ein exzellenter Ruiz.

Die belanglose Inszenierung von Daniele Abbado (Bühne: Graziano Gregori) übersiedelt die wirre Geschichte ins 20.Jahrhundert und berichtet von  Bandenkriegen im Schatten des Faschismus. Aber letztlich entscheidet bei „Il Trovatore“ nur die Musik. Und die war nahe dem großen Opern-Glück!

Peter Dusek

 

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