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WIEN/ Staatsoper: FIDELIO

12.01.2016 | Oper

WIENER STAATSOPER, 11. Jänner 2016

Ludwig van Beethoven: Fidelio

Jubel, Trubel, Freiheit!


Klaus Florian Vogt, Anja Kampe. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Am 24. Mai 1970 feierte die aktuelle Otto Schenk-Inszenierung von Ludwig van Beethovens Fidelio Premiere. Und zwar als Gastspiel der Wiener Staatsoper im Theater an der Wien, so die offiziellen Angaben der Datenbank der Wiener Staatsoper. Fast 46 Jahre später erlebte man nun deren 230. Aufführung, genau dieselbe Zeitspanne dauert die aktive Opernzeit des Schreibers dieser Zeilen. Und genau diese Zeitspanne ist auch das Manko solcher Dauerbrenner, denn die Rezeptionsgeschichte der Freiheitsoper schlechthin hat schon vieles erlebt. Aber bei aller Hochachtung für das Lebenswerk von unserem „Otti“, solche antiquierten Bilder (und hier besonders die Massenszenen) sowie eine weitgehend abhanden gekommene Personenführung sind heute nur schwer zumutbar. Wo bleibt das Gefährliche, wo bleibt die Angst, wo erkennt man wirklichen Jubel? Statt dessen Chorgeschiebe und Rampensingen. Naja! Es müssen ja nicht Napalm-Bomben und Gasmasken oder Nazischergen und inhaftierte Juden sein, aber der Geschmack hat sich in fast fünf Jahrzehnten doch schon gewandelt. Aber lassen wir das Szenische!

Statt des charismatischen Leonard Bernstein bei der Premiere stand diesmal „Handwerker“Peter Schneider am Pult des Staatsopernorchesters und er verstand sich mit dessen Damen und Herren hervorragend. Wenngleich einige „Big Points“ eher schleppend daherkamen (etwa die Florestan-Arie zu Beginn des zweiten Aktes) oder manchmal die Sänger in den Klangwelten zu ertrinken drohten, Schneiders Dirigat verrät solides Handwerk, Sternstunde war es diesmal aber keine.

Positives gilt über weite Strecken auch für die Solisten: An erster Stelle sei Stephen Millings Rocco genannt, dessen wunderbar gefärbter Bass die idealen Voraussetzungen für diese Partie mitbringt. Und was bei Fidelio fast noch wichtiger ist: Man verstand aber auch wirklich jedes Wort! Als Don Pizarro kam diesmal der vorgesehene Evgeny Nikitin tatsächlich zu seinem Debüt. Er spielte zwar den Bösewicht total glaubwürdig, seine Stimme wirkte aber immer noch ein wenig rekonvaleszent. An Klaus Florian Vogt scheiden sich wohl immer die Geister. Sein hell timbrierter Tenor scheint für den Florestan nicht gerade zwingend zu sein (da passt ein lyrischer Lohengrin schon besser), aber Vogt machte das Beste daraus. Die vereinzelten Buhs für ihn beim Schlussapplaus waren jedenfalls genausowenig nachzuvollziehen wie jene fürAnja Kampe. Sie meisterte die sauschwere Partie der Leonore mit Bravour und punktete beim Rezensenten (dem sie schon als Sieglinde sehr gut gefiel) mit fast vibratofreier Stimme. Boaz Daniel zog sich mit einem routinierten Don Fernando gut aus der Affäre, während Valentina Naforniţa nicht gerade die Idealbesetzung für eine Marzelline sein dürfte. Man dachte eher eine Gilda zu hören, zu dramatisch und mit einem harten Kern in der Stimme. Dass ihr Deutsch gesanglich nicht zu verstehen war sei bei ihrer Herkunft verziehen. Genau das Gegenteil galt hingegen fürJörg Schneider. Er gab einen präzis singenden, immens wortdeutlichen Jaquino, dessen leuchtendes Timbre sogar aus den Ensembleszenen herausstrahlte.Gesanglich bot der Staatsopernchor das gewohnt hohe Niveau, szenisch sei hingegen der Mantel des Schweigens ausgebreitet (sh.oben).

Noch ein Wort zum Publikum: Die seitlichen Galerie-Stehplätze komplett leer, also die Touristenzeit scheint vorbei zu sein! Auch auf den übrigen Plätzen fast ausschließlich Opernkenner. Wohltuend! Kein Gequatsche und mit Ausnahme eines rot-grün aufleuchtenden Displays (ausgerechnet im Finale der Leonorenouvertüre) ein handicap-freier Opernabend. Großer Schlussjubel mit den beiden erwähnten Ausrutschern.

Ernst Kopica

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