WIEN / Staatsoper: FIDELIO am 29.12.2013
Letzte Vorstellung der Serie – so soll Beethoven klingen
Von der denkwürdigen „nach Schenk“ Inszenierung ist eigentlich schon alles gesagt; sie funktioniert noch immer hervorragend und erlaubt den Sängern, sich voll auf die furchtbar schweren Partien zu konzentrieren. Franz Welser-Möst zaubert mit den Wiener Philharmonikern eine aussergewöhnliche Beethoven – Kultur in den Raum. Bei den sinfonischen Teilen – ganz besonders bei der Leonorenouvertüre III, die wir in dieser detaillierten Eindringlichkeit noch nie gehört haben – kommen sowohl dem Orchester als auch dem Generalmusikdirektor die ausführliche Praxis im Konzertsaal zugute. Selten hört man eine derart differenzierte, feinfühlige Ausarbeitung der Pianostellen, die dann den nötigen Spielraum für die temperamentvollen Steigerungen lassen. Die rücksichtsvolle Sängerbegleitung ermöglicht eine klare Ausformung der Gesangsszenen, die Hörner klingen außerirdisch schön und die Soli machen dem Orchester alle Ehre. Gemeinsam mit dem Staatsopernchor, der wie immer bei Fidelio ambitioniert gestaltend und wunderschön – von zart bis mächtig – klingt, wird die Basis für ein besonderes Opernerlebnis gelegt.
Wir haben Matti Salminen in dieser Serie zum ersten Mal als Rocco erlebt und möchten uns nicht an den Spekulationen – was er noch bzw was er nicht mehr kann beteiligen. Den Rocco stellt er jedenfalls dank seinen Bühnenpersönlichkeit sowohl schauspielerisch als auch gesanglich sehr gut dar. Wenn er agiert, läuft vor dem geistigen Auge ein Panoptikum der wunderbaren Erlebnisse mit Matti Salminen – Daland, Hunding, Gurnemanz, Phillipp, Sarastro… – ab und lässt ein Gefühl der Dankbarkeit zurück.
Auch das Lebensalter und die stimmliche Entwicklung seiner Tochter wollen wir nicht thematisieren. Ildiko Raimondi ist leicht und locker imstande, die Marzelline optisch und schauspielerisch mit mädchenhaftem Schalk und Charme darzustellen. Sie singt die Rolle mit souveräner Leichtigkeit und Schönheit – dass ihr das heute, mit gereifter Stimme möglicherweise etwas leichter fällt als vor zehn Jahren, sollte ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Ricarda Merbeth ist im Laufe dieser Serie zu einer hervorragenden Leonore erblüht. Sie singt die lyrischen Stellen und die wunderschönen Bögen mit warmer, kultivierter Stimme (wie vor einigen Jahren als Daphne) und läßt auch bei den hochdramatischen Ausbrüchen keine Schärfe hören und keine Wünsche offen. Auffällig war auch das Verschmelzen der beiden wunderbar harmonierenden Frauenstimmen – selten genug hat man dieses Gefühl, dass das Ganze mehr ist als die Summe der Einzelteile.
In einer beneidenswerten stimmlichen Verfassung präsentierte sich Peter Seiffert als Florestan. Sein mächtiger Heldentenor ist in der Lage, erstaunlich zarte, lyrische Ausdrücke darzustellen. Beim „Goott“ ist er diesmal ohne Fehl und Tadel; bei den fast schon hysterisch dramatischen Stellen ist er hörbar in seinem Element.
Tomasz Konieczny hat im Don Pizarro eine weitere Traumrolle gefunden. Seine etwas gewöhnungsbedürftige Stimmfärbung und der kehlige Gesangsstil, der zB beim Wotan störend wirkt, passt beim bösartigen, tyrannischen Pizarro (genauso wie beim Alberich) sehr gut und bewirkt ein authentisches Rollenbild. Die gesangliche Präsenz und die verbesserte textdeutlichkeit ergeben in Summe eine beeindruckende Leistung.
DIE Entdeckung dieser Fidelio – Serie ist für uns Sebastian Kohlhepp als Jaquino. Dieser junge Tenor aus dem Staatsopernensemble zeigte einen temperamentvollen, spielfreudigen, tragischen Liebhaber und singt mit schöner, technisch sehr guter Stimme. Schade um ihn, wenn er – wie unlängst als Steuermann im Tristan – im Off versteckt wird.
Auch die kleinen Rollen – Boaz Daniel als Minister, Wolfram Igor Derntl und Johannes Gisser als Gefangene – waren, dem hohen Niveau der Vorstellung entsprechend besetzt.
Diese tolle Vorstellung beendet unser Opernjahr; wir wünschen deshalb schon jetzt einen angenehmen Jahreswechsel und ein erfolgreiches (Strauss) Jahr 2014 mit vielen guten Strauss – Opern.
Maria und Johann Jahnas