
Schlussbild des FALSTAFF, in der Mitte die Titelfigur mit Ambrogio MAESTRI (Foto M.Pöhn-Staatsoper Wien)
WIEN / Staatsoper
FALSTAFF von Giuseppe Verdi
9.Aufführung in der Inszenierung von David McVicar
30.Juni 2018 Von Peter Skorepa
Tutto nel mondo é burla…
… L`uom é nato burlone. Die ganze Welt ist Narrheit, der Mensch als Narr, als Gefoppter geboren. Welche Worte passen besser als die von Arrigo Boito dem Sir John in den Mund gelegten und von Verdi mit seiner genialen Fuge musikalisch umrahmten für ein Saisonende:
Überall Narren, die glauben ihr Publikum verändern zu müssen und daran scheitern, Narren, die von abgetretenen Politikern gefoppt wurden und nun an der Oper 4,0 zu kiefeln haben, Narren aus der schreibenden Zunft, die glauben gelesen zu werden oder die Welt verbessern zu können, Narren aus der Zunft der Tenöre, die glauben alles singen zu müssen aber wieder absagen, Regisseure als Narren, die ihre Ideen als des Kaisers neue Kleider verkaufen, obwohl ihre Ideen eher von Armut zeugen, Armut an allen künstlerischen Fronten, weil die Politik Geld lieber den Banken statt den Theatern gibt, lieber in Kriege, Waffen und Aufrüstung investiert.
Kurz gesagt:…tutti gabbati, und Falstaff zeigt dabei auf uns alle im Publikum, dieser abgesandelte Ritter von Shakespears Gnaden: „Ihr alle seid die Betrogenen“.
Zwei hervorragende Singschauspieler prägten den heurigen Saisonschluss und machten diesen Verdi zu einem Erlebnis: Ambrogio Maestri als der derzeit führende italienische Bariton für die Rolle des beleibten Ritters, ob bei seinem ewigen Schwadronieren über die Ehre, seiner meisterhaften Umwandlung des abgetakelten Fresssacks in einen eleganten Beau der Renaissance, als der er auf Werbetour bei Alice auftaucht, dabei an seine so köstlich ins Licht gestellte Figur seiner vergangenen Zeiten erinnernd, als er Page war bei Norfolks Herzog. Und letztlich als traurige Figur nach seinem unfreiwilligen Themsebad. Dazu ein in blendender Verfasssung befindliches Stimmmaterial.

Ambrogio MAESTRI mit Emil LANG als Page Robin und Marion GRILL als Doll Tearsheet, der Hure (Foto: M.Pöhn/Staatsoper Wien)
Zweites Atout des Abends war Christopher Maltman als echte Shakespeare-Figur mit italienischem Bariton. Es gelangt ihm in Darstellung und Stimme köstlich die von Verdi angedachten Mischung aus Abgesang an die großen Baritonrollen und einer gleichzeitigen Parodie auf einen eifersüchtigen und rachelüsternen Ehemann auf die Bühne zu stellen, wobei ihm speziell der verzierte Madrigalteil gesanglich besonders gut gelang.

Christopher Maltman (Foto M.Pöhn)
Damit war das Gästepotential des Hauses allerdings schon ausgeschöpft, etwas, was in früheren Zeiten üppiger zur Verfügung stand. Da verbleibt nur besonders zu erwähnen die Alice Ford von Olga Beszmertna, hübsch anzusehen und von stimmlicher Frische, Herwig Pecoraro als köstlich abgefeimter Bardolfo und der neuernannte Kammersänger Benedikt Kobel als giftiger Dr.Cajus.
Der Fenton des Jinxu Xiahou hat zwar brav gesungen, was man ihm beibringen konnte, ist aber bereits einem tenore leggero entwachsen, Hila Fahima hatte als Einspringerin mit der Phrasierung in der Höhe zu kämpfen. Von Monika Bohinec hätte man sich die Tiefe gewünscht, die für das richtig georgelte „Reverenza“ notwendig ist und für die Wirkung der Rolle gut gewesen wäre. Ryan Speedo Green war als Pistola und Margaret Plummer als Meg Page angesetzt.
Robin, der Page Falstaffs ist eine wichtige Figur, denn sie setzt mit der Postverteilung das Drama in Gang. Der junge Emil Lang erledigte dieses sehr gut und belebte so manch andere Szene mit Falstaff. Ob die Einbeziehung der Hure Doll Tearsheet als stumme Figur notwendig war, darüber lässt sich streiten. Marion Grill war aber, auch für den Zuseher, ein vergnüglicher Aufputz.
Sein Debüt mit den New Yorker Philharmonikern liegt bereits 44 Jahre zurück, jenes an der New Yorker Met 42 Jahre: James Conlon hatte also vor drei Jahren mit der Chowanschtschina ein spätes Debüt hier in Wien am Opernhaus. Er dirigierte seinen Verdi temporeich mit präzisen, und gewaltigen Einsätzen ohne allerdings der Spritzigkeit der al fresco Partitur allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Kein Aquarell sondern ein dick hingefetztes Ölgemälde entstand da unter seinen Händen aber leider, im letzten Bild vermisste man die elfengleiche Musik á la Sommernachtstraum eines Mendelssohn. Schade.
Peter Skorepa
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