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WIEN/ Staatsoper: EUGEN ONEGIN – Derniere

06.11.2015 | Oper

WIENER STAATSOPER 5. November 2015 Peter I. Tschaikowski: Eugen Onegin

Ein fast perfekter Opernabend


Zoryana Kushpler (Olga). Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Viel hatte nicht gefehlt für einen perfekten Opernabend bei der vierten und letzten Aufführung der Eugen Onegin-Serie am 5. November. Sogar die nicht gerade unumstrittene Inszenierung von Falk Richter wusste durch das wirklich ambitionierte Spiel der Hauptakteure zu überzeugen. Beim wiederholten Besuch erkennt man in der sechs Jahre zurückliegenden Produktion immer wieder interessante Details und auch an den ewigen Schneefall kann man sich gewöhnen. Die Besetzung des Abends wird man auch anderen Häusern weltweit kaum toppen können. Eine Anna Netrebko bleibt für die Rolle der Tatjana derzeit einfach das Maß aller Dinge. Es ist zu erwarten bzw. zu befürchten, dass sie über kurz oder lang diese Opernfigur ad acta legen wird. Über ihre Gesangskultur sich auszulassen hieße nur Eulen nach Athen tragen. Da können noch so viele private und semiprivate Geschichten über sie in der Regenbogenpresse erscheinen, hier ist eine Sängerin am Werk, die ihr Handwerk gelernt hat und die sich ohne Allüren voll in den Dienst der Sache und der Rolle stellt. Ihre Stimme und Sprachfärbung könnte für die Tatjana nicht perfekter sein, das ist man mit jedem Ton zu hören und zu spüren. Aber dass sie auch in ihrem Spiel eine sehr nuancierte Figur zeichnet und den Wandel vom schwärmerischen Mädel bis hin zur kurz irritierten, aber dennoch souveränen Gattin Gremins spannend erzählt, muss hier auch gesagt werden.

Das Onegin-Debüt von Christopher Maltman in Wien hätte auch nicht besser gelingen können. Seine besonders in der Höhe kernige Baritonstimme gibt dem Bonvivant auch die nötige Kraft, von der Rollengestaltung her ähnelt er ein wenig der Premierenbesetzung (Simon Keenlyside) und zeichnet die Titelfigur sehr intellektuell. DIE Überraschung des Abends war für mich aber der Lenski von Dmitry Korchak. Auch wenn das Publikum mit einer großen Anzahl von Netrebko-Fans zu Beginn eindeutig im Lager der Sopranistin stand, brandete nach „Kuda, Kuda“ ein gewaltiger Orkan für ihren Landsmann auf! Unangestrengt, mit manchmal sehr hohem Anteil der Kopfstimme (was aber nicht unangenehm auffiel) und leidenschaftlich ließ er am Schicksal Lenskis eindrucksvoll Anteil nehmen. Ein Luxusbesetzung hörte man in der großen Arie des Fürsten Gremin: Ferruccio Furlanetto! Nicht tiefschwarz, aber mit Würde und Stil vorgetragen, eine große Bassstimme in dieser kleinen Rolle.

Auch die übrigen Frauenpartien konnten überzeugen: Monika Bohinec (auch wenn zu jung für die Mutterrolle, aber dafür kann sie ja nichts) als Larina, Zoryana Kushpler als temperamentvolle und ausdrucksstarke Olga sowie Aura Twarowska als Filipjewna. Selbst Marcus Pelz (Hauptmann und Saretzki) und Dritan Lica (Vorsänger) passten sich dem Ensemble nahtlos an, lediglich Pavel Kolgatin könnte die inszenierungsmäßigen Vorgaben des Triquet als Pop-Star ein wenig mit stimmlicher Gestaltung unterstützen.

Bleibt noch die Frage, warum ich diesen Abend dennoch nur als „fast“ perfekt empfand. Und hier liegt der Grund einfach im Graben! Sprich bei Patrick Lange und seinem langweiligen Dirigat und leider auch beim Wiener Staatsopernorchester, das in so manchen Passagen (etwa bei der Polonaise im dritten Akt) seinem hohen Anspruch bei weitem nicht gerecht wurde. Einige Male vermeinte man ein regelrechtes „Humptata“ zu hören, so inspirationslos erklang Tschaikowskis Musik. Als Folge musste der Dirigent einige Buhs beim Schlussapplaus hinnehmen. Eine Diva wie Netrebko rettete aber die Situation mit einem perfekt gefangenen Blumenstrauß und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass dieser Abend schlussendlich den Sängern gehörte.

Ernst Kopica

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