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WIEN / Staatsoper: DON PASQUALE

26.04.2015 | KRITIKEN, Oper

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Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Staatsoper:
DON PASQUALE von Gaetano Donizetti
Premiere: 26. April 2015

„Lustig“ sei es gewesen, berichteten Bekannte von der Generalprobe, und das ist ein positives Urteil, wenn es um eine Opera buffa geht. „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti ist zwar ein bisschen mehr, die Komödie hat viele, viele Schichten, schrammt wohl auch ans Tragische, aber lustig soll es wohl sein. Hat man die Aufführung dann selbst gesehen, stellt sich die Frage: Wie, genauer: auf welche Weise ist das, was Regisseurin Irina Brook auf die Bühne der Wiener Staatsoper stellt, eigentlich lustig?

Dass ein verschlissener Nachtclub Ort der Handlung ist (Bühne: Noëlle Ginefri-Corbel), hat man inzwischen oft gehört und akzeptiert, warum nicht? Dass hier ein bisschen Halbwelt und ein paar Besoffene während der Ouvertüre herumhängen und beim Genuß der Musik definitiv stören, sieht man schon weniger ein, weil das gar nichts mit der Geschichte zu tun hat. Nur dass die beiden Bedienten von Don Pasquale von Anfang an sehr präsent sind, vor allem Eduard Wesener als hinreißender „stummer Diener“, der nichts anders will als seinen Herren beschützen und der auf alles, was geschieht, mit teils drolliger Anteilnahme reagiert, das merkt man positiv – überhaupt versucht die Regisseurin, die Protagonisten bei Soloszenen nicht allein zu lassen, Norina (als „Schauspielerin“) bekommt eine Garderobiere, und wenn Ernesto sich solistisch bedauert, hört ihm ein Musiker freundlich zu: Das ist hübsch gedacht, es ist natürlich leichter, wenn man jemanden „anspielen“ kann, statt sich selbst als Opernfigur in Szene zu setzen.

Auch der Beginn der Oper bleibt noch einigermaßen „am Boden“ – dass Don Pasquale den Neffen reglementieren und selbst eine junge Frau heiraten will, das steht als realistische Möglichkeit da, wenngleich schon der Auftritt des Doktor Malatesta zeigt, dass unbedingt Jokus um jeden Preis gemacht wird: Dass der gute Mann den alten Don Pasquale auch noch massieren und akupunktieren muss, ist nicht einmal annähernd eine lustige Idee, wenn auch wohl als solche gedacht.

Nicht ganz geschickt ist es, dass man den Nachtclub ausräumen muss (Bühnenarbeiter holen die Tische ein), um die „Garderobe“ der Norina einzuschieben (für solche Dinge gibt es Vorhänge im Theater!), die dann unter den Augen einer Garderobiere vom prächtigen Theaterabendkleid in heiße Höschen schlüpft – gagverliebt sind auch die Kostüme (Sylvie Martin-Hyszka), Geschmack ist allerdings in keiner Weise gefragt, die Optik des Abends nimmt mehr und mehr an Trash zu.

Sicher, wenn Norina als „Sofronia“ agiert, wird die Handlung toll und turbulenter – Bewegungsslapstick wiederholt sich und das Toupet, das sich Don Pasquale aufsetzt, um jünger zu wirken, wird zum Running Gag, der bis zum Erbrechen ausgereizt wird (runter und rauf, runter und rauf). Das adrette schwarze Kostüm der verkleideten „Klosterschülerin“ weicht einem grell-rosa Mieder, und es wird längst gar nicht mehr der Versuch unternommen, bei der Geschichte zu bleiben.

Die Gag-Revue ist angesagt, zumal im dritten Akt, wo dann die geschmacklose Umdekorierung der Bar in eine (sinnlos in der Luft hängende) Revueszene in lila Glitzer mündet, wo Ernesto seine Serenade nicht als echtes Liebeslied darbringt, sondern als die vordergründig parodierte Einlage eines Show-Stars samt Hüftenwackeln (sollte es Travolta sein? Egal). Hinten zupfen Pasquales Diener, als Mariachi verkleidet, scheinbar die Gitarren… Davor schon haben Pasquale und Malatesta plötzlich und unvermutet Zylinder mit großen Federn aufgesetzt und ihr Duett im rhythmischen Tanzstil von englischen Music Hall-Entertainern angeboten…

Kurz, nach und nach ist Irina Brook eine Inszenierung, die vielleicht tatsächlich vom real „Menschlichen“ ausgegangen ist, in eine Sammlung unzusammenhängender Gags zerfallen, die im Grunde auch die Geschichte verlieren. Aber „lustig“, das schon, gewissermaßen ein Eintopf von Einfällen, die von keinerlei Konsequenz oder auch nur Stilwillen zusammen gehalten werden.

Natürlich stand mit Jesús López-Cobos ein großer Könner und Fachmann am Pult, aber musikalisch lupenrein wirkte die Aufführung weder im Orchester noch bei den Solisten noch beim Chor. Es war auch alles auf der Bühne so zerfetzt und zerfasert, dass sich die Unruhe vermutlich auf alle Beteiligten übertrug.

DSC6505_MichelePertusi tanzend DSC7395_MichelePertusi und Wesener

An Michele Pertusi gefiel die sympathische Selbstironie, mit der er seinen Charakter, der in dieser Inszenierung doch eher herumwackelt, zusammenhalten wollte. Sogar, als man ihn in die Unterwäsche zwang, suchte er seine Würde zu wahren… Am Ende darf er sich mit Norinas Garderobiere trösten – die ist alt genug. Dass Pertusi manchmal in den Orchesterwogen unterging, zeigte wieder, dass in dieser Rolle ein „saftiger“ Bassbariton besser aufgehoben wäre als ein schlanker.

DSC6692_ValentinaNafornita heiße Hoschen DSC7032_ValentinaNafornita Klosterschulerin DSC7175_ValentinaNafornita rotes Mieder

Valentina Nafornita als Norina „has it all“ – beinahe. Diese Figur (nicht auszudenken, wenn eine vielleicht nicht ganz so gertenschlanke Nachfolgerin in dieser Rolle in ihre “heißen Höschen” schlüpfen muss), diese bildhübsche Erscheinung, dieser Zauber, diese Spitzbuben(mädchen)haftigkeit in der Gestaltung der Rolle… Nur ob sie die richtige Stimme hat, Belcanto zu singen, möchte man angesichts des stets metalligen Beiklangs ja doch bezweifeln, aber von ihr selbst bis zur Direktion und Tausende Fans sind überzeugt davon. Technisch mangelt kaum etwas, es sollte sich nur anders (leichter und „dolce“) anhören

Ist das nicht auch – selbst auf die Gefahr hin, gesteinigt zu werden – das Problem von Juan Diego Flórez? Ein für sein Fach jetzt schon mehr kraftvoller als leichter Tenor, hell, strahlend in der Höhe, aber bar jeglicher Sinnlichkeit, was dann in der Serenade besonders fehlte – aber dafür zog er ja die Showstar-Parodie ab, die wirklich ein Heckmeck war, und das Publikum röhrte geradezu auf vor Begeisterung.

DSC7564_JuanDiegoFlorez singend

Das einzige, was an Alessio Arduini befremdete, war sein Gewand – mit diesem könnte er aus (Rossinis) „Turco“ oder „Algeri“ stammen, aber eine Fantasy-Figur ist er ja wohl nicht? Der junge Interpret, bärtig, wendig und im Besitz eines prächtig rau klingenden Baritons, war immer nachdrücklich präsent, wenn er auf der Bühne kam, stand in den Duetten nie hinter, sondern gleichwertig neben dem jeweiligen Partner.

Wolfram Igor Derntl als Notar war bei der allgemeinen Blödelei dabei.

Das Publikum gab sich mit Geschmacks- und Inszenierungsfragen nicht ab, genoß den Overkill an Trash geradezu, ein einsamer Buhrufer fand keine Mitstreiter und verstummte, der Jubel war enorm. Es war ja auch „lustig“ gewesen.

Renate Wagner

 

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