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WIEN/ Staatsoper: DON PASQUALE

25.06.2016 | Oper

WIENER STAATSOPER: „DON PASQUALE“ am 24.6.2016


Mario Cassi. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Eine „Buffa“ von so sprühender Lebendigkeit mit gleich 4 (vier) Rollendebutanten in den Hauptrollen und einem entsprechenden Inspirator am Pult – Donizetti kann sich nichts Schöneres wünschen. Wie von Direktor Dominique Meyer geplant, sollte diese „Pasquale“-Neuproduktion aus dem Vorjahr ein Gegenstück zum ewig lebendigen „Elisir d’amore“ werden und das größtenteils tiefernste Opern-Repertoire auflockern. Eine entsprechend großstädtische Besetzung wird natürlich – für die Stammbesucher und extra angereiste Opernkenner – Zugkraft Nr. 1 bleiben.                                                                                            Irina Brooks treffliche Inszenierung lässt genügend Spielraum für individuelle Entfaltung von singenden Neueinsteigern. Und ein Könner wie Marco Armiliato, der auf dem Pult die geschlossene Partitur liegen hatte, passt sich blendend der neuen Besetzung an. Da zumindest 3 der Hauptrollenträger auch exquisite Komödianten waren, ließ der Maestro Donizettis vor Heiterkeit, Witz und Melodik übersprudelnde Musik mit sichtlich und hörbar größtem Vergnügen Klang werden. Wie er mit vielen aussagekräftigen Fingerzeigen (wörtlich gemeint) dafür sorgte, dass die sich in die Kantilenen auf der Bühne mischenden einzelnen Instrumentalsoli aller Gattungen ebenso lustvoll entfalten konnten, und wie er sie in die großen Melodiebögen einband und nicht nur auf alle Sängerbedürfnisse einging, sondern auch deren stimmliche Ausdrucksmöglichkeiten noch zusätzlich unterstützte – das war Spaß und Freude ohn‘ Ende. (Ich habe mich nur am Schluss wieder einmal geärgert, weil der Dirigent beim Einzelvorhang weniger Applaus bekam als die Sänger – oft habe ich wirklich den Eindruck, dass viele Zufallsbesucher sich beim Erscheinen des musikalischen Leiters fragen: Wer ist das? Was will der da? Denn viele hatten ihn ja zuvor nicht so gut gesehen wie die Bühnenakteure.)

Das volle Ausmaß an souveräner Komödiantik fehlte nur (noch?) dem Ernesto. Yinxu Xiahou, das erst 25 Lenze zählende Ensemblemitglied aus China,  war bloß der „normale“ schmachtende Tenor, der alle Töne „hatte“, mit kraftvollem Einsatz das Haus mühelos füllte und die ihm vorgegebenen Positionen und Gänge absolvierte. Er war offenbar noch zu sehr nmit sich selber beschäftigt, um über die eigene Befindlichkeit lachen zu können. Aber einen zweiten Flórez erwartet man ja auch von anderen Vertretern dieser Stimmgattung nicht. So blieben da auch die Lacher aus. Aber den finalen Sieg im Kampf um die geliebte Norina gönnte man dem Debutanten trotzdem. Diese war in Gestalt von Andrea Carroll eine Super-Überraschung. An stimmlicher Virtuosität steht die Amerikanerin der Moldavierin aus der Premiere um nichts nach, an Stimmschönheit übertrifft sie diese sogar. Die tieferen Lagen sind ebenso klangvoll wie die nicht nur blitzenden, sondern auch leuchtenden Höhen und ein Bewegungstalent ist die junge Künstlerin physisch ebenso wie vokal, sowie sie auch in allen Gewandungen beste Figur macht. Bravissima! Ihr „fratello“ ist in der attraktiven Gestalt von Mario Cassi (der bisher in Wien nur den Belcore gesungen hatte) eine ebenso erfreuliche Überraschung. Im Vergleich zu Arduini und Plachteka hat er die schönste, reifste Baritonstimme anzubieten, die uns sicherlich auch in Verdi-Partien noch einige Freude bereiten wird. Der  resolute Dottore mit köstlichem Mienenspiel und darstellerischer Wandlungsfähigkeit ist als Drahtzieher der (für Pasquale Tragi-)Komödie ideal eingesetzt.  Seine große Szene mit dem späten Brautwerber im 3. Akt mit Donizettis echt italienischen Zungenbrecher-Passagen, der für die zwei Landsleute des Komponisten zum Höhepunkt des Abends wird, könnte virtuoser nicht gehandhabt werden, zumal beide Sänger dabei nicht nur köstlich parlieren, sondern auch vokal groß aufdrehen und bei den „Encores“ vor dem Vorhang nach Herzenslust blödeln dürfen. Ambrogio Maestri, der geborene Falstaff, hat im Don Pasquale, wie erwartet, eine weitere Glanzrolle gefunden. Dass er seinen Vorgänger an Leibesfülle um etliches übertriftt, schadet der Figur keineswegs. Dass sein Bassbariton weniger balsamisch klingt als die Stimme von Michele Pertusi, passt zur äußeren Erscheinung und etwas eingeschränkteren körperlichen Flexibilität. Das Spiel mit dem Toupet ließ er überhaupt weg. Er tritt zu Beginn mit Glatze auf, setzt sich vor der Erstbegegnung mit der zu ehelichenden Klosterschülerin ein einziges Mal das Toupet auf und belässt es auf dem Kopf bis zum Schluss. Robuster fällt auch seine Kapitulation an Ende aus. Aber auf jeden Fall eine hochrangige Besetzungs-Aternative!

Wolfram Igor Derntl agierte wieder ganz köstlich als Notnagel-Notar, der gleich bei seinem ersten Einsatz auf die Nase fällt und seine Perücke verliert. Und der Chor (brillant studiert von Martin Schebesta) vergnügte sich singend und überagierend am tollen Spiel als Dienerschaft, die der neuen Herrin des Hauses hörig zu sein hat. Den Statisten (hier „Butler“ genannt, Eduard Wesener und Christoph Nechvatal), die vor allem Don Pasquale zu assistieren haben, und Waltraud Barton als Kammerfrau sei ein Sonderlob ausgesprochen.

Dass die Interaktion zwischen diesen 4 Personen so blendend geklappt hat, ist gewiss nicht nur einer kundigen Abendregie (Katharina Fritsch) zu verdanken, sondern der gesamten geglückten Produktion, die für mich schon bei der Premiere ein „elisir d’amore“ darstellte (im Gegensatz zu den meisten Kritikern). 

Sieglinde Pfabigan

 

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