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WIEN/ Staatsoper: DON GIOVANNI – ein Plädoyer für das Ensemble

10.03.2017 | Oper

WIEN / Staatsoper: „DON GIOVANNI“ – Ein Plädoyer für das Ensemble

(am 9.3.2017 – Karl Masek)

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Igor Onishchenko (Masetto) gehört zum Ensemble der Staatsoper. Copyright: Michael Pöhn

Gerade im Mozart-Fach brauchte es ja einige Zeit, bis Dominique Meyer Tritt gefasst hat. Gerade die Premieren – Besetzung der auch sonst nicht eben freundlich aufgenommenen Don Giovanni-Inszenierung von Jean-Louis Martinoty war damals eher durchwachsen. Und mir will scheinen, diese Produktion, die auch dem Generalmusikdirektor damals kein besonderes Renommee eingebracht hatte, war der allererste Grund für die schwelende künstlerische Disharmonie zwischen Franz Welser-Möst und Monsieur Meyer…

Mittlerweile ist man wieder, so jedenfalls mein Eindruck, auf bestem Weg, Mozart-Vorstellungen von musikalischer Spitzenqualität anbieten zu können. Als richtig und besonders qualitätsfördernd erweist es sich, so wie in der laufenden Saison, die musikalische Leitung aller Mozart-Opern  einem Routinier im allerbesten Sinne, nämlich Adam Fischer, anzuvertrauen. Er hat im Haus am Ring als Solo-Korrepetitor begonnen, kennt „seinen“ Mozart aus dem Eff-Eff, weiß um Timbre, Technik, Atem, Stärken, Schwächen (und Abendform) der Sänger/innen Bescheid, kann die Balance halten zwischen den Stellen, wo man gestalterisch einzugreifen hat und etwas von Sängern wie Orchester „verlangen kann“ und jenen Momenten, die man laufen lässt. Kapellmeister-Könner seiner Art legen auf eine Tempo-Dramaturgie großen Wert. Adam Fischer ist dabei durchaus ein Rubato-Dirigent, setzt dramatische Akzente bei mehrheitlich rasanter Gangart. Am letzten Abend der aktuellen Giovanni-Serie gelang ihm darüber hinaus gemeinsam mit dem wieder einmal konkurrenzlosen Orchester der Wiener Staatsoper ein geradezu perfekter Dramma-Giocoso-Abend. Musikalische Hochspannung, ein besonders inspiriertes Musizieren ließen dreieinhalb Stunden wie im Flug vergehen. Nuancen sonder Zahl – von zart bis hart, von seidig-sanft, z.B. in den Zerline-Arien samt wunderbaren Celloklängen bis zu tollkühn forciertem Accellerando, z.B.  in der Champagner-Arie. Das Finale hatte auch im Orchester Höllenfeuer.

Eine Freude, dem Orchester von einem Seitenlogenplatz aus zuzuschauen, zuzuhören und die Interaktion des furiosen Maestro am Pult mit den Meistern aller Instrumentengruppen zu beobachten!

Ein überwiegend gutes Händchen bewies Meyer in letzter Zeit beim Engagement von neuen jungen Sänger/innen für das Ensemble. Fein dosiert gibt er dem Nachwuchs Chancen auch in mittleren und großen Partien. Step by step wächst hier derzeit – bestens betreut vom künstlerischen Support-Personal (die Korrepetitor/innen, die Regieassistent/innen, usw.)  – fürs Mozart-Repertoire ein Ensemble heran, das sich durchaus sehen und hören lassen kann.

An die Adresse jener Opernhabitués, die mitunter sehr einseitig „mit großer Zuversicht in die Vergangenheit blicken“, vergangene tolle Eindrücke als „wohlig bekannt“ immer wieder erkennen und dann oft nachkommende Künstler/innen nur widerwillig (mit herablassendem Lob, wie: ‚Für ein Ensemblemitglied tadellos‘) gerade mal gelten lassen.

Niemand ist es bisher gelungen, die Großen der Vergangenheit und Vorvergangenheit aus dem Sängerhimmel (wenn‘s einen gibt)  für ein nochmaliges Gastspiel an die Wiener Staatsoper zu holen. All die Londons, Siepis, Waechters z.B. für den Don Giovanni. Es ist daher auch wenig zielführend, diese Legenden den heutigen Sängern ständig vorzuhalten. Im übrigen: Eine satte Mehrheit wird die Legenden mittlerweile nicht mehr „live“ gesehen/gehört haben, sondern von CD‘s oder Schallplattenaufnahmen kennen. Und apodiktischen Aussagen, wie: „Don Giovanni verlangt nach einem hellen Kavaliersbariton…“ hat schon vor vielenJahren der helle Kavaliersbariton Eberhard Waechter in einem Gespräch mit den „Opernfreunden“ (veröffentlicht im Buch ‚Nicht nur Tenöre‘ 1982) widersprochen: „Eine geliebt – gehasste Leibpartie … stimmlich ist es, sagen wir so eine Partie, die nicht richtig angesiedelt ist, keine wirkliche Bass-Partie, den Bässen zu hoch, den Baritonen zu tief …“

Freudvoller und spannender ist es daher allemal, sich immer wieder auf die nachkommenden Jungen einzulassen. Zumal die ihrerseits viele Qualitäten aufzuweisen haben, ausgesprochen schöne Stimmen sind da zu entdecken. Auf die darstellerische Glaubwürdigkeit und eine bei den meisten  stupenden Bühnenpräsenz komme ich noch zu sprechen. Da hat sich doch vieles verändert. Und nicht zum Negativen, behaupte ich…

Das Verhältnis Ensemble : Gäste an diesem Abend: 6 : 2!

 
Also:

Adam Plachetka (Titelrolle, Ensemble): Ein dunkler, körniger Bassbariton mit ausladender Höhe. Ein Hüne, drahtig, kraftstrotzend, von prächtiger Bühnenpräsenz. Er schafft das oben beschriebene Accellerando der Champagner-Arie, findet auch nach 1003 spanischen Frauen (die anderen nicht mitgezählt) den routiniert – gefühlvollen Frauen-Eroberungston. Ein manischer Womanizer, der sein Leben, auch im Angesicht des Todes, nicht ändern will. Kaum jemals in der Vergangenheit habe ich einen Giovanni erlebt, der sich mit derartig kreatürlicher Intensität gegen den Tod gewehrt hat. Das zum A hinauf gesungene letzte „No“, das in einen Schrei überging, brachte Gänsehaut-Effekt.Kein Wunder, dass von den Salzburger Festspielen über Covent Garden und La Scala bis zur Met und der Lyric Opera Chicago viele erste Häuser auf den Prager aufmerksam geworden sind. Solche ‚Hausbesetzungen‘ lob ich mir…

Dan Paul Dumitrescu (Komtur, Ensemble): Ein Commendatore mit weichem Balsambass. Umso Furcht erregender das mit fortschreitendem Legato – Crescendo vorgebrachte: „Rispondimi … Risolvi …Verrai? … Dammi la mano in pegno“ …

 Albina Shagimuratova (Donna Anna, Gast): Ein dramatischer Koloratursopran. Samtige Mittellage, darüber dramatische Hochtöne, die ins Spintofach weisen. Koloraturen gerundet, raumfüllend, nie spitz zulaufend. Die nach dem Mord an ihrem Vater, dem Commendatore, immer der Ohnmacht nahe, ständig vom Sterben singende und ihren Dauerverlobten mit der Heirat bis über das Ende der Handlung hinaus vertröstende Donna spielte sie mit vielen Ausdrucksnuancen geschmackvoll, nicht als larmoyante Trauerweide, und sang bei ihrem Wiener Rollendebüt (die ersten beiden Abende musste sie krankheitshalber absagen) die Arien „Or sai“ und „Non mi dir“ so brillant, dass man sagen kann: Da hat sie zur Zeit nicht viel Konkurrenz. Zum Interview mit Albina Shagimuratova

Saimir Pirgu (Don Ottavio, Gast): Er war als Einziger schon bei der Premiere dabei. In den Ensembles um männliche Statur bemüht, gestaltete  er vor allem „Il mio tesoro“ mit kraftvollem Impetus, als glaubhafter Gegenspieler Don Giovannis. Er wird vermutlich diese oft als undankbar bezeichnete Rolle bald abgeben und sich verstärkt dem italienischen und französischen Fach zuwenden.

Olga Bezsmertna (Donna Elvira, Ensemble): Nach ihrer fulminanten Desdemona vor wenigen Wochen folgte nun eine weitere überzeugende Leistung im Mozart-Fach. Sie erspielt mit Nachdruck  und Glaubwürdigkeit die Donna mit der Giovanni-Hörigkeit, dem Helfersyndrom, der Sehnsucht nach wirklicher Liebe, der Verbitterung samt Rückzug ins Kloster. Der schlanke Sopran (wieder mit herrlichen Schwebetönen aber auch der nötigen Kraft in der Mittellage) hob sich gut vom Sopran der Shagimuratova ab. Auch sie weit über einem ‚tadellose Hausbesetzung‘ – Level.

Jongmin Park Leporello, Ensemble): Ein Schönsänger als Diener. Aber auch wirklich komödiantisch, witzig in der Verkleidungsszene, süffisant gegenüber Elvira die „Registerarie“ servierend. Auch er mit starker Bühnenpräsenz. Von diesem koreanischen Jungsänger ist noch viel zu erwarten.

Valentina Naforniţă (Zerlina, Ensemble): Dieses junge Luderchen fällt nicht nur besonders nachhaltig ins Beuteschema des Titelhelden: auch Mozart scheint diese Bühnenfigur besonders gemocht zu haben: Ihre Nummern kommen verspielt, unschuldig-erotisch über die Rampe. Und die Naforniţă beweist zum wiederholten Mal stimmliche Souveränität, geschmackvolles Gestalten und – auch sie – Bühnenpräsenz. Die zarte Sopranistin aus Moldawien hat auch längst eine intensive Gastiertätigkeit aufzuweisen (La Scala, Opera Bastille, Amsterdam, Berlin, München).

Igor Onishchenko (Masetto, Ensemble): Der blutjunge ukrainische Bariton befindet sich noch am Anfang, muss sich noch mehr trauen, seine hübsche, aber noch etwas kleine Stimme ins rechte Licht zu setzen. Nach dieser Talentprobe sollte er weiter behutsam mit kleineren und mittleren Partien aufgebaut werden.

Chor der Wiener Staatsoper, Bühnenorchester der Wiener Staatsoper: Auch diesmal präsent und sicher. Souverän am Hammerklavier die Rezitative begleitend: Stephen Hopkins.

Fazit: Akklamation und Jubel für eine fabelhafte Repertoire-Vorstellung. Mit Nachdruck ein Plädoyer für das Ensemble, was aber nicht heißt, ich hätte gegen Gaststars etwas einzuwenden. Nach der ‚43. Aufführung in  dieser Inszenierung‘:  Albina Shagimuratova und Saimir Pirgu werden hoffentlich weiter an die Wiener Staatsoper eingeladen. Weitere passende  Rollen gibt‘s für beide genug!

Karl Masek

 

 

 

 

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