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WIEN/ Staatsoper: DON CARLO

22.06.2012 | KRITIKEN, Oper

WIENER STAATSOPER: Giuseppe Verdi: DON CARLO am 22. Juni 2012 – EIN SÄNGERFEST

Nachdem die alte Inszenierung des Don Carlo wahrlich schon sehr viel Staub angesetzt und ausgedient hat, präsentierte Daniele Abbado eine sehr leicht bespielbare und repertoiretaugliche neue Inszenierung. Das Bühnenbild von Angelo Linzalata beschränkt sich auf eine Blackbox, deren Wände und Boden von allen Seiten in jede Richtung bewegt werden können. Da öffnen sich Türen, die den einzelnen Figuren den Zutritt und das Abtreten ermöglichen. In der Kerkerszene senkt sich die Decke zu einem beklemmenden Kellergewölbe. Beim Autodafé öffnet sich die Hinterwand und gibt eine goldverkleidete Rückwand preis. Das einzige was sonst noch in Gold erscheint ist der Thron des Königs. Dieser ist einer der wenigen Requisiten in einer sehr minimalistischen Produktion.

Die dunklen Farben der Bühnenausstattung stehen genauso für das schwere Gemüt, wie die Enge des Bühnenraumes für die Ausweglosigkeit mancher Bühnenfigur steht.

Damit diese optische Tristesse nicht zu eintönig wirkt, hat Alessandro Carletti eine fantastische Lichtregie erdacht, welche die Bühne in stimmiges Licht taucht, eine angenehme Atmosphäre erzeugt und die Figuren der Handlung in manch gleißendem Licht erscheinen läßt. Ein großartiger Effekt. In diesem Bühnenbild können sich Sänger ohne unsinnige Ablenkungen, die man von moderneren Produktionen kennt, voll auf ihre Figuren und ihr Spiel konzentrieren. Die Kostüme von Carla Teti zeigen, dass die Handlung ins 19. Jahrhundert verlegt worden ist.

Eine sehr ansprechende Produktion.

Die musikalische Seite war sowieso erste Klasse. Franz Welser-Möst setzte phasenweise auf recht flotte Tempi, ließ das Orchester gelegentlich etwas zu laut aufspielen, fand aber die richtige Balance zwischen Emotionalität und Spannung. Ramon Vargas war ein sehr lyrischer Don Carlo, dessen Timbre gerade in der Mittellage einen schönen Klang aufweist. Vielleicht hätte man sich mehr tenoralen Schmelz gewünscht. Seine Höhen kamen leider nur mit hörbarer Anstrengung und klangen zudem etwas dünn. Etwas zurückhaltend war auch sein Spiel. Das Aufbegehren des jungen Infanten kam nur sehr gedrosselt zum Ausdruck.

In Krassimira Stoyanova stand Vargas eine sensationelle Elisabetta zur Seite. Ihr leuchtender Sopran, der inzwischen noch mehr an Dramatik gewonnen hat, beeindruckte in allen Lagen und war sehr ausdrucksstark. Vom lyrischen Aufblühen bis zum dramatischen Ausbruch – technisch beherrschte die Bulgarin die ganze Bandbreite der an sie gestellten Anforderungen. Nie hatte man das Gefühl, die Sängerin komme in Bedrängnis. Alles schien für Stoyanova selbstverständlich zu sein. Der Höhepunkt war wohl ihre große Arie im letzten Akt, welche durch Welser-Möst’s zügiges Dirigat etwas ihrer Melancholie beraubt wurde. Diese Elisabetta war eher von selbstbewussterem Zuschnitt.

René Pape sang König Philipp II. mit imposantem Bass und gab mit seiner starren und etwas groben Stimme einen sehr unnahbaren und kalten König. Er sang seine Arie gekonnt, aber nicht nur diese mit zu wenig Italianità. In seiner Gardeuniform wirkte er eher wie Napoleon. Das Kostüm von Rodrigo, Marquis von Posa, wiederum, erinnerte an einen Freiheitskämpfer im Stil eines William „Braveheart“ Wallace. Als Top-Besetzung für den Rodrigo erwies sich Simon Keenlyside. Der englische Bariton hat die Kraft für die Partie, das noble, sinnliche Timbre und die Höhe. Die Arie und auch die Sterbeszene waren berührend und packend zugleich. Zu belcantesker Schönheit vereinigten sich die Stimmen von Keenlyside und Vargas im Freundschaftsduett. Keenlyside ist ein hervorragender Darsteller der über enorme Bühnenpräsenz verfügt und sein Rodrigo verliert sich nicht in platten Operngesten. Mit ihm steht ein echter Singschauspieler auf der Bühne der mit seiner gesamten Körpersprache eine Figur erschafft.

Seit vielen Jahren ist Luciana D’Intino eine gefragte Eboli. Sie verfügt über einen wuchtigen Mezzo in bester italienischer Tradition, dazu kommen eine satte Tiefe und eine etwas aufgesetzte, aber deswegen nicht weniger beeindruckende Höhe. Ihre beiden Arien meisterte sie auch dank ihrer Routine souverän. Der Großinquisitor von Eric Halfvarson sah bedrohlicher aus,  als er sich angehört hat. Hier fehlte es an Schwärze und auch etwas an Volumen.

Dan Paul Dumitrescu sang den Mönch mit sonorem Bass während Valentina Nafornita eine besonders schönstimmige, höhensichere Stimme vom Himmel war. Ileana Tonca war ein adäquater Tebaldo. Carlos Osuna sang die Partien des Herold und des Conte di Lerma.

Am Ende gab es viel Jubel und zwei Solovorhänge für die Hauptprotagonisten. Wie schon bei der Premiere erhielten auch diesmal Stoyanova und Keenlyside den stärksten Publikumszuspruch, mit leichtem Vorsprung vor Pape und dann D’Intino, und mit deutlichem Vorsprung vor Vargas. Auch für Welser-Möst gab es Bravo-Rufe.

Ein ganz großer Abend, der bewiesen hat, was eine erstklassige Besetzung ausmacht. Die beste Don-Carlo-Aufführung seit Jahren!

Lukas Link

 

 

 

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